Diskussionsbeitrag zur Konferenz für Aktionseinheit am 15. Mai 2010

Liebe Genossinnen und Genossen,

Unsere Konferenz steht unter dem Thema „Aktionseinheit gegen Neofaschismus und Krieg, für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt“. Das ist ein so umfangreiches Feld politischer Arbeit mit nahezu allen gesellschaftlichen Kräften, dass es schwer fällt, in einer Konferenz die ganze Vielfalt der damit verbundenen Erfahrungen, aber auch der Probleme zu diskutieren. Ich möchte nur ein Problem aufgreifen, zu dem ich meine Meinung sagen möchte, zur Rolle der Kommunisten in diesem Gesamtprozess.

Dazu muss ich zwei Vorbemerkungen machen:

1. Ich bin Mitglied der DKP ohne jede Funktion. Ich gehöre keinem Vorstand an, habe zwar aus der Vergangenheit viel Leitungserfahrung, sehe aber alle Entwicklungen in der kommunistischen Bewegung fast ausschließlich aus der Basisebene.

2. Viele der hier vorgetragenen Erfahrungen stimmen sehr optimistisch. Sie verdeutlichen, dass wir trotz vieler Widersprüche in der Entwicklung der Aktionseinheit ein gutes Stück voran gekommen sind. Was mir dennoch da und dort fehlt, ist die kritische Sicht auf unsere Schwachpunkte. Ich sage deshalb vorweg, dass ich – bezogen auf meinen Diskussionsschwerpunkt – manches sehr kritisch beleuchten werde. Ich war fast 50 Jahre Mitglied der SED bzw. dann der PDS. Unsere Niederlage von 1989/90 war deshalb auch meine ganz persönliche Niederlage. Wir brauchen uns nicht zu agitieren über die Rolle des Klassengegners. Die kennen wir alle. Aber ich habe mir hinterher manchen Vorwurf gemacht, da und dort (auch aus falsch verstandener Parteidisziplin) geschwiegen zu haben, wo ich ernste Irrtümer in unserer Entwicklung sah. Das soll mir nie wieder passieren. Es bleibt euch, kritisch zu prüfen, ob meine Sicht und meine Schlussfolgerungen zutreffend sind.

Soweit zu meinen Vorbemerkungen und nun zur Sache.

Genosse Heinz Kessler hat sehr überzeugend dargelegt, wie schwierig während des Großen Vaterländischen Krieges der Aufbau des Nationalkomitees Freies Deutschland war. Ich habe mich oft gefragt, wie fast unüberwindlich schwer es den damaligen Kommunisten gefallen sein muss, Soldaten, Offiziere, ja selbst Generale der faschistischen Armee in ein solches Aktionsbündnis zu holen, denn die politischen Gegensätze schienen nahezu unüberwindbar. Ohne die führende und prägende Rolle der Kommunisten, orientiert an marxistisch-leninistischer Prinzipienfestigkeit bei gleichzeitiger strategischer und taktischer Flexibilität, wäre das unmöglich gewesen. Ich habe in meinem politischen Leben einige solcher ehemaligen Offiziere kennengelernt, die der Verpflichtung aus dem NKFD treu geblieben sind und bedeutende Leistungen beim sozialistischen Aufbau in der DDR vollbracht haben. Diese Kommunisten, die dieses Aktionsbündnis NKFD schufen, haben unter kompliziertesten Bedingungen im praktisch-politischen Leben realisiert, was uns Ernst Thälmann immer wieder lehrte: Wir Kommunisten sind nicht für uns da, sondern für die Arbeiterklasse und das ganze werktätige Volk.

Nun weiß ich, dass die heutigen Klassenkampfbedingungen mit den damaligen nicht verglichen werden können. Es wäre auch müßig, darüber zu streiten, ob die einfacher oder komplizierter sind. Unsere Aufgabe ist unter den heutigen Bedingungen die gleiche. In unserer Diskussion haben viele die heutigen Bedingungen sehr plastisch dargestellt, dem möchte ich nichts hinzufügen. Ich möchte lediglich die Frage aufwerfen: Erfüllen wir Kommunisten unter unseren heutigen Klassenkampfbedingungen diese uns objektiv gestellte Aufgabe? Diese Frage kann man nicht einfach mit Ja, aber auch nicht mit Nein beantworten. Aber so viel steht für mich fest: Wirt erfüllen sie nur sehr unvollkommen. Warum ist das so?

