Aspekte zur Politik des Kapitals – Wechselbeziehungen von Monopolkapital und Parteien
[Auszug]
>Mit dem Übergang zum staatsmonopolistischen Kapitalismus entstand zwischen Staat, Monopolen, Unternehmerverbänden und Parteien ein einheitlicher, verflochtener Machtmechanismus des staatsmonopolistischen Kapitalismus. [1/23]
Verflechtung von Kapital, Staat und Parteien heißt Abstimmung von Interessen, koordinierte Vorbereitung und Durchsetzung von wichtigen administrativen Maßnahmen und Entscheidungen sowie vielfach Personalunion in der Besetzung von Funktionen.
Der Begriff Verflechtung wird in der marxistischen Literatur benutzt, um auszudrücken, dass die genannten Faktoren nicht unabhängig voneinander oder gar gegeneinander wirken, sondern in einer weitestgehenden Kooperation. In dieser Verflechtung behalten alle Glieder ihre politische Eigenständigkeit und spezifische Rolle, wobei der administrativ-staatliche, der politische und programmatische Bezugspunkt die Interessen der ökonomisch herrschenden Kreise, vor allem des Monopolkapitals, sind.
BDI – BDA – DIHT
Ein enges Netz wechselseitiger organisatorischer, personeller, politischer und ideologischer Verbindungen und Beziehungen zwischen Monopolen, Unternehmerverbänden, Staat und Parteien hilft diese Interessen durchzusetzen. Seitens des Monopolkapitals üben vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) [Deutscher Industrie- und Handelskammertag] als Dachverbände einen entscheidenden Einfluss in diesem Beziehungsgefüge aus und sind wirklich strategiebildend und politikentscheidend.
Nach Ergänzung der Geschäftsordnung des Bundestages vom 21. September 1972 müssen sich alle Verbände, die auf das gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen wollen, in einer beim Bundestagspräsidenten geführten öffentlichen Liste eintragen lassen. Dazu werden unter anderem Name und Sitz des Verbandes, Mitgliederzahl, Namen der Verbandsvertreter und angeschlossene Organisationen erfasst. Nach dieser Liste ist die Zahl der beim Bundestag registrierten Verbände ständig angewachsen: 1987 sind es 1331 Wirtschafts-, Wissenschafts- und andere Interessenverbände, 1983 waren es 1164 und im März 1981 1033 Verbände. [2/24]
Deren Repräsentanten sind als die Lobby [3/25] beim Bundestag zugelassen. Über diese direkt registrierten Verbände hinaus gibt es mehr als 5.000 Unternehmerverbände mit schätzungsweise 120.000 hauptamtlichen Mitarbeitern – das sind zehnmal so viele wie die DGB-Gewerkschaften haben. [4/26]
Unternehmerverbände sind klassenspezifische Einrichtungen
Die Unternehmerverbände sind klassenspezifische Einrichtungen, zu deren wichtigsten Aufgaben die Beeinflussung des politischen Lebens, in erster Linie aber die ihnen genehme Formulierung der politischen Entscheidungen des Staates gehört.
Die Unternehmerverbände sind hinsichtlich des Machtmechanismus »Monopolorganisationen in dem Sinne, dass sich mit ihnen erst der Monopolcharakter des Großkapitals realisieren kann« [5/27]
Die Unternehmerverbände wirken als eine ständige Institution, die permanent und methodisch die Verflechtung der politischen Interessen des Kapitals mit der politischen Praxis der Parteien und des Staates reproduziert. [6/28]
Adressaten von Unternehmerverbänden
Parteien werden vor allem dann zu Adressaten von Verbänden, wenn sie Regierungsverantwortung besitzen und (gegebenenfalls zusammen mit einem Koalitionspartner) im Bundestag die Mehrheit stellen.
Aber die Beziehungen zwischen einer Partei und den Unternehmerverbänden werden auch dann weitergeführt, wenn sie sich in der parlamentarischen Opposition befindet. Da keine Partei ununterbrochen regiert, sind die Verbände bestrebt, ihren Einfluss auf möglichst mehrere Parteien auszuüben.
