Naziterror stoppen!

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sam_0796_wzUnter diesem Motto fand am 18.09.2010 in Dresden eine mehr als dreistündige Antifa-Demo statt. Anlaß waren 3 Brandanschläge, welche im August innerhalb von 10 Tagen auf zwei alternative Wohnprojekte und das Eingangsportal der Begräbnishalle des Neuen Jüdischen Friedhofs stattfanden. Bezeichnenderweise fühlte sich die Oberbürgermeisterin Helma Orosz erst nach dem 3. Brandanschlag genötigt, mal was dazu zu sagen. Naja, die gehört ja auch der CDU an, welche bekanntermaßen nach dem NSDAP-Verbot als Naziauffangbecken fungierte. Weshalb von ihr nunmal keine wirksamen Maßnahmen gegen Nazis zu erwarten sind, während sie die Bevölkerung mit wirkungslosen Erklärungen oder offiziell organisiertem Händchenhalten am 13. Februar – während gleichzeitig bei Minusgraden Wasserwerfer gegen Antifaschisten eingesetzt wurden, die sich den Nazis in den Weg stellten, von juristischen Maßnahmen gegen wirksame Naziblockierer ganz zu schweigen – zu blenden versucht.
Offizielle Angaben bescheinigen 500 Teilnehmer, nach meiner Schätzung waren es aber eher 1500. Die überwiegend jungen Demonstranten gehörten offenbar verschiedenen alternativen, antikapitalistischen und antifaschistischen Gruppierungen an, zu denen wir als Dresdner KI-Gruppe leider nur sporadischen, um nicht zu sagen fast keinen, Kontakt haben. Was wir dringend ändern müssen. Denn ganz offensichtlich sind diese Gruppen in der Lage, auch kurzfristig für Aktionen zu mobilisieren, von denen wir nur träumen können.
Der Demonstrationszug war auch äußerst effektiv. Zwar nicht in der Woche und Hauptverkehrszeit, aber in der besten Samstags-Herumfahr- und Einkaufszeit mußten nacheinander so ziemlich alle Hauptverkehrsadern der ohnehin baustellenerstickten Dresdner Innenstadt für uns gesperrt werden. Kundgebungen fanden am Platz der Befreiung (derzeit „Albertplatz“), an der Synagoge, am Postplatz, vor dem Rathaus und am Hauptbahnhof statt. Wer Dresden kennt, wird leicht erkennen, welchen Zickzackkurs wir nahmen und welche verkehrswichtigen Punkte wir passierten. Wobei neben den Demonstranten auch die gigantische Blechlawine des Polizeiaufgebots für langfristige Behinderungen sorgte. Apropos Polizei: Die entblödete sich erwartungsgemäß nicht, uns mit ihren Kampfhunden, willkürlichen Personenkontrollen und martialischer Prügelausrüstung zu provozieren. War aber nix.