Schauen wir uns das ganz praktisch an: Wir haben eine KPD, deren Gast ich heute bin, eine DKP, deren Mitglied ich bin, wir haben auch eine KPD(B), was ich selbst erst vor ein paar Monaten erfahren habe. Wir haben eine Kommunistische Plattform und ein Marxistisch-Leninistisches Forum in der Linkspartei. Es gibt auch
weitgehend kommunistische Organisationen. Der RotFuchs wurde heute schon oft genannt, auch das Kuratorium ostdeutscher Verbände kann man dazu rechnen und noch manche andere. Ich kenne zwar nicht von allen diesen Parteien und Organisationen die Programme und Statuten aber viele Genossen. Und wenn ich mit ihnen im Gespräch bin, frage ich mich oft, warum der oder die in einer anderen kommunistischen Partei ist. Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich halte hier keine Werberede für die DKP. Aber ich frage, haben wir denn nicht wenigstens als kommunistische Parteien und Organisationen untereinander eine gefügte Aktionseinheit (was ja Thema der heutigen Veranstaltung ist)? Auch diese Frage kann ich nicht einfach mit Nein, aber auch nicht mit Ja beantworten. Sicher arbeiten wir partiell auf vielen Gebieten und bei manchen politischen Aktionen miteinander, und wo wir das tun, stellen sich auch politische Erfolge ein. Aber als gefügte und geschlossene Organisationen arbeiten wir doch für die gleiche Klasse gegen den gleichen Klassenfeind. Warum dann getrennt? Warum nebeneinander und nicht miteinander? Ein Genosse hat hier in der Diskussion an Thälmanns Vergleich erinnert, dass man fünf Finger brechen kann, aber nicht die Faust. Wo haben wir denn heute diese Faust, die auch kraftvoll zuschlagen kann?

Wie offensichtlich schwer das selbst unter Kommunisten ist, haben wir vor gar nicht langer Zeit an einem eigentlich banalen aber umso entlarvenderen Beispiel erlebt. Im Ergebnis der letzten Wahlen in Hessen hatte die Genossin Christel Wegner in einem Fernsehinterview zu einer Frage zu den Geheimdiensten eine klare und wahre klassenmäßige Antwort gegeben. Das öffentliche Echo war ein gefundenes Fressen für massiven Antikommunismus. Wo war denn da die geschlossene Faust der Kommunisten? Ich erinnere mich noch der heftigen Diskussion in der Ladengalerie der Jungen Welt. Ich schäme mich noch heute der sehr schmalbrüstigen Verteidigungsrede des Vorsitzenden meiner Partei. Der Chefredakteur der Jungen Welt – ich weiß noch nicht mal, ob der einer Partei angehört und wenn ja, welcher – zeigte dort als Moderator des Meinungsstreits Klassenpositionen. Wie war denn das Echo in unseren Parteien und deren Medien? Ja, es gab viel Solidarität mit der Genossin Wegner, aber es gab auch in den eigenen Reihen heftige Kritik bis zu hässlichen Diffamierungen.

