Postkommunisten unterstützen Postfranquisten

Dass sich Spaniens linke Parteienkoalition Izquierda Unida (IU, Vereinigte Linke) im freien Fall befindet, ist nichts Neues. Wie tief sie dabei mittlerweile gefallen ist, sehr wohl: In der Autonomen Gemeinschaft Extremadura und in der baskischen Provinz Araba (span. Álava) ebneten die Postkommunisten von Cayo Lara der postfranquistischen Partido Popular (PP, Volkspartei) von Mariano Rajoy den Weg an die Macht, indem sie sich bei den entscheidenden Abstimmungen enthielten. In beiden Gebieten sahen sich einerseits die entsprechenden IU-Strukturen nicht in der Lage, sich mit der Sozialistischen Spanischen Arbeiterpartei (PSOE) beziehungsweise mit der christdemokratischen Baskischen Nationalpartei (PNV) zu einigen, um den Durchmarsch der Rechten zu verhindern. Andererseits war die IU-Führung um Lara nicht fähig, ihre Unterorganisationen zur Ordnung zu rufen. Schlimmer noch: Dem IU-Landesverband in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (EAE-CAV), der als Ezker Batua-Berdeak (EB, Vereinigte Linke-Grüne) auftritt, steht nach 2009 die zweite Spaltung bevor.

Grund für den internen Zwist ist, dass der PNV Details über die Verhandlungen mit der IU bekannt machte, die so gar nicht zum Image einer linken Partei kommunistischer und republikanischer Herkunft passen. Seine linken Verhandlungspartner verlangten im Gegenzug für ihre Unterstützung bei der Wahl der Kreisregierung von Araba, dass sich der PNV verpflichtete, erstens im Verlauf von zwei Jahren knapp 40 IU-Mitglieder in gut dotierte Verwaltungsstellen unterzubringen und zweitens der fast bankrotten Partei über öffentliche Sparkassen des Baskenlandes einen Kredit über 600 000 Euro zu besorgen. Letzteres war legal kaum zu meistern, da die IU keine entsprechenden Sicherheiten mehr aufweisen kann. Ersteres war politisch nicht zu vertreten, angesichts einer Arbeitslosenquote von 13 Prozent im Baskenland und 21 Prozent im spanischen Staat. Hinzu kam, dass die Formation auch im Baskenland mittlerweile keine wesentliche soziale Kraft mehr darstellt. Bei den Landtagswahlen 2009 verlor sie zwei von drei Parlamentssitzen. Je nach Urnengang und Gebiet bewegt sich die IU zwischen einem und drei Prozent. Von der EB spaltete sich die Strömung „Alternatiba“ ab, die sich erfolgreich in das linke Parteienbündnis Bildu eingebracht hat.

Nachdem die Tageszeitung Gara, die der linken Unabhängigkeitsbewegung nahesteht, die Vorgeschichte zum Abstimmungsverhalten der IU in Araba bekannt gemacht hat, ist es zum Machtkampf innerhalb des baskischen Landesverbandes gekommen. Dabei stehen sich zwei verfeindete Strömungen gegenüber, die um Namen, Logo und noch vorhandene materielle Werte kämpfen. Das Schicksal von EB wird sich in mindestens zwei Kongressen und wahrscheinlich auch vor Gericht im Herbst entscheiden.

Der Niedergang des baskischen Ablegers von IU ist symptomatisch für den Zustand der Gesamtpartei: Im Verlauf der letzten 25 Jahren ist sie zum Teil des politischen Systems geworden und ihre Amts- und Mandatsträger haben davon profitiert. Den Preis, den sie dafür bezahlen musste, ist eine zunehmende Entfremdung von ihren traditionellen Wählerschichten. Parteiinterne Kritiker traten aus, weil sie die Institutionalisierung der Vereinigten Linken bei geleichzeitiger ideologischer und politischer Verwässerung nicht mittragen wollten. Die Quittung für diesen Kurs bekam Lara vor einigen Monaten präsentiert, als ihn „Indignados“ (Empörte) vor ein paar Wochen bei einer erfolgreich verhinderten Zwangsräumung in Madrid tätlich angriffen. Der Vorfall wurde im Internet kontrovers diskutiert. Die Wasserattacke war ein Punkt, den man ansprach, der andere die Tatsache, wie es überhaupt soweit kommen konnte, dass die „Bewegung der Empörten“ den höchsten IU-Repräsentanten nicht als Verbündeten, sondern bestenfalls als Gegner betrachtet.

Diese Episode und der Fakt, dass die IU offensichtlich nicht mehr fähig ist, außerparlamentarische Strömungen an das politische System heranzuführen, machen sie überflüssig. Mit Blick auf die Parlamentswahlen 2012, die auf den Herbst vorgezogen werden können, hat die noch regierende PSOE bereits wieder einen leichten „Linksschwenk“ vollzogen, der auf Kosten der institutionalisierten Linken gehen wird. Am Wahltag wird spanienweit die Frage sein: neoliberale Sozialdemokraten oder neoliberale Postfranquisten. Bei der Entscheidung wird die IU in ihrer jetzigen Verfasstheit keine Rolle mehr spielen. Im Baskenland ist dieser Zustand bereits Realität, nachdem sich Bildu bei der Kommunalwahl in der EAE-CAV und bei der Regionalwahl in Nafarroa (span. Navarra) als politische und antifaschistische, soziale und wirtschaftliche Alternative etabliert hat.

Quelle: Ingo Niebel, http://www.info-baskenland.de/842-0-Postkommunisten+unterstuetzen+Postfranquisten.html?goback=328

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