Welche Aktivitäten die Unternehmerverbände entfalten, zeigt beispielhaft der BDI: Im Zeitraum von Mai 1982 bis November 1986 hat er weit mehr als 700 Stellungnahmen, Vorstellungen, Forderungen oder Entwürfe für Verordnungen und Gesetze ausgearbeitet und an solche Empfänger verschickt, die politisch tätig sind. –
Dies waren (in einer kleinen Auswahl) die Bundesregierung, Landesregierungen, einzelne Abgeordnete, Vorsitzende der Bundestagsfraktionen, Bundesausschüsse, Verbände und Parteien.
Die vom BDI bearbeiteten Themen umfassen unter anderem wesentliche Wirtschafts- und Außenhandelsbereiche, Wachstums- und Beschäftigungspolitik, Vermögensbildung, Forschungsförderung, Verteidigungspolitik. [7/29]
Sicherung und Tarnung der Macht
Angesichts der chronischen Labilität des politischen Herrschaftssystems [8/30] sowie politischer, ökonomischer und sozialer Krisenerscheinungen sind die Unternehmerverbände bemüht, ernsthafte Funktionseinbußen im Verwertungsprozess wie im Bereich der politischen Macht auszuschließen beziehungsweise abzuschwächen sowie Konkurrenzvorteile für die von ihnen vertretenen Unternehmerkreise zu erzielen. Ein Mittel ist hierbei, Kapitalinteressen in die Politik der Parteien einfließen zu lassen. Deswegen sind die »entscheidenden Gruppen der Monopolbourgeoisie in der Bundesrepublik Deutschland für die Nutzung bürgerlich-parlamentarischer Formen zur Sicherung und gleichzeitigen Tarnung ihrer Macht« [9/31], da die Bundestagsfraktionen und Bundestagsausschüsse wichtige Schaltstellen im Gesetzgebungsverfahren sind.
Zusammenspiel von Kapital und systemtragenden Parteien
Das Zusammenspiel von Monopolkapital und systemtragenden Parteien ist besonders bei zweimaligen Bemühen deutlich geworden, die SPD/FDP-Koalition zu stürzen. Bei dem ersten Versuch wurden unter aktiver Führung und Mitwirkung von Vertretern des Monopolkapitals mit »viel Beredsamkeit, verlockenden Angeboten und unterstützt von den Massenblättern des Springer-Konzerns … bis April 1972 so viele Bundestagsabgeordnete der Regierungskoalition dazu bewogen, das Lager zu wechseln, dass die CDU/CSU den Versuch wagen konnte, Kanzler Willy Brandt durch ein konstruktives Misstrauensvotum im Bundestag zu stürzen« [10/32]. Dieses Vorhaben scheiterte, da die Unionsparteien dennoch nicht die erforderliche Stimmenmehrheit im Bundestag erhielten. Doch zehn Jahre später, Anfang der achtziger Jahre, wurden erneut Kräfte aufgeboten, um die SPD aus der Bundesregierung zu verdrängen.
Diesmal wurde nicht auf den Kauf von Abgeordneten gesetzt, sondern die FDP schwenkte um, so dass es am 1. Oktober 1982 unter dem massiven Druck der ausschlaggebenden Kreise des Monopolkapitals zum Sturz der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung und zur Bildung der Koalitionsregierung von CDU, CSU und FDP kam.
Umverteilung zugunsten der Monopole
Auf Grund der sich verschärfenden ökonomischen Krisen und der Notwendigkeit, auf veränderte Konkurrenzbedingungen und wissenschaftlich-technischen Fortschritt großen Stils offensiv zu reagieren, forderte das Monopolkapital eine »Umkehr zu einer unternehmensorientierten Wirtschaftspolitik« [11/33], die auf längere Sicht eine Umverteilung des Bruttosozialprodukts zugunsten der Monopole und einen Generalangriff auf die Rechte der arbeitenden Menschen sichern sollte. Es setzte dazu auf eine CDU/CSU/FDP-Regierung, von der wegen ihrer engen Verbindung mit der Unternehmerschaft eine rigorosere Erfüllung der Kapitalinteressen erwartet werden konnte als von einer SPD-geführten Regierung.