Genosse Rainer Perschewski, der Landesvorsitzende meiner Partei, hat hier in seinem Diskussionsbeitrag u.a. die „vereinte Kraft der Kommunisten“ erwähnt und dabei am Rande auch auf gegenseitiges „Vertrauen“ verwiesen. Es ist gut 1 ½ Jahre her, da trat eine Kommunistische Initiative (KI) mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. Dort wurde u.a. die „Einheit der Kommunisten (in Deutschland) auf marxistisch-leninistischer Grundlage“ angemahnt und der Aufbau einer Kommunistischen Initiative „als Sammelbecken aller marxistisch-leninistischen Kräfte“ mit dem strategischen Ziel, „langfristig eine….einheitliche marxistisch-leninistische Kommunistische Partei“ aufzubauen., gefordert. Ich zitiere weiter aus diesem Aufruf: „Wir wenden uns an alle, die sich als Kommunisten verstehen – ob organisiert, unorganisiert oder nicht mehr organisiert – die nach einem revolutionären Bruch mit dem imperialistischen System streben.“ Genau das entsprach und entspricht auch heute meiner Auffassung. Nun will ich nicht verschweigen, dass in diesem Aufruf auch recht problematische Wertungen vorgenommen werden. Man kann nicht die Kommunisten der verschiedenen Zweige der kommunistischen Bewegung als revisionistisch verdonnern (wie die DKP) und zugleich deren Einheit bewirken wollen. Es ist ja richtig, an Marx’ Mahnung in seiner Kritik zum Gothaer Programm zu erinnern: Bevor man sich vereinigt, muss man sich entschieden voneinander abgrenzen. Aber das bitte auf der Basis kommunistischer Prinzipien und nicht mit gegenseitiger Diskreditierung. Und da hatte dieser Aufruf schon einige Mängel, was aber die dringende Notwendigkeit seiner praktischen Umsetzung nicht aufhob.

Wie auch immer, was erlebte ich seitdem? Der Parteivorstand meiner Partei fasste einen Beschluss, der die Unvereinbarkeit der Mitarbeit in der KI mit dem Programm und Statut der Partei festlegte. Ich halte diesen Beschluss für schädlich, falsch. Ich bemühte mich deshalb in meiner Basisgruppe, aber auch in öffentlichen Diskussionen, einen sachlichen Hintergrund für diesen Beschluss zu ergründen. Ohne Ergebnis! Ich weiß, dass manche Mitglieder meiner Partei inzwischen in dieser KI mitarbeiten, auch ich. Deshalb warf ich auch die Frage nach den Konsequenzen für meine Mitgliedschaft auf. Keine Antwort! Wie das in der KPD diskutiert wird, weiß ich nicht, habe aber bei Genossen der KPD(B) Zustimmung zur KI erfahren. In einer Zusammenkunft der Berliner Kommunistischen Plattform der Linkspartei stieß ich bei der gleichen Frage auf sehr distanziertes Misstrauen. Mir ist in all diesen Diskussionen aufgefallen, dass sich dieses offensichtliche Misstrauen an Personen festmacht. Ich nenne hier heute bewusst keine Namen, weil ich jene persönliche Diffamierung nicht mitmachen will. Ich habe aber deutlich gespürt, wie kaum Sachargumente in dem Meinungsaustausch über eine völlig vernünftige Zielstellung genannt werden, aber welche beachtliche Rolle subjektive Befindlichkeiten von Personen – vor allem Führungspersonen – spielen.

Welche Schlussfolgerung leite ich daraus ab? Ich gebe sinngemäß wider, was ich in einem meiner schriftlichen Beiträge für die KI formuliert habe: Ich schlage vor, dass die Vorstände der verschiedenen kommunistischen Parteien und Organisationen einen Runden Tisch der Kommunisten bilden, an dem sie sich zusammenfinden. Bevor sie die Tür schließen, sollten sie alle subjektiven Befindlichkeiten und persönlichen Vorbehalte vor der Tür lassen und sich als erstes über all das verständigen, was sie miteinander eint, was sie gemeinsam anpacken können und wollen. Und dazu sollten sie feste Beschlüsse miteinander fassen. Als zweites sollten sie all das auf den Tisch packen, was sie noch voneinander trennt und sich darüber verständigen, wie sie dieses Trennende miteinander (und nicht gegeneinander) ausdiskutieren wollen und welche Wege sie zu deren Lösung beschreiten wollen. Und das alles ohne Misstrauen, im Bewusstsein ihrer – UNSERER – Verantwortung vor unserer Klasse und vor dem ganzen werktätigen Volk. Dann wird die „Aktionseinheit gegen Neofaschismus und Krieg, für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt“ (unser heutiges Thema) als Voraussetzung „für einen revolutionären Bruch mit dem imperialistischen System“ (KI) eine völlig neue Qualität erlangen. Heute sind wir höchsten fünf Finger. Es wird höchste Zeit, dass wir sie zur Faust ballen. Unsere Arbeiterklasse und unser Volk wird es uns zu danken wissen.

Georg Dorn

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