LESERBRIEF DIETER HILLEBRENNER: ALLE KRÄFTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DER KOMMUNISTISCHEN INITIATIVE!
Lieber Klaus, lieber Frank!
Das Folgende ist ein Leserbrief. Sein Anlass sind Franks Beiträge „Erlebnisse mit kommunistischen und linken Organisationen während der letzten sechs Monate“ („offen-siv“ Heft 7/09) und „Über die Angst“ („offen-siv“ Heft 1/2010). Den Gegenstand meines Briefes bildet das darin zum Ausdruck kommende Problem – das Verhältnis zwischen beiden Zeitschriften. Es beunruhigt mich seit Jahren, erfüllt mich angesichts der Krisensituation im Lande und der fortschreitenden Militarisierung der Gesellschaft mit wachsender Sorge, und es hat mich durch seine Zuspitzung persönlich erreicht. Denn ich bin „RotFuchs-Aktivist“. (Klaus bezeichnete mich so im Glückwunsch zum 75. Geburtstag) und bekennender „offen-siv“-Sympathisant (meine Wertung).
„RotFuchs“ und „offen-siv“ lernte ich in dieser Reihenfolge vor Jahren kennen und im Verlaufe der Zeit auch schätzen. Beide schienen sich gegenseitig zu ergänzen. So mein Eindruck. Hier die Vielfalt der politischen Themen mit der großartigen Möglichkeit, einem breiten Leserkreis insbesondere die historischen Leistungen des realen Sozialismus überzeugend zu vermitteln. Dort die theoretische Bearbeitung grundlegender Probleme und anstehender Fragen. Gemeinsam – trotz des begrenzten Potentials – eine beachtliche Kraft bei der Analyse unserer Niederlage, für die Zusammenführung von Kommunisten und in der ideologischen Auseinandersetzung. Meine Auffassung wurde durch die Konferenzen bestätigt, die zum 50. Jahrestag der DDR und ein Jahr später zum Imperialismus und den antimperialistischen Kämpfen im 21. Jahrhundert statt fanden. Der Gedanke der Gemeinsamkeit beider Zeitschriften war mir auch in einem anderen Zusammenhang gegenwärtig. Zum 75. Geburtstag (2003) von Peter Hacks entstand eine Festschrift mit 36 Beiträgen. Die Autoren, darunter ihr beide, kamen überein, ihr aus dem Verkauf der Festschrift erworbenes Honorar zu gleichen Teilen den Zeitschriften „RotFuchs“ und “offen-siv“ zukommen zu lassen. Das war ganz im Sinne von Hacks, der beide Zeitschriften auf vielfältige Weise unterstützte und ihren „Chefs“ hohe Anerkennung zollte: „Steiniger ist nicht Lenin , aber ich bewundere die Besonnenheit und Behutsamkeit seiner Schritte“, sagte er im Zusammenhang mit Erwägungen einer KP-Gründung. Lobend sprach er von „Flegels Konferenz“ (1999). Frank nannte er in einem Atemzug mit Hans Heinz Holz als „seltene Männer“ in der westdeutschen kommunistischen Bewegung. Und er legte großen Wert darauf, zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins für „offen-siv“ zu gehören. Das alles ist leider längst Vergangenheit. Ich bemerkte, wie sich „RotFuchs“ und „offen-siv“ nach 2003 sogar bei Jubiläen hervorragender Persönlichkeiten aus dem Wege gingen. Die Festschrift zum 90. Geburtstag (2007)von Kurt Gossweiler enthält keinen Gruß vom „RotFuchs“, die Festschrift zum 90. Geburtstag (2010) von Heinz Keßler ist ohne Glückwunsch von „offen-siv“. Es kam nicht wieder zu einer gemeinsamen Veranstaltung. Zum 60. Jahrestag der DDR lud „offen-siv“ zur Konferenz „..und der Zukunft zugewandt“ ein. „RotFuchs“ schlug die Einladung zu einer gemeinsamen Konferenz