Dr. Kurt Gossweiler (Historiker, Berlin)
Im Aufruf wird richtig festgestellt, dass die kommunistische Bewegung in Deutschland „zersplittert und in verschiedene Parteien, Organisationen, Projekte gespalten ist“.
Zugleich ist die Sehnsucht und das Ziel jedes Kommunisten, ob organisiert – wo auch immer – oder unorganisiert: Die Wiedererlangung einer geeinten, großen, marxistisch-leninistischen Partei mit großem Masseneinfluss, wie es etwa die KPD in der Weimarer Republik war.
Wieso sind wir Kommunisten diesem Ziel dennoch in den vielen Jahren nach 1990 keinen Schritt näher gekommen – eher im Gegenteil?
Offenbar deshalb, weil jede der bestehenden kommunistischen Parteien oder Gruppen sich selbst für die einzig legitime Nachfolgerin der von Karl und Rosa gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands hält, also für die Kerntruppe, aus der die künftige kommunistische Massenpartei hervorgehen muss und wird.
Das ist nur folgerichtig, denn jede von ihnen ist ja entstanden und wurde eben deshalb gegründet, weil ihre Gründer und Mitglieder der Meinung waren und sind, die bereits bestehenden kommunistischen Parteien oder Gruppen entsprächen aus diesem oder jenem Grunde nicht den Anforderungen, die nach ihrer Ansicht an eine kommunistische Partei zu stellen sind.
Aber wenn es dabei bleibt, bleiben die Kommunisten, selbst bei wachsender Zahl, weiterhin – weil zersplittert und untereinander zerstritten –, ohnmächtig und einflusslos.
Das war schon immer schlimm, aber in den hinter uns liegenden Jahren politischer Stagnation offenbar noch erträglich, denn es wurde ja hingenommen und beibehalten.
Nun aber, angesichts einer sich entfaltenden weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, die schon die Ausmaße der Weltwirtschaftskrise von 1929-1933 zu erreichen und sogar zu übertreffen verspricht, und die sogar schon von den Herrschenden als eine Existenzkrise des kapitalistischen Systems begriffen wird, nun also, da alles dafür spricht, dass der objektive Faktor einer revolutionären Situation heranreift, fordert ihre kommunistische Überzeugung von jedem Kommunisten und jeder kommunistischen Organisation maximale Anstrengungen, um den Rückstand des subjektiven Faktors gegenüber dem objektivem Faktor zu überwinden und endlich die Kraft zu schaffen, die erforderlich und fähig ist, die Massen in den bevorstehenden Kämpfen gegen das Kapital zum Erfolg zu führen.
Unter den gegenwärtigen Umständen sind – wie mir scheint – drei Wege zum Entstehen der notwendigen und von allen Kommunistinnen und Kommunisten ersehnten Partei denkbar:
Entweder dadurch, dass sich eine der bestehenden kommunistischen Parteien und Gruppen schließlich zu der alle anderen hinter sich lassenden, marxistisch-leninistischen Massenpartei entwickelt.
Bemüht haben sich darum fast alle gegenwärtig existierenden kommunistischen Parteien und Gruppen, aber die bisherige Entwicklung spricht nicht dafür, dass auf diesem Wege von irgendeiner das gewünschte Ziel erreicht wird.
Zum anderen dadurch, dass aus den sich zuspitzenden Klassenkämpfen der Gegenwart heraus eine neue Generation von Kommunisten zu einer Neugründung schreitet, die unbelastet ist von den Auseinandersetzungen der Vergangenheit und eine solche Anziehungskraft entwickelt, dass sie alle anderen hinter sich lässt und tatsächlich die Masse der Kommunisten der jungen Generation und schließlich auch der älteren Generationen um sich sammelt. Dieser Weg könnte aber wohl nur dann erfolgreich sein, wenn aus dieser jüngeren Generation Führungspersönlichkeiten von außerordentlichem Format und von außergewöhnlicher Überzeugungskraft hervorgingen. Aber auf einen solchen Glücksfall können wir nicht warten.
Deshalb bleibt als sofort beschreitbarer Weg wohl nur der, dass die wo auch immer organisierten und die unorganisierten Kommunistinnen und Kommunisten nach einem Weg suchen, die Spaltung und Zersplitterung zu überwinden.
Mit einer solchen Zielsetzung wurde in Frankreich die „ Initiative Communiste“ und in Österreich die „Kommunistische Initiative“ („KI“) von Kommunistinnen und Kommunisten ins Leben gerufen.
Besonders das Beispiel und die Erfahrungen der Genossen der KI in Österreich ermutigten uns dazu, unseren Aufruf „Schafft die Kommunistische Initiative“ zu verfassen und damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
Wer diesen Aufruf liest, möchte natürlich auch wissen, wer das eigentlich ist, der da schreibt: „Zunächst wollen wir deshalb mit diesem Aufruf alle ansprechen, die für die Einheit der Kommunisten auf marxistisch-leninistischer Grundlage in Deutschland eintreten. Wir wollen damit die Unterstützerinnen und Unterstützer dieses Aufrufs zunächst einmal sammeln. Dafür haben wir ein Koordinierungsgremium ins Leben gerufen, dessen Aufgabe es ist, in engem Kontakt mit den Unterstützerinnen und Unterstützern die nächsten organisatorischen Schritte für die Gründung der ‚Kommunistischen Initiative‘ in Deutschland als eines organisierten Sammelbeckens aller marxistisch-leninistischen Kräfte vorzubereiten.“
Wer also sind „Wir“?
Wir sind die Mitglieder des „Vereins zur Förderung demokratischer Publizistik“, und dieser Verein ist der Herausgeber der Zeitschrift „offen-siv. Zeitschrift für Sozialismus und Frieden“.
Die „Kommunistische Initiative“, zu deren Gründung wir die Anregung geben, will und soll aber auf keinen Fall neben all den bestehenden kommunistischen Organisationen noch eine neue, „hauseigene“ dieses Vereins werden, sondern eine Initiative von Kommunisten aus verschiedenen Organisationen, die in und mit dieser Initiative am Wiederaufbau einer einheitlichen kommunistischen Massenpartei auf marxistisch-leninistischer Grundlage in Deutschland arbeiten.