Die Regionalisierung

Liebe Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer, liebe Genossinnen und Genossen!

Viel war heute bereits die Rede von Parteien, Personenbündnis und Nichtorganisierten. Zu letzteren gehöre ich, nachdem ich nun schon zweimal die DKP verlassen habe, zuletzt Anfang 2008. Hauptgrund dafür war, dass ich nicht an eine Parteigruppe angebunden war – die nächste befand sich zwei Autostunden entfernt – sondern bruchlos die Politik des Parteivorstands mitbekam. Dieser stützte damals die mit den Besatzern kollaborierende irakische KP, wetterte gegen den Lokführer-Streik und hatte zwei Jahre zuvor ein revisionistisches Parteiprogramm verfasst, das ohne den Begriff der „Diktatur des Proletariats“ auskommt.
Irgendwann war ich parteilos, bin es noch immer, war aber schon seit Jahren eifriger offensiv-Leser (herzlichen Dank an das HG-Gremium!) und hörte oder las von dem Projekt KI. Als der Aufruf erschien, war ich begeistert: Da stand formuliert, dass „Klarheit das Fundament jeder kommunistischer Politik und Organisation sein muss“, und es wurden drei elementare Punkte benannt:

1. das Anerkennen der wissenschaftlichen Grundlagen des Marxismus-Leninismus,
2. das Anerkennen der DDR als größter Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung,
3. der Kampf gegen jede Form des Revisionismus und Reformismus.

Dieses verbunden mit der Perspektive, in einem Bündnis mit Kommunistinnen und Kommunisten über Parteigrenzen hinweg eine neue, starke KP zu erkämpfen war genau das, worauf ich gewartet hatte, und ich unterschrieb den Aufruf noch am Tag seiner Veröffentlichung.

Aber dann? Funkstille. Es passierte nichts. Zwar gab es sofort eine Homepage, auf der aber wochenlang nur der Aufruf zu lesen war. Dann erschien ein erstes sehr gutes Bulletin und irgendwann wurden Veranstaltungen mit Ricardo Peña vom venezolanischen PSUV angekündigt. Es ging wohl los. Dann aber geschah wieder lange nichts. Meine revolutionäre Ungeduld entsprach in keinster Weise der Notwendigkeit zu revolutionärer Geduld. Doch revolutionäre Geduld wäre berechtigt gewesen, denn das, was bei der KI passierte, blieb zunächst im Verborgenen, und zwar:
Die Genossen des Koordinierungsgremiums wurden regelrecht überrollt mit der dreifachen Resonanz dessen, was sie erwartet hatten. Innerhalb kurzer Zeit lag die Zahl der Anfragen, Interessenten und Unterstützer im dreistelligen Bereich, es gab Rückmeldungen von Unorganisierten, aus der DKP, der KPD, der KPD(B), von DIE LINKE, von offensiv-Fernstudenten und anderen. Natürlich wurde auch Ablehnung und Kritik formuliert, aber die Reaktionen waren insgesamt sehr positiv. Vierzehn Genossinnen und Genossen fanden sich bereit, mit ihren Namen als Erstunterzeichner zu werben. Was bedeutete diese Resonanz?
Vor allem eines wurde deutlich: Der Aufruf hatte ins Schwarze getroffen! Er hatte Antwort gegeben auf das Bedürfnis, die ideologische oder organisatorische Begrenztheit und z.T. auch Borniertheit anderer Formationen zu überwinden. Gleichzeitig wurde die Antwort auf die offene Frage des Wie gegeben. Der Aufruf traf ins Schwarze bei vielen der bewusstesten Genossinnen und Genossen, bei denen, die die Notwendigkeit der Einheit der kommunistischen Bewegung in der BRD erkannt hatten und die dazu bereit waren, sich für sie einzusetzen. Und er traf auch ins Schwarze bei vielen jungen parteilosen Genossinnen und Genossen, denen eine Mitgliedschaft in einer bestehenden kommunistischen Organisation aus verschiedenen Gründen nicht attraktiv schien, die aber auf revolutionäre Weise dieses Land verändern wollen.