mit der Begründung aus, eine eigene Veranstaltung durchzuführen. Die negativen Folgen für die Arbeit vor Ort ließen nicht lange auf sich warten. Aus der Konferenz „…und der Zukunft zugewandt“ machten „RotFüchse“ eine Konferenz der „Kommunistischen Initiative“ (KI) und aus der Zeitschrift „offen-siv“ die „Ideologiezeitung der KI“. Zu den Folgen gehört die „Bearbeitung“ von Franks Einladung zur „offen-siv“- Konferenz an das „Kommunistische Aktionsbündnis Dresden“ („KAD“ – es hat drei Sprecher – alle drei „Rotfüchse“ – und einen „Koordinierungsrat“). Frank beschreibt in seinem Beitrag im Heft 7/09 im Hinblick auf das KAD nur die „Methode“ des Vorgehens der dafür Verantwortlichen. Es war insgesamt – wie ich es erst nach Einsicht in den gesamten Briefwechsel verspätet mitbekam – viel beschämender. Auch um mich machten die Folgen keinen Bogen (aber das ist bereits ein neues Thema). Die entstandene Situation kann ich mir nur zum Teil aus verletzten Eitelkeiten, Altersstarrnis, Konkurrenzdenken, Anspruch auf ein Wahrheitsmonopol oder allerlei andere gegenseitige Vorwürfe, auch Verdächtigungen aus den „Führungsetagen“ beider Zeitschriften erklären. Aus meiner „Froschperspektive“ reflektiert das gespannte Verhältnis tiefgreifende Probleme, die über beide Zeitschriften hinausgehen. Ich frage mich, gibt es unter den Kommunisten/am Marxismus orientierten Linken in der BRD nicht ein bis heute ungelöstes Ost-West-Problem, das objektiv und subjektiv in den über 40-jährigen unterschiedlichen Kampfbedingungen und damit unterschiedlichen Kampferfahrungen(Lebensleistungen) wurzelt? In den beiden deutschen Staaten mussten die Kommunisten auf qualitativ unterschiedlichen Ebenen den Klassenkampf gegen den gemeinsamen Feind führen. In der DDR war dieser Kampf staatlich organisiert. Er besaß im Blickfeld einer Bevölkerungsmehrheit eine vorrangig internationale, eine äußere Dimension: Friedenssicherung und Solidarität. Sein „erlebbare Wirklichkeit“ (H.H. Holz) war auch für die Mehrzahl der über zwei Millionen SED-Mitglieder im Alltag nicht gegenwärtig. Die Losung „Mein Arbeitsplatz – mein Kampfplatz für den Frieden“ sollte helfen, die Dimensionen zu erfassen. Doch die Losung verkam infolge unserer formalen politisch- ideologischen Arbeit und anderer Mängel, auch Missstände, Schritt für Schritt. Wirklich erlebbar war der Klassenkampf im Inneren nur für einige Zehntausend: An vorderster Front die Mitarbeiter der Staatssicherheit. Der Charakter ihrer Tätigkeit erlaubte – außer in einigen wenigen Fällen – keine Aufklärung der Bevölkerung über diesen Kampf und die Härte mir der er geführt werden musste. Die Folgen dieses von der Konterrevolution zielstrebig genutzten Umstandes sind hinreichend bekannt. Im Unterschied zur DDR war der Klassenkampf für die etwa 40.000 organisierten Kommunisten in der BRD tagtäglich erlebte individuelle Anforderung und Auseinandersetzung. Berufsverbote, Illegalität, Verfolgungen und Einkerkerungen konnten ihre Treue zum Sozialismus, ihr Bekenntnis zur Sowjetunion und zur Verteidigung der DDR nicht brechen. Ihnen wurde eine Haltung abverlangt, von denen hunderttausende SED-Mitglieder keine rechte Vorstellung hatten. Vergessen wir nicht, dass im Unterschied zur SED-Führung die Genossen der DKP die These