Zum Thema “Krise”
Liebe Genossen,
bei der Arbeit am ABC hatte ich ursprünglich die Absicht, den folgenden Beitrag zum Begriff „Krise“ zu schreiben. Da ich aber weiß, dass in der AG Bildung der Genosse Norbert viele sehr wichtige Beiträge zur marxistischen Ökonomie schreibt, schaute ich zuerst dort nach und fand einen Beitrag unter dem Titel: Zu den Ursachen von Wirtschaftskrisen in der „Marktwirtschaft“. Der Beitrag ist sehr umfassend und sehr informativ und wird hoffentlich von vielen Lesern der KI-Info aufmerksam gelesen und durchdacht. Dennoch möchte ich zwei Einwände geltend machen.
Der erste Einwand bezieht sich auf den Titel des Beitrages (s.ob.). Wahrscheinlich will der Verfasser dadurch, dass er den Begriff Marktwirtschaft in Anführungsstriche setzt, ausdrücken, dass er damit die kapitalistische Marktwirtschaft meint. Das sollte er dann aber auch so formulieren, denn auch im Sozialismus muss noch historisch lange Zeit die Verteilung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts über den Markt realisiert werden, ohne aber zu Krisen zu führen. Auf die Unterschiede zwischen kapitalistischer und sozialistischer Marktwirtschaft, die ursächlich in den entgegengesetzten Eigentumsverhältnissen liegen und zu völlig unterschiedlichen Verteilungsverhältnissen führen, will ich hier nicht weiter eingehen, weil das den Rahmen dieser Bemerkungen weit sprengen würde.
Ich zitiere an anderer Stelle aus dem Text: „Der Lohn entspricht nicht dem Wert seiner (des Arbeiters) Arbeitskraft…..Die kapitalistische Produktionsweise zeichnet sich durch die persönliche und unentgeltliche Aneignung des von den Arbeitern produzierten Mehrwertes durch den Kapitalisten aus.“ (Unterstreichungen von mir G.D.)
Das ist meiner Meinung nach sehr ungenau. Richtig wird auf den Grundwiderspruch der kapitalistischen Pw, den Antagonismus zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung des gesellschaftlichen Produkts, hingewiesen und dass der Absatz der Waren durch die mehr oder weniger spontane Regulierung über den „freien“ Markt erfolgt. Erst auf dem Markt erfährt der Kapitalist, ob die in seiner Fabrik erzeugten Güter als Ware absetzbar sind, wenn sie ein bezahlbares Bedürfnis befriedigen. Der Preis der Ware wird nach ihrem Wert, d.h. durch die durchschnittliche gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt, die erforderlich war, um dieses Produkt als Ware erzeugen zu können. (was da alles drin enthalten ist, will ich hier nicht weiter untersuchen). Und dass es bei den einzelnen verschiedenen Kapitalisten Preisabweichungen aus verschiedenen Gründen (Produktivität, Konkurrenz u.a.) nach oben oder unten gibt, ist für diese Feststellung unerheblich.
Die Arbeitskraft (Ak) ist unter kapitalistischen Verhältnissen eine Ware wie jede andere Ware und wird zu gleichen Bedingungen wie jede andere Ware „gehandelt“, auch ihr Wert drückt sich im Preis – dem Lohn – zu gleichen Marktbedingungen aus, d.h. der Lohn entspricht durchaus dem Wert der spezifischen Ware Ak, wie sie im gesellschaftliche Durchschnitt unter den gegebenen ökonomischen Entwicklungsbedingungen für die jeweilige Berufssparte ermittelt ist. Dass es in den Klassenkämpfen und durch die Existenz einer „Reservearmee“ auf dem Arbeits’markt’ Abweichungen gibt, hat mit diesem ökonomische Sachverhalt zunächst nichts zu tun. Die Ware Arbeitskraft unterscheidet sich aber von jeder anderen Ware durch ein entscheidendes Merkmal: Die Ware Ak kann einen größeren Wert erzeugen, als sie selbst wert ist, den Mehrwert. Das war die entscheidende Entdeckung von Karl Marx. Das heißt: Nur die Ak erzeugt einen größeren Wert, der durch die private Aneignung den Profit des Kapitalisten bildet. Je moderner die Technik, umso weniger Ak muss der Kapitalist einsetzen, um noch mehr oder bessere Produkte erzeugen zu lassen. Dh. das Verhältnis zwischen notwendiger Arbeit (in der der Wert der Ware Ak produziert wird) und Mehrarbeit (in der der Mehrwert entsteht) verschiebt sich ständig zugunsten der Mehrarbeit. Der Kapitalist eignet sich aber nicht nur den Mehrwert, sondern als privater Eigentümer der Pm das gesamte Produkt, in dem der Mehrwert enthalten ist, privat an.
Zusammengefasst also: Der Kapitalist verkauft auf dem Markt das gesellschaftlich produzierte, aber privat angeeignete Produkt, in dem der von ihm bezahlte Wert der Pm + der von ihm bezahlte Wert der Ware Ak + der unbezahlte Mehrwert enthalten ist. Die Masse der Produzenten d.h. die gesamte Gesellschaft erzeugt also ständig wesentlich mehr Produkte (Werte), als sie auf dem Umweg über den Markt individuell und gesellschaftlich konsumieren kann. Auf diese Weise muss also ständig eine Überproduktion produziert werden, weil die Gesellschaft nur den Teil konsumieren kann, den sie auf dem Weg über Löhne oder Gehälter zur Verfügung hat. Wie das Ganze nun noch durch Marktregulationen, durch Angebot und Nachfrage, durch Konkurrenz, durch Finanzmanipulationen noch beeinflusst und zugespitzt wird, wurde in dem Beitrag dargelegt, weshalb ich darauf nicht weiter eingehen muss.
Ich habe auf diese begrifflich scheinbar unwesentlichen Details deshalb verweisen müssen, damit der wesentliche Unterschied zur sozialistischen Warenwirtschaft deutlich wird. Auch in der sozialistischen Produktion erzeugt die Ak einen Mehrwert. Durch die gesamtgesellschaftliche Planung und Leitung der sozialistischen Wirtschaft wird sogar bewusst darauf orientiert, dass dieser ‚Mehrwert’ wächst, also ein größeres Mehrprodukt entsteht. Aber der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise ist entfallen. Das Produkt, in dem dieser ‚Mehrwert’ enthalten ist, wird nicht privates, sondern gesellschaftliches Eigentum, weshalb es auf dem sozialistischen Markt nicht um die private Realisierung des Profits geht. Dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion entspricht der gesellschaftliche Charakter der Aneignung, was wiederum die Verteilung der gesellschaftlichen Produktion über den Markt nach gesellschaftlichen Kriterien der sozialistischen Gesellschaft möglich und notwendig, macht, aber Wirtschaftskrisen wie im Kapitalismus ausschließt.
Georg Dorn, 08. 10. 2010