Das große Schweigen in der Reichtumsgesellschaft
Die Parallelwelt in der Klassengesellschaft Deutschlands 2012
[Auszug]
Der Rechtsstreit der Deutschen Bank mit dem Medienunternehmer Leo Kirch und seinen Erben soll durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt werden. Er sieht eine Zahlung der Deutschen Bank von 800 Millionen Euro vor. Etwa die Hälfte der Zahlung soll an Gläubiger Kirchs fließen, unter anderem die Commerzbank, die HypoVereinsbank, die Bayerische Landesbank und mehrere Filmstudios. (Vgl. SZ)
Leser-Kommentar: “Bizarre Veranstaltung“: “800 Millionen an die Erben. Herr Westerwelle, das ist anstrengungsloser Wohlstand. – Ich als Bürger bleibe sprachlos zurück angesichts dieser Parallelwelt in der sich die obersten Schichten, unterstützt durch die Justiz, mittlerweile bewegen.“ (Von “Windjammer“ am 13.02.2012) [1]
Armut in Deutschland
Die Armut in Deutschland wächst. In einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) heißt es, dass 14 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet seien. Das ist ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. –
Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zeigte sich “tief besorgt“ über die Sozialpolitik in Deutschland: Kinderarmut, benachteiligte Frauen, diskriminierte Einwanderer, unzumutbare Verhältnisse in Asylbewerberheimen, Pflegenotstand u.a.m. [2]
UNO kritisiert deutsches Sozialsystem
Kinderarmut, Diskriminierung, Pflegenotstand – und kaum Programme gegen das soziale Gefälle in Deutschland: Die Vereinten Nationen haben Deutschland scharf kritisiert wegen seiner Gesellschaftspolitik. Die UNO fordert die Bundesregierung zum Handeln auf. –
Ein massiver Vorwurf der UNO an Deutschland lautet, dass jeder vierte Schüler ohne Frühstück zur Schule gehe – die Vereinten Nationen fordern die Bundesregierung deshalb zu “konkreten Maßnahmen“ auf, damit “Kinder, besonders aus armen Familien, richtige Mahlzeiten erhalten“. (Vgl.: 2.1) [2]
Armut in der Bundesrepublik Deutschland
Die “Bundeszentrale für politische Bildung“ berichtet: In westlichen Industriestaaten wird häufig von “relativer Armut“ gesprochen. Anders als “absolute Armut“, die in vielen Ländern der [sogenannten] “Dritten Welt“ verbreitet ist und die davon betroffenen Menschen existenziell bedroht, wirkt die hiesige “relative Armut“ nur selten unmittelbar lebensgefährdend. –
Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung dokumentieren eine beständig steigende Armutsrisikoquote. Wenn immer mehr Menschen unter geringeren Teilhabechancen und sozialer Ausgrenzung leiden, könnte dies auf Dauer dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden, so die Beamten und Mitarbeiter der staatlichen “Bundeszentrale für politische Bildung“. (Vgl.: 2.2 und 2.2.1) [2]
Weiterhin hohes Armutsrisiko für Kinder und junge Erwachsene
“In Ostdeutschland ist das Einkommensarmutsrisiko nach wie vor deutlich stärker ausgeprägt als im Westen. Im Osten sind es circa 19 Prozent, im Westen circa 13 Prozent der Bevölkerung, die unter der Armutsschwelle liegen. Die Gründe hierfür sind hauptsächlich im Arbeitsmarkt zu sehen. Die höheren Arbeitsmarktrisiken in Ostdeutschland sind markant: Die Chancen alternative Einkommensquellen zur Deckung des Lebensbedarfs heranzuziehen sind im Osten viel geringer.“ (Dr. Joachim R. Frick, Leiter der Abteilung Längsschnittstudie Soziooekonomisches Panel – SOEP, am DIW Berlin) (Vgl. 2.3) [2]
Die soziale Situation in Deutschland
Im Jahr 2009 waren 15,6 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Ohne die Umverteilungswirkung von Sozialleistungen, erhöht sich die Armutsgefährdungsquote in Deutschland auf 24,2 Prozent. –
Bei Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist die Armutsgefährdungsquote mit 28,2 Prozent fast zweieinhalbmal so hoch wie bei Personen ohne Migrationshintergrund. –