Die neue Bundesregierung und die sie tragenden Parteien verhielten sich erwartungsgemäß. Bereits in seiner ersten Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 stellte Bundeskanzler Kohl heraus, dass seine Regierung die privaten und öffentlichen Investitionen anregen, die Gewichte in den öffentlichen Haushalten stärker von der konsumtiven zu mehr gewinnorientierten Verwendung verlagern und die Unternehmen steuerlich entlasten werde, um ihre wirtschaftliche Position zu verbessern. [12/34]
Monopolverbände und Richtung der Regierungspolitik
Die Übereinstimmung der Forderungen des Monopolkapitals mit den Ergebnissen der Regierungspolitik von CDU, CSU und FDP bestätigt das enge Wechselspiel von Kapital, Regierung und Parteien und den Einfluss der Monopolverbände auf die Richtung der Regierungspolitik.
Da in dem Verhältnis dieser drei Faktoren die staatstragenden Parteien eine besondere Integrationsfunktion wahrnehmen, wird von marxistischen Wissenschaftlern der Bundesrepublik Deutschland betont: »Die Bundestagsparteien«, {…}, »besser: ihre Parlamentsfraktionen, Spitzenfunktionäre und Parteibürokraten, bilden das politische Kettenglied zwischen Monopolkapital, Kapitalverbänden und Staatsapparat. –
Sie sind den Monopolverbänden, was die Artikulation und Realisation der Interessen des Finanzkapitals betrifft, gewissermaßen komplementär. Um die Schalthebel der Staatsmacht zu bewegen, braucht das Monopolkapital die Partei(en) als Pendant seiner Verbandsorganisation im Kernbereich des politischen Herrschaftssystems. Die Monopolverbände bedienen sich der Bundestagsparteien, um ihrer Interessenpolitik ein parlamentarisches Alibi zu verschaffen.« [13/35]
Geflecht zwischen Kapital, Staat und Parteien
Zwischen Monopolkapital, Staat und Parteien besteht ein Geflecht von internen Absprachen, von Ausschüssen, Beiräten, Gutachterstäben und so weiter, in denen die Klasseninteressen artikuliert und in Regierungspolitik umgesetzt werden.
In diesem Prozess sind vor allem die unmittelbaren und direkten Organisationen der Monopole aktiv tätig – aber nicht nur sie. Hierzu gehören auch die anderen Institutionen und Verbände der Gesellschaft, einschließlich der Gewerkschaften, die allerdings ungleich geringere Möglichkeiten als die Monopole haben, ihre Interessen in die Partei- und Staatspolitik einzubringen. Die Monopolverbände haben durch rechtliche Absicherung eine Reihe von Möglichkeiten, ihren Einfluss auf Parteien und Staatsorgane geltend zu machen.
Die formalrechtliche Grundlage für die direkte Mitwirkung der Unternehmerverbände an den staatlichen Entscheidungen wurde mit der »Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)« geschaffen. In deren Fassung vom 15. Oktober 1976 heißt es im Besonderen Teil Paragraph 24 (1): »Bei der Vorbereitung von Gesetzen können die Vertretungen der beteiligten Fachkreise oder Verbände unterrichtet und um Überlassung von Unterlagen gebeten werden sowie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.« In Paragraph 77 des Allgemeinen Teils der GGO ist ausdrücklich festgelegt, dass die Bundesministerien nur mit Zentral- und Gesamtverbänden verkehren dürfen; damit wurde den Spitzenverbänden eine besondere Stellung eingeräumt.
Das damalige Präsidiumsmitglied der BDA Rolf Rodenstock nannte als ein wesentliches Merkmal der Spitzenverbände der Unternehmer das Recht, in Beratungsorganen des Staates vertreten zu sein und damit unstreitig politische Macht zu verkörpern. [14/36]
In der Geschäftsordnung des Bundestages ist in Paragraph 74a Absatz 1 festgelegt: »Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe kann der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen.« Damit ist eine Möglichkeit geschaffen worden, Sachverständigen der Interessenverbände auf wichtige Entscheidungsprozesse Einfluss zu geben.
Verflechtung von Interessenverbänden und Parteien
Wie in der Politikwissenschaft der BRD festgestellt wird, geht die Verflechtung von Interessenverbänden und Parteien so weit, dass es »heute zur Regel geworden (ist), dass bei grundlegenden Gesetzentwürfen die betreffenden Verbände bereits vom zuständigen Minister gehört werden, bevor die Vorlage in das Parlament gelangt« [15/37].
Die Weichen für die politische Richtungsentscheidung werden gestellt, lange bevor sich die Parteien mit den Problemen befassen. Allerdings führten tiefgehende Meinungsverschiedenheiten wiederholt zu lang dauernden Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, bis sich jene Kräftegruppe durchsetzte, die über die Mehrheit im Parlament verfügte, oder bis ein Kompromiss gefunden wurde.
