Von SS, Gestapo und Reichssicherheitshauptamt zum Verfassungsschutz
[Auszug]
Um eine gesellschaftliche Erscheinung richtig zu begreifen, ist es notwendig – wie Lenin schrieb – , „den grundlegenden historischen Zusammenhang nicht außer acht zu lassen, jede Frage von dem Standpunkt aus zu betrachten, wie eine bestimmte Erscheinung in der Geschichte entstanden ist, welche Hauptetappen diese Erscheinung in ihrer Entwicklung durchlaufen hat, und vom Standpunkt dieser ihrer Entwicklung aus zu untersuchen, was aus der betreffenden Sache jetzt geworden ist.“ [1]
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Staat, in der eine erfahrene Monopolbourgeoisie die Macht fest in ihren Händen hält und sich dabei auf ein Herrschaftssystem stützen kann, das sich im Sinne seines Klassenauftrags bisher als zuverlässig erweist.
Die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz, die Polizei und Geheimdienste wurden als Bestandteile des Aggressions- und Repressionsapparates im Prozess des Wiedererstehens des deutschen Imperialismus nach dem zweiten Weltkrieg modifiziert geschaffen und im Zuge der vollen Ausprägung des staatsmonopolistischen Kapitalismus umfassend ausgestaltet und eng miteinander verzahnt.
Die Geheimdienste der Bundesrepublik Deutschland sind in die Durchsetzung der innen- und außenpolitischen Konzeptionen der herrschenden ökonomischen, ideologischen und gesellschaftspolitischen Oligarchie einbezogen.
Der Verfassungsschutz, als eine der Institutionen reaktionären Zuschnitts, identifiziert sich mit der von ihm angeblich zu schützenden „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ mit den bestehenden staatsmonopolistischen Herrschaftsverhältnissen. [2]
Naziaktivisten im Verfassungsschutz
Hubert Schrübbers
Er wurde 1955 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). [3] Schrübbers blieb bis 1972 BfV-Präsident.
Hubert Schrübbers galt als überzeugter Nationalsozialist. Er war vor 1945 bei der Generalstaatsanwaltschaft am Reichsgerichtshof tätig und vertrat auch in sogenannten Hochverratsprozessen die Anklage. Schrübbers zeichnete sich durch hohe Strafanträge bei Gegnern des Nazieregimes aus.
Albert Radke
Radke war von 1951 bis 1964 Vize im Bundesamt. Er war bis Kriegsende als Oberst im OKW-Amt Ausland/Abwehr und an Judendeportationen beteiligt. Nach 1945 kam er in der Organisation Gehlen unter. 1951 wechselte er in das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Richard Gercken
Leiter Abteilung IV im BfV: SS-Hauptsturmführer, Mitarbeiter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Abteilung IV (Gestapo), beteiligt an der Verfolgung von Antifaschisten in Holland.
Dr. Gustav Halswick
»Sonderbeauftragter des Präsidenten des BfV«: SS-Obersturmbannführer. Lehrer an der Reichsschule der SiPo, beteiligt an Kriegsverbrechen in Polen und der Sowjetunion.
Dr. Wilhelm Ludwig
Leiter Abteilung V im BfV: SS-Sturmbannführer, Offizier der 87. Standarte für Innsbruck.
Erich Wenger
Leiter Beschaffung der Abteilung IV im BfV: SS-Hauptsturmführer, Mitarbeiter der Gestapo an der deutschen Botschaft in Paris.
Werner Aretz
SS-Hauptsturmführer, Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Amt IV Gestapo.
Gustav Barschdorf
SS-Hauptscharführer, RSHA, Leiter einer Gestapo-Außenstelle, 1974 als Kriegsverbrecher verurteilt wegen Auspeitschungen norwegischer Bürger.
Kurt Fischer
SS-Sturmbannführer, Major der Schutzpolizei, nach 1945 mit dem Namen Karschner untergetaucht, dann Abteilung VI Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Kurt Lischka
SS-Obersturmbannführer, RSHA. Nach dem 20. Juli 1944 beteiligt an der Verfolgung von Hitlergegnern. In Frankreich wegen Massenmordes in Abwesenheit zu Tode verurteilt.
Paul Opitz
SS-Sturmbannführer, RSHA Amt IV Gestapo.