von der „Friedensfähigkeit des Imperialismus“ strikt ablehnten! Der Sieg der Konterrevolution, die Selbstaufgabe der SED, die Flucht von mehr als zwei Millionen SED-Mitgliedern in die Anonymität und die Millionen (Noch)-DDR-Bürger im Wettlauf zum „Begrüßungsgeld“ musste für westdeutsche Kommunisten ein Schock sein, der ihr Bild von der DDR trübte. Doch zu diesen subjektiven Sachverhalten kommt ein objektiver hinzu: Die Klassenkampferfahrungen der Kommunisten in der BRD (außerparlamentarisch, im Betrieb, in den Gewerkschaften) wurden plötzlich für die verbliebenen Kommunisten im Anschlussgebiet von großer aktueller Bedeutung. Dieser Aufwertung von Klassenkampferfahrungen westdeutscher Kommunisten stand die Entwertung der Erfahrungen der ehemals Macht ausübenden Kommunisten der DDR gegenüber. Ihre Erfahrungen waren für den aktuellen Kampf wertlos. (ich erlebte es bis 2003 als Beschäftigter in einem 900-Mann-Betrieb, der 1990 in Sachsen entstand). Vor allem durch diesen Sachverhalt (der durch die nach 1990 erlebten politischen Strafverfolgungen, sozialpolitische Willkür, Demütigung u.a. noch verstärkt wurde) sahen ostdeutsche Kommunisten ihre Lebensleistung durch ihre westdeutschen Kampfgenossen gering geschätzt. Vor diesem Hintergrund vollzogen sich die Ende der 90er Jahre geführten Kontroversen im DKP-Parteivorstand und mit der Gruppe Berlin-NO. Klaus und Bruni erlebten sie als Akteure, ich als UZ-Leser. Die Klarstellung der Bedeutung der DDR als größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung war nicht schlechthin eine Art „Befreiungsschlag“. Es ist eine Einschätzung, der eine konsequent dialektische, historisch-materialistische Beurteilung zugrunde liegt. Diese Einschätzung wurde von herausragender Bedeutung nicht nur für die Auseinandersetzung. Diese Leistung ist und bleibt mit dem Namen „Steiniger“ verbunden. Sie wurde von Klaus wie ein Pfahl in den Boden gerammt. Sie wurde für Kommunisten zum Kriterium politischer Standortbestimmung, anerkannt von „RotFuchs“ und „offen-siv“, DKP und KPD, KPD(B) und KI u.a. So weit, so gut. Denn die Anerkennung dieser Wahrheit schloss zumindest zwei Überlegungen ein. Die historische Bedeutung der DDR anerkannte nur eine numerisch bedeutungslose und politisch einflusslose Minderheit in der BRD, die selbst zerstritten war und ist. Von ausschlaggebender Bedeutung wurde deshalb, wie mit dieser Erkenntnis umgegangen wird . Sie war zunächst eine Art geistiger Sammelpunkt für Gedemütigte und Verunsicherte im Osten! Sie kann beruhigen und aufrütteln, man kann sich darin „einigeln“ und gegenseitig auf die Schultern klopfen, man kann sie als Aufbruch verstehen und danach handeln. Von ihr geht auch die Gefahr einer „OST- Zentrierung“ aus, die dem Kampf um die Einheit der Kommunisten abträglich ist. Es gab und gibt also zahlreiche Möglichkeiten ihrer Nutzung. Die „Flegel“-Konferenz (1999) zeigte den für Kommunisten folgerichtigen und somit notwendigen Umgang mit dieser Erkenntnis. In der „RotFuchs“-Dezember-Ausgabe 1999 schrieb Genossin Annemarie Mühlefeldt: “Was hindert uns eigentlich daran, Zusammenkünfte dieser Art zu wiederholen? Dabei kann es nicht darum gehen, zweifellos noch bestehende Unterschiede in der Bewertung ideologischer und politischer Fragen zu überspielen. Wir sollten vielmehr jene Felder bestimmen, auf denen wir verhältnismäßig problemlos gemeinsam auftreten können. Letztlich geht es darum, wieder zu einer einflussreichen Kraft unter den Linken in Deutschland zu werden, wovon wir gegenwärtig noch weit entfernt sind.