Zu provozieren versuchte offenbar auch irgend so ‘ne kleine Nazigruppe, die aber ein so kleines Häuflein war, daß ich sie nicht einmal erspähen konnte. Weit spektakulärer war hingegen die Aktion einiger Antifaschisten auf dem Dach eines Neubau-Komplexes an der Wallstraße, die rote und Antifa-Fahnen schwenkten, rote Rauchkörper abfackelten und ein Transparent entrollten: „Soziale Revolution JETZT!“.
Womit wir bei den politischen Inhalten wären. Die werden immer klarer. Zwar liefen in der Demo auch einige der „antideutschen“ Rassisten mit ihrer (einer) Israel-Flagge herum, aber die gingen weitgehend unter. Überwiegend waren da Flaggen der „Antifaschistischen Aktion“. Wir hatten unser KI-Banner (siehe Foto) dabei, welches auch – wie immer – Aufmerksamkeit erregte. Allerdings weder positive noch negative Reaktionen und auch nicht zu Kontakten führte.
Das Wesentliche waren aber die Redebeiträge. Im Unterschied zu Veranstaltungen noch vor wenigen Jahren kam immer wieder zum Ausdruck, daß die Nazis und ihr Terror kein eigenständiges Problem, sondern unvermeidliche Begleiterscheinung des Kapitalismus und nur Instrumente der Herrschenden sind. Den staatsoffiziellen Begriff „Nationalsozialismus“ habe ich nicht gehört, dafür umso häufiger „Faschismus“ – und zwar richtig eingeordnet. Zudem wurden auch die verlogene Gleichsetzung von „rechtem“ und „linkem“ „Extremismus“ und die Extremismusdoktrin angeprangert, wie auch – aber nur ansatzweise – die Verwendung irreführender Begriffe wie „rechts“, welche das Wesen der Nazis verschleiern. Merkel und Sarrazin wurden als Beispiele angeführt, daß in der kapitalistischen Gesellschaft eben keine neutrale „Mitte“ existiert, sondern das, was als solche bezeichnet wird, Teil des gleichen Problems mit fließenden Übergängen ist.
Nachstehend findet Ihr den Aufruf „Naziterror stoppen!“, der vermutlich von den Organisatoren stammt und wohl Einiges meiner Aussagen nachvollziehbar macht.
Nichts für ungut, Genossen, aber im Moment laufen wir den fortschrittlichen Kräften meistens hinterher, anstatt sie zu formieren und voranzugehen. Sicher nicht in ideologischer Hinsicht, aber in strukturell-organisatorischer und gesellschaftspolitischer.


Aufruf:

„Naziterror stoppen!

Solidarität mit allen Opfern faschistischer Gewalttaten

Drei Brandanschläge, in 10 Tagen, in einer Stadt ist die traurige Bilanz der letzten Augustwochen in Dresden, betroffen waren zwei alternative Wohnprojekte und der jüdische Friedhof. Heute zählen wir sachsenweit allein im Jahr 2010 bereits 13 Brandanschläge von Neonazis.
Die Brandserie in Dresden ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs, seit Jahren müssen wir einen Anstieg rechter Gewalttaten bemerken, diese richten sich in erster Linie gegen Migrant_Innen, alternative und nicht-rechte Menschen. Ins Visier der Nazis gerät jede_R, die/der nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passt. Das Problem rechtsradikaler Gewalt betrifft also nicht nur einen kleinen Teil der Gesellschaft, es betrifft uns alle.
Nazis müssen als Teil der Gesellschaft gesehen werden und auch in diesem Zusammenhang problematisiert und bekämpft werden. Sie nutzen durch das kapitalistische Konkurrenzsystem erzeugte soziale Unsicherheiten, in Form von Arbeitsplätzemangel, Verdrängung, usw., um ihre rassistische Hetze als Pseudolösung zu verkaufen. Eine Zunahme nazistischer Aktivitäten zeigt sich deswegen insbesondere in Krisenzeiten.
Während Politik und Medien diese Problematik meist verharmlosen, wird gegen linke Bewegungen mobil gemacht und durch die Verbreitung nationalistischer Ideen von einem “geläuterten Deutschland”, den Nazis noch in die Hände gespielt. Es ist bereits jetzt festzustellen, dass es in Verbindung mit dem “schwarz-rot-geil”- Kult vermehrt zu Übergriffen auf als “nicht-deutsch” empfundene Menschen kommt (z.B. Angriffe auf spanische Restaurants zur Fußball-WM).
Es liegt an uns allen, die Ursachen des Problems zu erkennen und einem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegen zu wirken. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen, wir stellen uns geschlossen gegen jegliche Form der Unterdrückung. Alles was Menschen klein macht und diskriminiert, werden wir bekämpfen.
Rassistische Tendenzen zeigen sich oft in alltäglichen Situationen, in denen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer Merkmale beleidigt und bedrängt werden. Schon hier müssen wir einschreiten, den Opfern Unterstützung und den Nazis entschlossen und gemeinsam zeigen, dass sie hier nichts zu sagen haben, denn wer weg sieht, bietet den Rechten die Chance in öffentlichen Räumen ungehindert zu agieren und damit ein Stück des gesellschaftlichen Lebens zu dominieren.

Deshalb: Zeigen wir den Nazis, dass sie nirgendwo willkommen sind!“

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