In internen Verhandlungen zwischen Unternehmerverbänden, Parteien beziehungsweise Parlamentsfraktionen und Regierungsstellen wird ein Gesetzentwurf »verbandsfest« [16/38] gemacht, das heißt als Kompromiss formuliert, der schließlich von allen Beteiligten getragen und danach kaum noch in Frage gestellt wird.
Wechselwirkung zwischen Monopolkapital und Parteien
Wichtige und regelmäßig praktizierte Formen der Wechselwirkung von Monopolkapital und Parteien sind Einflussnahmen über formelle Kontakte, Absprachen zu speziellen Projekten, Stellungnahmen und Gutachtertätigkeiten. Diese Formen ermöglichen den direkten Kontakt von Parteien und Verbänden.
Hierbei wirken Wissenschaftler und Lobbyisten der Konzerne und Monopolverbände und einzelner Forschungseinrichtungen in die Parteien. Andererseits stellen Parteipolitiker, beispielsweise in Kenntnis der Gesetzgebungsvorhaben und sachpolitischer Zusammenhänge, ihr Wissen dem Monopolkapital zur Verfügung.
Personelle Durchdringung von Parteien und Arbeitskreisen
Ein weiteres Mittel im Zusammenwirken von Parteien und Unternehmerverbänden besteht in der personellen Durchdringung von Parteien, besonders der Parlamentsfraktionen und der für Unternehmen interessanten Arbeitskreise. Diesem Bestreben der Verbände kommt das Interesse der Parteien entgegen, Verbandsvertreter als Experten für wichtige Sachgebiete zu gewinnen, die vor allem in den sachbezogenen Bundestagsausschüssen (etwa für Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt, Technologie und Energie) konzentriert wirksam werden.
Finanzelle Zuwendungen an Parteien und Politiker
Vor allem die immer wieder bekannt werdenden finanziellen Zuwendungen von Unternehmen an Parteien und einzelne Politiker verdeutlichen das Geflecht von Profitsicherung, Machtausübung und Korruption im Verhältnis von Kapital und Politik {…}. So besteht eine Methode der Einflussnahme von Unternehmerverbänden auf systemtragende Parteien im Einsatz von Geldmitteln oder geldwerter Leistungen für die Parteien. In einer BRD-Publikation heißt es dazu:
»Wichtig scheinen hier vor allem die von Industrie- und Arbeitgeberverbänden getragenen Fördergesellschaften, die Geld sammeln und nichtsozialistischen Parteien zuleiten. Daneben erheben offenbar auch einzelne Verbände noch Sonderumlagen von ihren Mitgliedern, um – so der Verband der metallverarbeitenden Industrie – die politischen Kräfte zu unterstützen, die der ›Agitation linker Kreise gegen das Unternehmertum‹ entgegentreten. Zu unterscheiden hat man ferner zwischen der Unterstützung ganzer Parteien und der gezielten Förderung bestimmter Politiker, Teilorganisationen und Publikationen.« [17/39]
Gerade die Unternehmerspenden an die Parteien sind es, die zu gehäuften Rechtsbrüchen führten, da viele Unternehmen als Spender im dunkeln bleiben möchten und sich der mit den Spenden verbundenen Steuerpflicht zuungunsten des Staatshaushaltes entziehen wollen. Eine Folge davon sind Finanzskandale, Rücktritte von Politikern und Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung.