“ Der “RotFuchs“ war somit nicht nur auf-, sondern herausgefordert, den nächsten Schritt im Gleichschritt zu vollziehen. Das hieß die zielstrebige Mitarbeit an der Niederlagenanalyse, an der andere bereits seit Jahren intensiv arbeiteten und beachtliche Ergebnisse vorlegt hatten. Ist mein Eindruck falsch, dass der „RotFuchs“ mit Zeitverzug, zögerlich und halbherzig sich dieser Aufgabe stellte? Wirkten jetzt nicht die o.a. Probleme mit den unterschiedlichen Klassenkampferfahrungen in recht eigentümlicher Weise nach, die sich auch in unterschiedlichen Auffassungen zum Gegenstand der Niederlagenanalyse und den Hauptursachen unserer Niederlage offenbarten? Warum kam es beim „RotFuchs“ in diesem Zusammenhang zu einer Art „intellektuellem Aderlass“? Als ich in einer Diskussion mit hiesigen „RotFüchsen“ die Meinung vertrat, wir müssen weiter an den Ursachen unserer Niederlage arbeiten, wurde mir entgegnet, „Ja keine neue Fehlerdiskussion angesichts der massiven ideologischen Angriffe des Gegners“ (Dieses Argument hatte ich vor mehr als zwanzig Jahren in der DDR zur Genüge gehört). Jetzt wurde mir erst klar, dass mancher „RotFuchs“ die Niederlagenanalyse auf Fehlersuche reduzierte, was zu verheerenden Folgen führen musste. Niederlagenanalyse ist für mich Analyse von Erfahrungen unterschiedlicher Qualität (K.Steinitz): Wir benötigen die positiven und aufhebenswerten Erfahrungen; es geht um Fehler, Entstellungen und defizitäre Entwicklungen; letztlich brauchen wir Kenntnis über widersprüchliche Ergebnisse und Erfahrungen. In einer Fehlersuche finden wir keine Antwort auf die Frage, warum sich der Sozialismus sieben Jahrzehnte in der Sowjetunion und vier Jahrzehnte auf deutschem Boden unter schwierigsten Bedingungen behaupten konnte. Eine Fehlersuche läuft am Erkenntnisgewinn vorbei. Aber dieser Erkenntnisgewinn ist es ja gerade, der unsere Position in der Auseinandersetzung stärkt . Vor allem ist der Erkenntnisgewinn das Kostbarste, was wir “Großväter“ unseren „Enkeln“, die es besser richten sollen, übergeben können. Bereits bei der Niederlagenanalyse sollte sich zeigen, dass „Rotfuchs“ und „offen-siv“ nicht zum „Gleichschritt“ fanden. Bei der nunmehr anstehenden Erarbeitung von Schlussfolgerungen aus der Niederlagenanalyse wurden gravierende Unterschiede und auch Gegensätze deutlich, die meine Vorstellungen vom gleichen Schritt und Tritt in Träumereien auflösten. Die zum 60. Jahrestag der DDR durchgeführten Konferenzen beider Zeitschriften geben darüber Aufschluss. „offen-siv“ veranstaltete eine zweitägige, wissenschaftliche Konferenz mit internationaler Beteiligung. Bereits der Titel “…und der Zukunft zugewandt“ machte die Blickrichtung deutlich. Die „offen-siv“-Konferenz blieb nicht bei einer grundlegenden DDR-Würdigung stehen. In dem sie auf die Zukunft verwies, wandte sie sich der Jugend zu, der die Zukunft gehört. Die Begründung und Vorstellung der KI wurde zur wichtigsten Schlussfolgerung aus der Niederlagenanalyse für die weitere Arbeit. Es