Kolumbien: Hohe Profite durch „gutes Investitionsklima“ – auf wessen Kosten?
Protestveranstaltungen gegen die „Expo Kolumbien“
Pressemitteilung, Berlin 25.10.09
Vom 25.10.09 bis 31.10.09 veanstaltet die kolumbianische Botschaft zusammen mit Unterstützern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft die sogenannte „ExpoKolumbien“. Neben einem kulturellen Rahmenprogramm dient diese Veranstaltung in erster Linie dazu, deutschem Kapital Investitionen in Kolumbien schmackhaft zu machen.
In der Ankündigung der Veranstaltung wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Kolumbien um das „beste Geschäftsland Lateinamerikas“ handele. Dass es in Kolumbien offensichtlich gute Chancen auf hohe Profite gibt, hat aber Ursachen, und diese werden im Rahmen der „ExpoKolumbien“ geflissentlich ausgeklammert.
In Kolumbien wird jeder Versuch gewerkschaftlicher Organisation mit Repression beantwortet, Kolumbien ist das Land, in dem in den letzten Jahren weltweit die höchste Anzahl von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern ermordet werden. Hinter den Morden an und den sonstigen Schikanen gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter steckt eine große Koalition von Privat-Kapital, Regierung und Paramilitärs. Dies zeigt sich auch daran, dass bei weit über 90 Prozent der Morde an Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern (!) die Täter straffrei ausgehen (vgl. etwa den Report von Amnesty International 2009).
Im Rahmen der aktuellen Regierungsdoktrin „Fortschritt und Entwicklung“ ist eine weitere Expansion der neoliberalen Projekte in Kolumbien geplant. Hierzu gehören auch verschiedene Megaprojekte, wie der extensiver Anbau von afrikanischer Palme zur Gewinnung von Agrotreibstoffen und der grossflächige Abbau von Steinkohle zur Abdeckung der Energiebdürfnisse des europäischen und nordamerikanischen Marktes.
Diese Megaprojekte sind die gegenwärtig wichtigen Motoren der Gewalt in Kolumbien. Ganze Landstriche werden gewaltsam entvölkert, um Platz zu schaffen für Plantagen oder Minen, allein im Jahr 2008 wurden in Kolumbien im Rahmen solcher Projekte über 500000 (!) Menschen vertrieben. Die Industrialisierung schreitet vor allem auf Kosten des Regenwalds voran, der rücksichtslos vernichtet wird. Angestrebt wird ein komplettes Ersetzen lokaler ländlicher Ökonomien und Lebenswelten, durch Vertreibung der Bevölkerung, Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlage, Zerschlagung des sozialen Gefüges und die Ermordung politischer SprecherInnen. Dies trifft vor allem auf Kleinbauern sowie indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften zu, die mit ihren gewachsenen Selbstverwaltungsstrukturen und kapitalarmer Wirtschaftsweise vom Regime pauschal als nicht nur unproduktive, sondern auch potentiell subversive Bevölkerungsteile gesehen werden.
Die Großprojekte von Regierung und privatem Kapital lassen sich nur autoritär und mit Zwang durchsetzen. Nicht integrierte ländliche Strukturen sollen zerstört werden. Der Bevölkerung bleibt nur die Flucht oder eine miserable Zukunft in prekären Arbeitsverhältnissen – schon heute lebt über die Hälfte der Bevölkerung Kolumbiens in Armut, mit den für die Zukunft geplanten und heute schon durchgeführten Großprojekten gegen den Widerstand der Bevölkerung ist eine weitere Verschärfung der Verhältnisse zu erwarten.
Nicht nur Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter werden ermordet. Die gesamte soziale Bewegung in Kolumbien wird wird systematisch kriminalisiert und verfolgt: Es gibt in Kolumbien 7500 politische Gefangene, tausende Menschen wurden in den letzten Jahren als angebliche Guerrilleros von staatlichen Sicherheitskräften, Polizei, Militär und Paramilitärs ermordet, es gibt 4,7 Millionen Binnenflüchtlinge in Kolumbien selbst, mehr als 2 Millionen Kolumbianer leben ausserhalb des Landes. Im Rahmen dieser polizeilich-militärischen Bekämpfung sozialer Konflikte ist auch der derzeitige Plan zu sehen, die US-Militärpräsenz in Kolumbien massiv auszuweiten.
Während die ExpoKolumbien versucht, deutsches Kapital genau für solche autoritären Großprojekte zu gewinnen, etwa durch Veranstaltungen wie “Kolumbien – ein attraktiver Markt für Infrastruktur, Gesundheitswesen und Agrarindustrie“, solidarisieren wir uns mit der ausgebeuteten und vertriebenen, protestierenden und widerständischen Bevölkerung in Kolumbien.
Für ein Leben in Würde für die Menschen in Kolumbien – gegen staatliche und private Grossprojekte gegen den Willen der Bevölkerung, gegen Folter und Mord an politischen und sozialen Aktivistinnen und Aktivisten, gegen die Kriminalisierung der Sozialen Bewegungen!
Unseren Protest möchten wir auch öffentlich machen, und laden Sie hiermit herzlich zu den folgenden Veranstaltungen ein. Über eine Berichterstattung im Vorfeld würden wir uns freuen. Für mehr Informationen schicken Sie uns bitte eine kurze E-Mail, wir rufen Sie zurück.
Videokundgebung gegen die ExpoKolumbien
So, 25.10.09, 16.30 Uhr, KinoBabylon, Rosa-LuxemburgStr., Berlin-Mitte
Kundgebung vor der Deutschen Industrie- und Handelskammer
Mi, 28.10.09, 18 Uhr, Breite Str. 29, Berlin-Mitte
Informationsveranstaltungen mit dem studentischen Aktivisten Diego Fernando Marin
Do, 29.10.09, 12 Uhr, Rotes Café an der FU, Harnackstr. 1a, U-Bhf Thielplatz und Fr, 30.10.09, 19 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin-FHain
Berliner Komitee „Solidarität mit den sozialen und politischen Bewegungen in Kolumbien“