Seit Veröffentlichung des Aufrufs ist nun ein Jahr vergangen. Welche Zwischenbilanz können wir ziehen, wo stehen wir?
Die bisherige Entwicklung der KI ist als überaus positiv einzuschätzen, auch wenn, wie erwähnt, Unzulänglichkeiten vorkamen bzw. vorkommen. Diese hatten damit zu tun, dass die wenigen Mitglieder des Koordinierungsgremiums bzw. des Vorläufigen Organisationskomitees eine große Resonanz abarbeiten mussten – es gab viele Nachfragen in vielen Mails – aber auch damit, dass es zu Beginn noch keine Strukturen oder klaren Aufgabenverteilungen oder schlichtweg Erfahrungen in der Organisation eines derartigen Projekts gab. Auch stellte sich als problematisch heraus, dass etwa die Hälfte der Interessierten sehr verstreut wohnte.
Seit Frühjahr 2009 können wir aber eine deutliche Hinwendung zu mehr Kontinuität in der gesamten Arbeit beobachten. Das heutige und größere Vorläufige Organisationskomitee arbeitet in klarer Aufgabenverteilung, die Treffen in Berlin werden häufiger. Genossinnen und Genossen melden sich, um Bereitschaft zur Mitarbeit kundzutun, um Aufgaben zu übernehmen oder einfach deshalb, um mehr Kontakt zu suchen. Jetzt endlich stabilisiert sich auch die Öffentlichkeitsarbeit: Das mittlerweile vierte Bulletin ist gerade fertig gestellt und die Newsletter erscheinen nun regelmäßig 14-tägig, um die große Mehrheit der Unterstützer und Interessenten per Internet oder Brief mit Informationen zu versorgen.
Vor allem aber: Die KI hat in den letzten Monaten den Status einer Adressensammlung verlassen: Wir haben auf der Homepage und in Newslettern berichtet über Treffen auf regionaler Ebene, mehrmals in Gera, Weimar bzw. Greiz, zwei Male in Berlin, mehrere Male in Dresden. Die ersten Regionalgruppen wurden gebildet in Cottbus, Südost (Gera) und Dresden. In Gera wurde sogar ein Manifest verfasst. Der Westen des Landes blieb hingegen bislang seiner Tradition treu und hinkt noch der Entwicklung hinterher – aber auch hier gab es zumindest ein informelles Treffen in Frankfurt.

Liebe Genossinnen und Genossen,
das alles sind erste positive Ergebnisse, auf denen wir ab jetzt aufbauen wollen. Wie geht es nun weiter?
Stellen wir zunächst fest: Wir können etwas bewegen! Auf Grundlage unseres Aufrufs haben wir Diskussionen angestoßen und schon viele Unterstützer und Interessenten gewonnen, haben Diskussionen vor Ort geführt und Regionalgruppen gegründet, haben Aktionen und Aufrufe unterstützt. Die KI ist in der Diskussion, und manche Organisation fürchtet uns offenbar als eine Konkurrenz, die wir nicht sein wollen. Was sie wohl aber noch mehr fürchtet, ist die Diskussion darum, wer wir sind und was wir wollen, weshalb sie ihre Mitglieder von uns fernzuhalten versucht.
Thomas hat vorhin Grundlegendes genannt: Wir wollen Einheit (natürlich in Klarheit), revolutionäre Entschlossenheit und Bewegung. Fassen wir dies nochmals deutlich zusammen: Mit revolutionärer Entschlossenheit und marxistisch-leninistischer Klarheit werden wir uns ab jetzt ganz entschieden in Bewegung setzen, um die hier so nötige Einheit der Kommunisten voranzubringen. Mit ihren Positionen kämpften viele von uns lange allein gegen die Barbarei von Imperialismus und Ausbeutung, sozialer Unsicherheit und Arbeitslosigkeit, Kriegen, Rassismus und Diskriminierungen. Wir brauchen aber Zusammenarbeit, um zu sagen: Genug dieser Barbarei, der Boden muss jetzt bereitet werden für den Sozialismus, für Sozialismus statt Barbarei! Diesen Boden wollen wir bereiten mit dem Ringen um eine geeinte kommunistischen Partei, die sich nicht nur traut, „Diktatur des Proletariats“ in ihr Parteiprogramm zu schreiben, sondern auch dahinter steht. Dafür gilt es zu streiten, dafür gilt es, in einer neuen Etappe die KI durch unser Zutun zu stärken.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?“ Brecht meinte damit auch uns, diejenigen, die über Parteigrenzen hinweg mit den Kommunistinnen und Kommunisten aus anderen Organisationen darüber diskutieren, auf welche Weise langfristig die Schaffung dieser Organisation möglich ist. Und genau da ist das entscheidende Schlüsselwort für die nun beginnende Etappe der KI gefallen: „diskutieren“. Ja, wenn wir etwas bewegen wollen in die gesagte Richtung, müssen wir diskutieren, uns trauen, vor Ort da sein, einladen, reden, Beschlüsse fassen und sie umsetzen. Eine langfristig geeinte KP verlangt, dass wir uns in unserer Gegend oder Stadt mit bewussten Genossinnen und Genossen zusammensetzen und sie fragen: Wie stehst Du zur Einheit der Kommunisten? Wie stehst Du zur KI?