bedurfte keines besonderen Hinweises. Die Konferenzteilnehmer sahen mit eigenen Augen, dass die Entwicklung der KI mit einem Generationswechsel einhergeht. Ein außerordentlicher Anspruch an alle Beteiligten, an „Alte“ und „Junge“ (Hier liegt aus meiner Sicht die größte der uns bevorstehenden Anforderungen. Auf die bereits existierenden Widerstände hat Frank verwiesen). Erinnern wir uns Lenins Hinweis, dass sich die Jugend zwangsläufig auf anderen Wegen dem Sozialismus nähert, nicht auf dem Wege, nicht in der Form, nicht in der Situation, wie ihre Väter und Großväter. Der DDR-Aufbau-Generation, uns „Alten“, war der Weg buchstäblich freigekämpft durch die Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus. Wir verfügten über das Beispiel des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion. Es existierte ein völlig verändertes Kräfteverhältnis in der Welt, geschaffen durch den Aufstieg der Sowjetunion zur zweiten Weltmacht. Was findet die heutige Jugend – so fern sie sich überhaupt sozialistisch orientiert – vor ? Benötigt sie nicht Kenntnisse, die weit über die der „Alten“ hinausgehen? Fragen über Fragen. Eine Bemerkung zum Charakter der Konferenz sei angefügt. Die Konferenzteilnehmer mussten zwei Tage geistig angestrengt arbeiten. Ihre Mitarbeit war gefordert. Es gab Zeit zur Diskussion und Gelegenheit zu Nachfragen. Wer wirklich etwas über die KI erfahren wollte, hier bekam er eine (vorläufige) Antwort. Wer immer im Nachhinein diese Konferenz zu disqualifizieren versucht in dem er behauptet, es wäre eine KI-Konferenz gewesen, der stellt sich selbst ein Bein. In Pausengesprächen lernte ich drei Konferenzteilnehmer kennen, die aus ihrer Organisiertheit kein Hehl machten: KPD-Funktionär, DKP-Funktionär und Vorsitzender einer „RotFuchs“-Regionalgruppe. Aus den Gesprächen entnahm ich, dass sie nichts von Abgrenzung oder Ausgrenzung hielten. Ihnen ging es um die Gemeinsamkeiten. Und sie wollten mehr über die KI erfahren, so wie ich. Das alles stimmte mich optimistisch. Viele Denkanstöße nahm ich mit nach Hause. An der „Rotfuchs“-konferenz konnte ich nicht teilnehmen. Mir blieb das Redeskript in der im Internet veröffentlichten Fassung. Ich las es sechs mal, weil ich nicht glauben wollte, dass „RotFuchs“ zum 60. Jahrestag der DDR eine Gedenkveranstaltung konzipiert hatte, die sich mit dem Blick zurück begnügte. Damit nicht genug. Mit dem Blick auf die DDR geriet der real existierende europäische Sozialismus an den Rand des Blickfeldes. Sonderbare, unverständliche Thesen musste ich lesen. Anerkannte Ergebnisse der Niederlagenanalyse fanden keinen Eingang in die Rede zum 60. Jahrestag der DDR. Man fragt sich unwillkürlich, warum ging die DDR unter, aber Cuba existiert noch? Nach dem grob skizzierten Bild der SED stellte ich mir die Frage, warum wir 20 Jahre nach unserer Niederlage immer noch keine schlagkräftige kommunistische Partei haben. Insgesamt spürte ich als Leser zuviel Wehmut der Erinnerung an vergangene Errungenschaften. Der „Blick zurück“ blieb nicht ohne Folgen: Inmitten der schwersten Krise, in der die marxistisch orientierten Kräfte so schwach wie noch nie in Krisenzeiten sind, findet ich im Referat keinen Gedanken dazu und keine Schlussfolgerungen. Es ist einfach nicht zu fassen, dass