Jedoch sind bei den Großspenden an die Parteien nicht die damit ausgelösten öffentlichen Skandale von Interesse. Sie müssen vielmehr unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, welche Ziele mit den Spenden verfolgt werden. Die Geldspende der Unternehmer ist Anreiz für die Parteien, die Interessen des Spenders durchzusetzen, und dies um so mehr, da das Grundgesetz Spenden an Parteien als eine geläufige Form zulässiger Interessenwahrnehmung akzeptiert. [18/40]
Mit Geld unterstützte Einflussnahme
Die mit Geld unterstützte politische Einflussnahme der Unternehmer und ihrer Verbände auf die Parteien verfolgt verschiedene Ziele:
– Stärkung derjenigen bürgerlichen Parteien, die für die staatsmonopolistische Herrschaftssicherung besonders günstig erscheinen, woraus sich auch eine gewisse Priorität bei der Spendenvergabe ergibt. Generell erhalten CDU, CSU und FDP mehr, {…};
– Beeinflussung der allgemeinen programmatischen Orientierung der Parteien und ihre Politik, vor allem auch bei konkreten Sachentscheidungen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Partei in einer Regierungs- oder Oppositionsposition befindet;
– Mitsprache bei der Kandidatenaufstellung, um eigene oder besonders verbundene Kräfte in die Parlamente zu bringen.<
>Obwohl die Spendenzuführungen an die Bundestagsparteien von Jahr zu Jahr schwanken – teils weil Spenden von Wahlkämpfen abhängig gemacht werden und teils wegen einer Spendenzurückhaltung infolge staatsanwaltlicher Ermittlungen bei Steuerhinterziehungen -, sind dennoch die Spenden an Parteien kontinuierlich angestiegen. –
Für den Zeitraum von 1968 bis 1986 lassen sich nach offiziellen Angaben, die allerdings auch in der BRD-Literatur für zu niedrig gehalten werden, folgende Geldsummen errechnen:
CDU 529.996.138,27 DM [ca. 530 Millionen]
CSU 173.556.339,96 DM [ca. 174 Mio.]
FDP 148.685.783,99 DM [ca. 149 Mio.]
SPD 218.532.542,20 DM [ca. 219 Mio.]
[Spendenzuführungen von 1968 bis 1986]
Nach der Übersicht [19/41] haben diese Parteien in den Jahren von 1968 bis 1986 die Summe von 1.069.770.804,42 DM [ca. 1,07 Milliarden] an Spenden eingenommen. CDU und CSU haben zusammen den größten Anteil an Unternehmerspenden erhalten. Somit geht auch aus den Unternehmerspenden hervor, welchen politischen Stellenwert das Monopolkapital den einzelnen Parteien zuweist.<
Kooperationsbereitschaft – »Spielregel der bürgerlichen Demokratie«
>Die Kooperationsbereitschaft von Parteipolitikern, ihre Mitarbeit in Gremien des Monopolkapitals ergibt sich aus dem Platz der jeweiligen Partei im staatsmonopolistischen Herrschaftssystem und gilt gemeinhin als eine selbstverständliche »Spielregel der bürgerlichen Demokratie«. In der täglichen Praxis hat die Zusammenarbeit mit dem Monopolkapital beziehungsweise den Verbänden vielerlei Formen. Eine davon ist die Personalunion von wirtschaftlicher und politischer Funktion; allerdings kommt das nicht häufig vor, da es die Unternehmer in der Regel vorziehen, im Hintergrund zu bleiben und politische Funktionen anderen Kräften zu überlassen.
Nur einige Unternehmer, Topmanager sowie Vertreter von Unternehmerverbänden werden persönlich in politischen Funktionen tätig, beispielsweise als Abgeordnete, Staatssekretäre, Minister und Mitglieder in Parteiführungen. In Personalunion waren im 7. Bundestag 29, im 8. Bundestag 23 und im 9. Bundestag 25 Unternehmerverbände direkt vertreten. Sie teilten sich auf die Fraktionen im 9. Bundestag wie folgt auf: In der CDU/CSU-Fraktion waren 21 Mitglieder zugleich Vertreter von Unternehmerverbänden und in der SPD- und FDP-Fraktion je 2 Mitglieder. [20/42] Etwa 9 Prozent aller Bundestagsabgeordneten vertreten als Repräsentanten von Unternehmer- und Mittelstandsverbänden direkt Kapitalinteressen; dies sind bei der CDU/CSU-Fraktion 15 Prozent, in der FDP-Fraktion 10 Prozent und in der SPD-Fraktion1 Prozent. [21/43]
Obwohl die Abgeordneten, die direkt aus Unternehmen kommen, naturgemäß die Minderheit sind, kamen bei der Wahl 1987 auf der Landesliste gut abgesicherte Vertreter aus großen Wirtschaftszweigen und politisch einflussreichen Verbänden in den 11. Bundestag. Untersuchungen in der BRD zur Verbindung von Konzernen und politischer Tätigkeit kommen zu folgendem Ergebnis:
»Insbesondere Großkonzerne wie BASF, Siemens u. a. stellten und stellen für die Übernahme politischer Mandate Mitarbeiter von der Arbeit frei. 1982 waren das bei Siemens immerhin 529, von denen 3 im BRD-Bundestag, 3 in Landtagen, 498 in Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksräten und 25 als Bürgermeister arbeiten. Bei BASF bekleideten immerhin 315 Beschäftigte politische Mandate.« [22/44]
Überträgt man diese nicht vollständige Auflistung auf die Länderparlamente, so erhält man ein dichtes Gespinst, in dem Parteien, Monopolkapital und Verbände ihre Interessen miteinander abstimmen und somit wesentliche Vorentscheidungen für politisches Handeln treffen.