Karl-Heinz Siemens
SS-Obersturmführer, Leibstandarte Adolf Hitler, beteiligt an Verbrechen dieser Einheit. Nach 1945 als Dr. Kaiser in Westdeutschland untergetaucht; später Oberregierungsrat in der Abt. III des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Johannes Strübing
SS-Hauptsturmführer, RSHA, Amt IV Gestapo, beteiligt an der Liquidierung von 56 Antifaschisten der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack und an Misshandlungen und Folterungen von Häftlingen.
Alfred Wurbs
SS-Hauptsturmführer, RSHA Amt IV Gestapo, Waffen-SS-Division »Prinz Eugen«, die auf dem Balkan schwere Kriegsverbrechen verübte. Außerdem eines Einsatzkommandos in Norwegen, das Judentransporte in KZ zusammenstellte. Mit Wissen der damaligen Bundesregierung unter Decknamen im BfV tätig; erst ab 1956 mit Klarangaben Gruppenleiter in der Zentralabteilung V.
Wilhelm Dietz
Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden Württemberg: Teilnehmer an Führerschulungen der SiPo und des SD, Einsatz in Tilsit.
Erich Ehrlinger
LfV Saarland (Leiter): SS-Standartenführer, BdS in Minsk, 1962 wegen Beihilfe zu Mord in 1.045 Fällen zu zwölf Jahren Haft verurteilt; 1965 aus der Haft entlassen.
Leonhard Halmannseger
Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bayern: 1934 Leiter der Nachrichtensammelstelle im Amt IV des Reichssicherheitshauptamt (Gestapo). Nach dem Kriege interniert, danach LfV-Mitarbeiter.
Walter Odewald
LfV Niedersachsen: SS-Sturmbannführer, Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Einsatz in Paris und Prag.
Adolf Puchta
Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bayern: 1934 führend in SA, SS-Obersturmbannführer; RSHA, Gestapo in der CSR, Leiter eines Einsatzkommandos in Norwegen, später Sowjetunion.
Harald Spehr
Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen (Leiter): Mai 1942 Sonderreferat Großer Wannsee 43 beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA), zunächst Bibliothekar des Wannsee-Instituts, ab 1944 Leiter des Wannsee-Instituts. 1951 bis 1960 Leiter des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen in Wiesbaden.
[Ein Quellenauszug:] [4]
Quelle: [1] W. I. Lenin: Über den Staat. In: Werke, Bd. 29, S. 463. Zit. in: Der Imperialismus der BRD. Dietz Verlag Berlin 1971. Autorenkollektiv am Institut für Gesellschaftswissenschaften (Hrsg.). Vgl.: 1. Die Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland und seine Entwicklung in der BRD (Historischer Abriss). 1.1. Die Anfänge des staatsmonopolistischen Kapitalismus vor dem ersten Weltkrieg und seine Entwicklung in der ersten Etappe der allgemeinen Krise.
[2] Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und Gegenwart. Staatsverlag Berlin 1985. Vgl.: 4.2. Der Aggressions- und Repressionsapparat.
[3] Der Spiegel 25/1966 – Hubert Schrübbers
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46407655.html
Quelle: [4] Angriff und Abwehr. Die deutschen Geheimdienste nach 1945. Von Klaus Eichner und Gotthold Schramm (Hrsg.) edition ost – Eulenspiegel Verlagsgruppe. Vgl.: 4. Altnazis in Verfassungsschutz und Polizei der BRD. Personelle Kontinuität im Verfassungsschutz. Siehe auch: Vom faschistischen Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) zum Bundeskriminalamt (BKA) der Bundesrepublik Deutschland.
Info.-Empfehlung:
A) Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. Wilhelm Heyne Verlag, München 1974.
B) Anatomie des SS-Staates, Band 1, dtv – Dokumente, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1967/1984. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. Hans Buchheim: Die SS – das Herrschaftsinstrument. Befehl und Gehorsam.
C) Anatomie des SS-Staates, Band 2, dtv – Dokumente, München 1967/1984. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. Martin Broszat: Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933-1945. Hans-Adolf Jacobsen: Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener. Helmut Krausnick: Judenverfolgung.
02.12.2011, Reinhold Schramm (Bereitstellung)