Bei den Alleinerziehenden-Haushalten als auch bei Familien, in denen zwei Erwachsene leben, nimmt das Armutsrisiko mit steigender Kinderzahl zu. –
Nach Daten der Schuldnerberatungsstellen war der Eintritt der Arbeitslosigkeit der häufigste Hauptgrund für die Überschuldung. (Vgl. Quelle) –
Bereits im Jahr 2006 lebten von den geschätzten 254.000 wohnungslosen Menschen circa 18.000 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße – davon waren ein Drittel Kinder und Jugendliche. [Eine Untertreibung mit den Zahlen.] –
Strafgefangene und Sicherheitsverwahrte [in der Klassengesellschaft]: Die (offizielle) Zahl der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten stieg zwischen 1995 und 2007 um 39,1 Prozent. (Vgl.: 2.4) [2]
Mehr Ungleichheit trotz Wachstum
Der Bericht der OECD »Mehr Ungleichheit trotz Wachstum? Einkommensverteilung und Armut in OECD-Ländern« enthält Analysen über die Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen. Der Bericht beschreibt u. a. Ungleichheiten wie Vermögen der privaten Haushalte, Konsumgewohnheiten, öffentliche Sachleistungen. Demnach liegt die Ungleichheit in einer Gesellschaft nicht außerhalb der Macht der Regierungen, etwas zu ändern. –
Die Kinderarmut im OECD-Raum hat zugenommen und liegt über der durchschnittlichen Armutsquote der Gesamtbevölkerung. Die Daten bestätigen, dass das Wohlergehen in der Kindheit einer der Hauptdeterminanten für den Erfolg im Erwachsenenleben [auch unter kapitalistischen Bedingungen] ist, sei es in Bezug auf Verdienstaussichten, Gesundheitszustand usw. –
Selbst die OECD-Wissenschaftsexperten und Beamten kommen zur Aussage: »Die einzige nachhaltige Methode zur Verringerung der Ungleichheit ist, die tendenzielle Zunahme der Spreizung der Erwerbs- und Kapitaleinkommen zu stoppen. Insbesondere gilt es sicherzustellen, dass die Menschen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Lage sind und damit auch genug verdienen, um sich und ihre Familie vor Armut zu schützen. {…}« – »Öffentliche Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit können äußerst wirkungsvolle Instrumente zur Senkung der Ungleichheit sein.« – (Vgl.: 2.5) [2]
[Ein Auszug aus allgemein zugänglichen Quellen in der bestehenden Klassengesellschaft der Bundesrepublik Deutschland.]
Quelle: [1] »Deutsche Bank zahlt Kirch-Erben 800 Millionen Euro«
Ein Bericht von Klaus Ott. In: sueddeutsche.de am 13.02.2012.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rechtsstreit-soll-beendet-werden-deutsche-bank-zahlt-kirch-erben-millionen-euro-1.1283292
[2] Armut in Deutschland auf “Politische Bildung“, eine Internet-Plattform der “Bundesarbeitsgemeinschaft Politische Bildung Online“ (BAG).
http://www.politische-bildung.de/armut_in_deutschland.html n
2.1 Staatenbericht: Uno kritisiert deutsches Sozialsystem (Spiegel)
2.2 Armut in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte (Bundeszentrale für politische Bildung)
2.2.1 bpb: Aus Politik und Zeitgeschichte, 51-52/2010, 20 Dez. 2010: Armut in Deutschland
http://www.bpb.de/files/Z83OD8.pdf
2.3 Hohes Armutsrisiko in Deutschland. Armutsbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Weiterhin hohes Armutsrisiko in Deutschland: Kinder und junge Erwachsene sind besonders betroffen – “Höhere Hartz-IV-Sätze lindern Symptome, ändern aber nicht die Armutsursachen“
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.347307.de/10-7-1.pdf
2.4 Armut in Deutschland, Dossier (Bundeszentrale für politische Bildung)
bpb: Die soziale Situation in Deutschland
http://www.bpb.de/wissen/GCP6XT,0,0,Armut.html
2.5 OECD: Mehr Ungleichheit trotz Wachstum? Einkommensverteilung und Armut in OECD-Ländern (Eine Zusammenfassung)
http://www.oecd.org/dataoecd/45/26/41525363.pdf
14.02.2012, Reinhold Schramm