Welche gewaltige ökonomische Macht hinter dieser Verflechtung von Monopolen, Staat und Parteien steht, wird deutlich, wenn man die Kapitalkonzentration berücksichtigt. So kontrollieren in der BRD »etwa 600 Personen, das sind 0,001 Prozent der Bevölkerung, über 80 Prozent des Kapitals aller Aktiengesellschaften, erzielen 0,25 Prozent aller kapitalistischen Unternehmen mehr als 70 Prozent des Gesamtumsatzes der Industrie.« [23/45]
Über die Spitzenverbände des Monopolkapitals, über ein ganzes Heer von Lobbyisten am Ort der Regierung wie des Bundestages – übrigens auch der Länderregierungen und -parlamente -, ferner über direkte Vertreter in der Regierung und in den Parlamenten sowie durch Repräsentanten in den staatstragenden Parteien übt das Monopolkapital politische Macht aus, wird ökonomische Macht zu politischer Macht. Diese direkte und besonders enge Verflechtung aller Kreise des Kapitals, vor allem aber des Monopolkapitals, mit dem Staat und den staatstragenden Parteien bildet die Basis für die Regierungspolitik.<
[Ein modifizierter Auszug.]
Anmerkungen
1/23 Zum Problem der staatsmonopolistischen Verflechtung und Monopolisierung siehe Heinz Jung: Deformierte Vergesellschaftung, S. 373-379.
2/24 Bekanntmachung der öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertreter. In: Bundesanzeiger, Nr. 184a vom 28. September 1984. – Emil-Peter Müller: Daten zur Struktur des XI. Deutschen Bundestages. In: Beiträge zur Gesellschafts- und Bildungspolitik. Hrsg. Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, 10/1987, S. 51. – Zur politischen Rolle der Monopolverbände und zu ihrem Einfluss auf Regierung und Parlament siehe Karl-Heinz Röder (Hrsg): Das politische System der BRD, S. 126-134, 372.
3/25 »Lobby« bezeichnete zunächst die Warte- und Vorhalle des Parlaments, in der Nicht-Parlamentarier Abgeordnete treffen können. Heute wird unter Lobby der Interessenten-Einfluss auf Abgeordnete wie überhaupt der Einfluss auf staatliche Entscheidungsinstanzen verstanden. In Bonn [Berlin] gibt es mehrere tausend Personen, zu deren Aufgaben die Einflussnahme auf alle Abgeordneten und staatlichen Dienststellen gehört.
4/26 Zahlenangaben aus Michael Krausz: Die geflickte Republik – Aktuelles zu Macht und Herrschaft der Monopolverbände. In: Marxistische Blätter, 1/1985, S. 79.
5/27 Heinz Jung: Deformierte Vergesellschaftung, S. 374.
6/28 Siehe R. Fjodorow: Die anonyme Macht, Moskau 1976, S. 238.
7/29 Zusammengestellt nach BDI Jahresbericht 1982/84. Vorgelegt der 35. ordentlichen Mitgliederversammlung am 14. Mai 1984 in Bonn, S. 229-253, und nach dem Jahresbericht 1984/86 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V., vorgelegt der 38. ordentlichen Mitgliederversammlung am 24. November 1986 in Köln, S. 269-289. – In den Jahren 1949/58 hat der BDI nicht weniger als 82,8 Prozent seiner Eingaben an Ministerien und Bundesämter, aber nur 7 Prozent an den Bundestag und den Bundesrat gerichtet. In den Jahren 1972/1973 sind diese Proportionen nicht geändert worden: 84,3 Prozent wurden an Bundesämter und auswärtige Dienststellen gerichtet, aber nur 3,9 Prozent an den Bundestag. Siehe Wolfgang Rudzio: Die organisierte Demokratie – Parteien und Verbände in der Bundesrepublik, Stuttgart 1977, S. 36.