Liebe Genossinnen und Genossen,
es würde mich freuen, wenn ihr diese Auffassungen teilt. Beschreiten wir eine neue Etappe! Was ist nun zu tun?
1. Sprechen wir bei uns zu Hause diejenigen an, die dabei sein sollten. Diskutieren wir auch mutig mit Mitgliedern anderer Organisationen. Laden wir ein zu weiteren regionalen Treffen, gründen wir weitere Gruppen. Bald ist ein Flugblatt fertig gestellt, mit dem wir werben können. Machen wir uns auch mehr als bisher die Newsletter zunutze, geben wir dort Neuigkeiten zu unserer jeweiligen Region bekannt.
2. Jens wird gleich die Wichtigkeit unserer Zeitung betonen. Arbeiten wir ausgehend von unseren Regionalgruppen dort mit, machen wir sie zu dem, was sie sein muss: Zu einem Werkzeug der Front.
3. Wir brauchen ein erneutes, großes Treffen der sich vergrößernden KI. Denn wenn wir diskutieren, diese Diskussion auch bestimmen und uns verbreitern wollen, dann sollten wir uns inhaltlich wie organisatorisch stärken. Z.B. reicht unser Aufruf nicht mehr aus. Wir brauchen eine umfassendere Analyse und Handlungsanleitung, wir sollten Unterschiede zu anderen Formationen deutlich machen. Daher wollen wir den Aufruf ablösen durch eine Vorform eines Programms, und zwar durch ein umfassendes Manifest. Und wir benötigen breitere Strukturen und somit Genossinnen und Genossen, die auch zentral mitarbeiten. Es gibt so viele, die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Für die Absicherung breiterer Strukturen und für die Diskussion zum Entwurf des Manifests brauchen wir die besten und wollen sie demokratisch auswählen. Deswegen möchten wir euch auffordern und einladen:
Kommt nach Berlin zu einer Perspektivkonferenz am 05. Dezember! Hier soll der Platz sein für alles: Für die Diskussion und die Erarbeitung des Manifests, für den Austausch von Erfahrungen, für die Suche nach Lösungen von offenen Fragen betreffend Regionales und Zeitung, für die Schaffung stärkerer Strukturen.
Bitte meldet euch ab jetzt am Stand der KI – meldet euch an oder, wenn ihr den Termin erst klären müsst, bekundet dort euer Interesse. Kommt am 05.12.2009 nach Berlin, bringt Ideen mit, bringt die KI nach vorn!

Antworten wir zum Schluss doch auf Brechts Frage – Außer uns selbst kann uns niemand aufhalten!
Machen wir die KI stark als revolutionäre Kraft gegen Revisionismus und für Einheit!
Sozialismus statt Barbarei!

Martin Kober

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