„Rente mit 67″ – und weitere Rentenkürzungen

Deutlich  mehr  Über-60-Jährige ohne  Arbeit – als für die Öffentlichkeit registriert und von der Lobby-Regierung behauptet.

Wenn die lohnabhängigen Menschen später in Rente gehen, verschwinden damit nicht die Probleme Älterer am Arbeitsmarkt: Deutlich mehr Über-60-Jährige sind ohne Arbeit, als von der offiziellen Arbeitslosenstatistik erfasst werden.  
Die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterschlägt ein großes Potenzial an Arbeitskräften im Alter von 60 bis 65 Jahren.
„Seit 2001 sind kontinuierlich weniger Arbeitslose ausgewiesen worden als erwerbslos waren“, berichtet der neue Altersübergangs-Report des „Institut Arbeit und Qualifikation“ (IAQ).
Im Jahr 2004 wurden von 253.000 Erwerbslosen der über 60-Jährigen lediglich 63.000 auch als arbeitslos registriert. Der Anteil der Erwerbslosen an der Bevölkerung im entsprechenden Alter lag aber zwischen 2003 und 2008 stets doppelt so hoch wie der registrierte Arbeitslosenanteil.

Die offizielle Statistik erfasst nur jene Arbeitslosen, die den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagenturen zur Verfügung stehen. Die Statistik der Bundesarbeitsagentur berücksichtigt nicht, wer für sich keine Chancen mehr am Arbeitsmarkt sieht und sich deutlich vor dem 65. Lebensjahr zurückgezogen hat. Ebenfalls unbeachtet sind alle, die eine bezahlte Arbeit suchen, aber nicht bei der Arbeitsagentur registriert sind. Vor allem die erste Gruppe ist unter Älteren deutlich größer als in anderen Altersklassen.
Die wissenschaftliche Auswertung macht sichtbar: Es gibt eine nicht zu vernachlässigende Quote verdeckter Arbeitslosigkeit Älterer, die trotz einer höheren Beschäftigungsquote nicht verschwunden ist. (Anmerkung: Die Unterschlagung der tatsächlichen Arbeitslosigkeit Älterer dient zugleich der psychologischen und gesellschaftspolitischen Durchsetzung eines höheren Renteneintrittsalters – und u.a. damit der weiteren individuellen Rentenkürzung und Reduzierung der Kosten für die Altersrente an die werktätige Bevölkerungsmehrheit. – R.S.)    
Nicht erfasste Arbeitslosigkeit droht vor allem 58-Jährigen und Älteren. In Folge der Wirtschaftskrise waren vor allem die Älteren stärker von Arbeitsplatzverlusten betroffen. Dass die späte Arbeitslosigkeit – für die älteren Opfer der “Sozialen Marktwirtschaft” – ein besonderes Problem darstellt, liegt auch am Auslaufen der so genannten 58er-Regelung. Die bot Arbeitslosen noch die Möglichkeit, ab dem 58. Geburtstag Arbeitslosengeld I oder ALG II zu beziehen, ohne der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen – und als arbeitslos gezählt zu werden. (Anm.: Aktuell gibt es vielfältige Versuche der Arbeitsagentur bzw. ARGEn ältere Erwerbslose in Unterbezahlung, Billigarbeit, Zeitarbeit und Leiharbeit – Übergangsarbeit zu schieben bzw. zu zwingen. Diese modifiziert spezialdarwinistische Tatsache wird allerdings stets noch erfolgreich geleugnet. – R.S.)

Im Jahr 2007 entschieden sich noch gut 70 Prozent der erwerbslosen Älteren für diesen erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld. Seitdem aber ist der Zugang versperrt, und seitdem ist die ausgewiesene Arbeitslosigkeit der Über-57-Jährigen stark angestiegen: von 101.000 im Jahr 2007 auf mindestens 226.000 im Jahr 2009.

Mit der (erwünschten) Beseitigung bzw. dem Ende der “58er-Regelung” ist ein indirekter Schutz vor einer Zwangsverrentung (und Rentenreduzierung) weggefallen. ALG-II-Bezieher sind nun nicht mehr davor geschützt, mit 63 eine Rente beantragen zu müssen, selbst wenn sie dann Rentenabschläge von 10,8 Prozent hinnehmen müssen. (Anm.: Zusätzlich noch Abzüge für Krankenversicherung, Pflegeversicherung etc.)

An die Stelle des (vormals) erleichterten Arbeitslosengeld-Bezugs ist nichts anderes getreten, was das Problem der späten Erwerbslosigkeit mildern könnte, weder eine materielle Absicherung noch eine bessere Förderung. Die Arbeitsförderung der Arbeitsagenturen klammere ältere Personen ab 60 Jahren weiterhin aus, bemängeln die Wissenschaftler. Qualifizierungsmaßnahmen für Ältere werden selten gefördert. Die Förderung einer abhängigen Beschäftigung spiele nach 60 keine Rolle mehr. „Gerade bei älteren zeigt sich die Verfehltheit eines rein betriebswirtschaftlichen Förderkalküls“, resümieren die Forscher des IQA. – Anm: Die Wissenschaftler sollten sich auch mit der Realität der  Abschiebung der Älteren in die Unterbezahlung und Altersarmut durch die Arbeitsagentur beschäftigen; so auch analog bei jüngeren Erwerbslosen. Die Arbeitsagentur bzw. ARGEn – und ihre privaten Vermittlungspartner – befördern Lohnarmut und Altersarmut, – und zugleich auch die weitere Beseitigung der Tarifsysteme in Deutschland. (R.S.)

Quellen vgl.: Böckler Impuls 01/2011. Arbeitsmarkt.  
Ältere Erwerbslose fallen aus der Statistik.
http://www.boeckler.de/

Sarah Mümken, Martin Brussig, Matthias Knuth: Beschäftigungslosigkeit im Alter –
Die Älteren ab 60 Jahren sind besonders betroffen, Altersübergangs-Report 01/2011,
Projekt gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung.
http://www.iaq.uni-due.de/auem-report/2011/auem2011-01.pdf

21.01.2011, Reinhold Schramm

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