die Jugend überhaupt keine Erwähnung findet. Die junge Generation, die durch unsere Niederlage, die ideologischen Verhältnisse und ihre eigenen sozialen Erfahrungen über ihre Lebensperspektive tief verunsichert ist, entgeht der Aufmerksamkeit der „Rotfüchse“. Sind es nicht unsere Enkel, die Jugendlichen zwischen 20 und 25 Jahren, deren Armutsrisiko 5 mal höher ist als das der über 65-Jährigen im Osten, die Jugendlichen, die nur wählen können zwischen Hartz-IV und Afghanistan-Einsatz mit der Bundeswehr? Ich komme ins Grübeln. Wie ist so etwas möglich ? Warum dieses völlig unterschiedliche Herangehen an die Würdigung des 60.Jahrestages der DDR? Warum bleibt der „Rotfuchs“ auf halben Wege stehen? Gibt es einen Zusammenhang mit der Niederlagenanalyse? Ist es Ausdruck eines Generationsproblems im Osten, wie es im Westen so nicht existiert? Mein Blick ist auf jene Generation gerichtet, die ihre Sozialisation nach der Niederlage des europäischen Sozialismus hat. In den alten Bundesländern sind die gesellschaftlichen Verhältnisse für jung und alt die gleichen geblieben, es ist die kapitalistische Gesellschaft. Im Osten hingegen gab es nur für die „Alten“ einen gesellschaftlichen Umbruch, der seines gleichen sucht. Wurde er nicht verkraftet? Für die „Jungen“ hingegen gab es keinen gesellschaftlichen Umbruch. Sie erleben den Kapitalismus im wesentlichen von Anbeginn. Für die „Alten“ ist die DDR ihre Lebensleistung. Damit kann die junge Generation nichts anfangen, zumal die DDR nicht mehr existiert. Die Ratschläge und Erfahrungen der „Alten“ werden für sie fragwürdig. Ein politisch interessierter junger Erwachsener meinte nach dem Lesen des „Rotfuchs“: „Das ist etwas für DDR-Rentner. Wir haben andere Sorgen und Probleme“. Können wir so eine Auffassung einfach mit einer Handbewegung abtun bzw. nicht beachten? Viele Jugendliche haben Fragen, die wir „Alten“ nicht beantworten können. Auch deshalb geht unter „RotFüchsen“ die Angst um. Und diese Angst potenziert sich, wenn sich „diese Jugend“ in das Zusammenführung von Kommunisten einmischen will und dazu die Initiative ergreift. Lieber Klaus, lieber Frank! Offenheit gegen Offenheit lautet einer meiner Grundsätze. Ich halte nichts vom „Breitseite schießen“ und „Schießen aus verdeckter Feuerstellung“ unter Gleichgesinnten. (Beide sind Schießverfahren, gehören also zum Militärischen) Auch ist mir das Lesen zwischen den Zeilen zuwider. Deshalb dieser Leserbrief. Ich habe meine Sorgen und einige Überlegungen vorgetragen. Die Widerspruchsentwicklung zwischen beiden Zeitschriften ist jetzt objektiv und subjektiv mit der Entwicklung der KI verknüpft. Das betrifft die Widerspruchslösung, wie die Widerspruchsverschärfung. Es ist deshalb mein Wille, mit meinen bescheidenen Möglichkeiten die uns nachfolgende Generation bei ihrem, bei unserem gewaltigen Vorhaben zu unterstützen, Kommunisten zusammenzuführen. Was wir zwei Jahrzehnte nicht vermochten, soll jetzt auf andere Art und Weise gelingen. Der erneute Anlauf kann ebenso misslingen. Doch zunächst heißt es für mich in meinem Dresdner Aktionsradius: Alle Kräfte zur Unterstützung der Kommunistischen Initiative! Ich verbleibe in Verbundenheit mit beiden Zeitschriften
Euer Dieter Hillebrenner
Quelle: offen-siv – März-April 2010