Du weißt nichts mehr!

Du weißt nichts mehr!

(aus Rems-Murr-Rundschau)

Von ZVW, aktualisiert am 08.02.2012 um 20:45
Brandanschlag-Prozess: Die Nazi-Zeugen stehen unter Druck
Winterbach/Stuttgart. Die Neonazis und ihre Freundinnen streiten sich. Das ist der
erste sichtbare Erfolg des Gerichtsprozesses rund um den Winterbacher
Brandmordanschlag. Der gegenseitige Druck, den Kumpel des anderen nicht zu
verpfeifen und doch den eigenen Schmusi zu schützen, hat Risse im Sozialgefüge des
Fascho-Dunstkreises gezeitigt. Andere haben sich „plötzlich“ verlobt.
„Sag einfach, dass du nichts mehr weißt“, postet der 28-jährige Nutzer „Stark-Stolz“ am 10.
Dezember 2011 im Internet-Netzwerk „Kwick“. Dies als Antwort auf die Mitteilung einer 22-
jährigen Friseurin aus dem Schwarzwald „Hab Post aus Winterbach bekomme!!!“ –
„Zeugenaussage im Februar“. Und die Friseurin antwortet: „ja des sowieso“. Doch am
nächsten Tag schaltet sich eine 21-jährige Hassprinzessin mit Faible für Hitler („H8princess“)
in die Online-Diskussion ein: „Ihr Vollpfosten. . . macht des mal net so öffentlich!!!“ Die
Friseurin giftet zurück: „Quatsch mich net so dumm von der Seite an, du dumme Sau.  . . des
weiß doch eh jeder!!!“
Am Montag, 6. Februar, war es dann so weit. Die Friseurin musste vor Gericht. Wie berichtet,
schützte sie tatsächlich Gedächtnisschwund vor, wollte doch nicht mehr gesehen haben, wer
in der Nacht zum 10. April 2011 auf dem Engelberg von der Nazi-Party runter zur Gartenhütte
„der Ausländer“ zog. Richter Joachim Holzhausen drohte ihr Beugehaft an, und so gab sie
doch zu, den einen Angeklagten Dominik F. gesehen zu haben, wie er mit anderen runter
zum Nachbarstückle marschierte. Erspäht hat sie dann auch den Lichtschein des Feuers der
brennenden Hütte. Und die Friseurin gab vor Gericht ebenso zu, Anrufe bekommen zu haben,
sie solle gerade diese Aussage nicht vor Gericht wiederholen.
Am siebten Verhandlungstag (Mittwoch, 8. Februar) trat zunächst wieder mal eine Dame auf,
die sich nach der Untat vom 10. April mit einem Verdächtigen verlobt hat. Die 25-Jährige aus
Gechingen im Landkreis Calw ist nunmehr die dritte „Belastungszeugin“, die durch eine „Blitz-
Verlobung“, die Aussage verweigern darf.
Der zweite Zeuge des Mittwochs: ein 18-jähriger Azubi aus Haigerloch, Millimeter-Frisur,
schwarz-weiße New-Balance-Schuhe, schwarzes Pitbull-Kapuzenshirt. Er will etwa zur Zeit
des Brandanschlags gerade im Gehen begriffen gewesen sein, doch an dem Abend praktisch
die ganze Zeit mit der Friseurin zusammengehangen haben. Trotzdem, sagt er, „habe ich
überhaupt nichts mitgekriegt von dem Brand, nur dass die Party plötzlich wie leer gefegt war“.
Der ungläubige Richter Holzhausen ließ den Azubi im Nachhinein vereidigen.
Der dritte Zeuge: ein 34-jähriger Bierbrauer aus dem Ostalbkreis, ziemlich kurze Haare, blank
gewichste schwarze Stahlkappenstiefel, schwarze Jeans, blaues Jeanshemd. Will „die ganze
Sache“ auf dem Engelberg in seinem Auto verschlafen haben, bis die Polizei ihn aus dem
Fahrzeug rauszog und festnahm. Ist ein Freund des zweiten Angeklagten Dennis K., „von
dem ich mir so was überhaupt nicht vorstellen kann. Der ist eher immer ein Streitschlichter“.
Dennis K. wollte eigentlich, weil seine Verlobte jetzt ein Kind hat, ja auch mehr Abstand zur
Szene gewinnen, so der Bierbrauer, der „einen Hals hat“ auf Katharina B. aus Schorndorf,
eine von den weiblichen Bekannten, die in der Tatnacht auf dem Engelberg Geburtstag
feierten. „Die hat alles Mögliche rumerzählt und Leute belastet, nur um andere zu schützen.“
Der Kontakt zu ihr sei deshalb komplett abgebrochen.
Auch die vierte Zeugin, eine 19-jährige Arbeitssuchende aus Rudersberg und ehemals beste
Freundin der Verlobten von Dennis K., sagt, sie wisse vom Hörensagen – selbst war sie nicht
bei der Party auf dem Engelberg, dass Katharina B. eine Verräterin sei, da sie „alle Namen“
ausgeplaudert habe. Einmal sei dann auch der Name von Dominik F. gefallen, aber vor allem,
dass Dennis K. „mit dem, der’s war, den ganzen Abend zusammen war“, selbst aber nur
Beobachter gewesen sei. „Ich wollte mit der ganzen Sache nie was zu tun haben“, sagte die
Rudersbergerin und brachte als männlichen Begleiter ein am Kopf glattrasiertes, szenetypisch
gekleidetes Grimmgesicht mit.

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