8/30 Zum Begriff Labilität siehe Hans Heinrich Angermüller und Hellmuth Kolbe (Gesamtredaktion): Monopolmacht in der Krise, S. 10f., 21-40.
9/31 Horst von der Meer: Politische Rolle und Funktion der Monopolverbände in der BRD. In: IPW-Forschungshefte, 2/1983, S. 78.
10/32 Bernt Engelmann: Das ABC des großen Geldes, Berlin 1986, S. 122.
11/33 Friedrich Wilhelm Christians: Unternehmer und Gesellschaft, Köln 1982, S. 9, 12, 14. – Der BDI forderte beispielsweise im September 1982 einen rasch einschneidenden finanz- und wirtschaftspolitischen Kurswechsel. BDI Pressemeldung (Köln), 7. September 1982. – Rolf Rodenstock: Voraussetzungen für einen Wirtschaftsaufschwung. In: Vortragsreihe des Instituts der deutschen Wirtschaft (Köln), Nr. 3 vom 18. Januar 1983. Nach den Bundestagswahlen 1983 sind diese Forderungen bekräftigt worden. Rolf Rodenstock: Strategien für die Zukunft. In: Vortragsreihe des Instituts der deutschen Wirtschaft, Nr. 41 vom 11. Oktober 1983. – Über die Interessenlage der Unternehmer beim Regierungswechsel 1982 siehe Michael Krausz: Die geflickte Republik – Aktuelles zu Macht und Herrschaft der Monopolverbände. In: Marxistische Blätter, 1/1985, S. 79-82.
12/34 Siehe Helmut Kohl: Regierungserklärung. In: Deutscher Bundestag. Stenographischer Bericht, 121. Sitzung (Bonn), 13.10.1982, S. 7282-7218. – Ebenso äußerte sich Helmut Kohl in einer Rede vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) am 8. Februar 1983 in Bonn. In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Bonn), Nr. 19 vom 17. Februar 1983, S. 177.
13/35 Autorenkollektiv: Der Staat im staatsmonopolistischen Kapitalismus der Bundesrepublik. Empirische Analysen, Fakten. Beiträge des IMSF 6/II, Frankfurt am Main 1982, S. 427.
14/36 Siehe Rolf Rodenstock: Macht und Verantwortung der Verbände in der Demokratie. Vortrag anlässlich der »Pyrmonter Unternehmergespräche« am 22. März 1976 in Hannover, S. 3, 10, 12.
15/37 Peter Alexander Philipp: Die Offenlegung des Einflusses von Interessenverbänden auf die Staatsbildung in der BRD. Dissertation, (Bonn) 1974, S. 219.
16/38 Wolfgang Rudzio: Das politische System der Bundsrepublik Deutschland, 2. Auflage, S. 89.
17/39 Ebenda, S. 91.
18/40 So ausdrücklich festgestellt im Bericht zur Neuordnung der Parteienfinanzierung. In: Bundesanzeiger, 1983, S. 192.
19/41 Errechnet nach den von den Parteien seit 1968 publizierten Finanzberichten. Bis 1982 wurden sie im Bundesanzeiger und ab 1983 in den Druckwerken des Bundestages veröffentlicht.
20/42 Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1982. Verfasst und bearbeitet von Peter Schindler. Hrsg.: Presse- und Informationsamt des Deutschen Bundestages, Bonn 1983, S. 204.
21/43 Zahlen aus Peter Lösche: Wovon leben die Parteien? Über das Geld in der Politik, Frankfurt am Main 1984, S. 57.
22/44 Michael Krausz: Die geflickte Republik – Aktuelles zu Macht und Herrschaft der Monopolverbände. In: Marxistische Blätter, 1/1985, S. 78.
23/45 Karl-Heinz Röder: Ein Lehrstück über den staatsmonopolistischen Kapitalismus. In: Einheit, Berlin, 12/1984, S. 1071.
Quelle: Ein Handbuch. Parteien in der BRD. Dietz Verlag Berlin 1989. Herausgegeben vom Institut für Internationale Politik und Wirtschaft. Vgl.: 1.2. Wechselbeziehungen von Monopolkapital und Parteien.
01.12.2011, Reinhold Schramm (Bereitstellung)