Alvaro Cunhal: Die sechs grundlegenden Charakterzüge einer Kommunistischen Partei
Alvaro Cunhal: Die sechs grundlegenden Charakterzüge einer Kommunistischen Partei
Im Einleitungskapitel unterzieht Alvaro Cunhal die Bedeutung der Oktoberrevolution und der Erfahrungen im Aufbau des Sozialismus im 20. Jahrhundert. Er verweist auf die Elemente, die zum Niedergang und Verschwinden der Sowjetunion geführt haben und schreitet zu einer Klassenanalyse, welche die internationale Korrelation der Klassenkräfte am Ausgang des Kalten Krieges bestimmt.
I. Kapitel
Das 20. Jahrhundert bleibt für immer geprägt durch die russische Revolution von 1917, die politische Macht des Proletariat und den geschichtlich erstmaligen dauerhaften Aufbau einer Gesellschaft ohne Ausbeuter und Ausgebeutete.
Schon vor der Oktoberrevolution kam es zu Auflehnungen, Aufständen und Revolten unter den Sklaven, Leibeigenen und anderen ausgebeuteten und unterdrückten Klassen. Aber in keinem Fall hatten diese Kämpfe das Ziel (geschweige denn die Aussicht auf die Möglichkeit), eine neue Gesellschaft aufzubauen, die zur Freiheit führen konnte.
Die Fälschungen der offiziellen Geschichtsschreibung, die verleumderischen und gewaltigen antikommunistischen Kampagnen, dazu die Verleugnung der eigenen Vergangenheit durch einige, zwingen die Kommunisten dazu, in Erinnerung zu rufen, was die russische Revolution von 1917 und der Aufbau der Sowjetunion waren und was sie bedeuteten. Wir müssen daran erinnern und festhalten, dass es sich um das wichtigste geschichtliche Ereignis des 20. Jahrhunderts und um eines der bemerkenswertesten der Menschheitsgeschichte handelt.
Auch daran ist zu erinnern, dass das Proletariat bereits 1871 mit der Commune de Paris, der direkten Vorläuferin der russischen Revolution, die Macht eroberte, und dass es den Aufbau einer neuen Gesellschaft begann, wobei die Massen ihren Heldenmut bewiesen.
Es ist daran zu erinnern, dass in Frankreichs Hauptstadt Paris während 102 Tagen die rote Fahne der Arbeiterklasse über dem Rathaus wehte. Zu erinnern an den Überfall der reaktionären Truppen, an die ungeheuerliche Repression, an das Massaker an 30.000 Kommunarden, an die Summe von 100.000 Ermordeten, Exekutierten und zur Zwangsarbeit Verurteilten.
Aber immerhin ist zu unterstreichen, dass die Bedeutung der Commune de Paris nicht darin liegt, dass sie der neuen Geschichte der Menschheit den Weg aufgetan hätte. Sie glich vielmehr der Morgenröte, welche die russische Revolution ankündigte. Die Oktoberrevolution machte faktisch die Bahn frei für ein neues Gesellschaftssystem ohne seinesgleichen in der Geschichte. Viele vergessen, dass dieses System als Alternative zum Kapitalismus während Jahrzehnten an Boden gewinnen konnte. Das sind Vorgänge, die für alle Zeit Anknüpfungspunkte und Werte im Kampf der Menschheit um die eigene Befreiung bleiben werden.
Der Aufbau des neuen Staates, ausgedrückt in der Losung „Alle Macht den Sowjets der Arbeiter, Bauern und Soldaten“, bedeutete die Errichtung der Volksmacht als Grundelement des Staats und einer Demokratie, welche „tausendmal demokratischer ist als die demokratischste aller bürgerlichen Demokratien“.
Auf dem Gebiet der Wirtschaft, und ausgehend von der Arbeiterkontrolle, wurden Grund und Boden, Fabriken, Minen, Eisenbahnen, Banken in Staats- und Volksbesitz überführt, was eine blitzschnelle Entwicklung auslöste.
Abgesehen von diesen Staatsbetrieben wurde mit der landwirtschaftlichen Kollektivierung auch die Agrarproduktion tief greifend umgestaltet, wobei den Sowchosen (staatliche Produktionseinheiten) und der Massenbewegung der Kolchosen (Genossenschaften) die entscheidende Rolle zukam.
Auf gesellschaftlicher Ebene wurden die Rechte auf Wohnung, medizinische Versorgung und Schulunterricht gesichert. Die Gleichberechtigung der Frauen wurde in der Tat anerkannt. Die kulturellen Einrichtungen wurden von der Beherrschung durch große Herren befreit.
Die Sowjetunion erzielte große Entdeckungen und Fortschritte in der Wissenschaft und den neuen und revolutionären Technologien, welche ihr gestatteten, neben dem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auch militärisch ein Potenzial zu erlangen, das die aggressive Politik des Kapitalismus jahrzehntelang in Schach hielt. Die Tatsache, dass ein Sowjetbürger der erste Mensch war, der sich von der Erdanziehungskraft löste und im Weltraum schwebte, veranschaulicht diesen spektakulären Erfolg.
Wichtig ist es auch, den Beitrag nicht zu vergessen, welchen die Sowjetunion an die Entwicklung des Kampfs der Werktätigen und der Völker der ganzen Welt geleistet hat, ebenso an neue sozialistischen Revolutionen, an die Eroberung fundamentaler Rechte der Lohnabhängigen in den kapitalistischen Ländern, an die Entfaltung der nationalen Befreiungsbewegungen und – zum Preis von über 20 Millionen Leben (im Einsatz der Streitkräfte, in Konzentrationslagern, in gigantischen Massakern an der wehrlosen Bevölkerung) – um Hitlerdeutschland im Zweiten Weltkrieg niederzuwerfen, indem sie den entscheidenden Beitrag zur Rettung der Welt vor der faschistischen Barbarei erbrachte.
Die objektive Darstellung und Wertung dieser Tatsache genügt jedoch nicht. Es ist unerlässlich, zugleich eine kritische und selbstkritische Untersuchung der festgestellten negativen Aspekte, Fakten und Erscheinungen vorzunehmen.
Eine grundlegende Wahrheit ist, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten das Ergebnis einer Reihe von äußeren und inneren Umständen darstellt. Nicht beide von gleichem Einfluss. Gewichtiger waren die inneren Faktoren. Tatsache ist, dass sich beim Aufbau der neuen Gesellschaft eine zunehmende Entfernung von den Idealen und Grundsätzen der Kommunismus zeigte, ein fortschreitender Niedergang der Politik von Staat und Partei. Kurzum: es entstand ein „Modell“, welches, mit Gorbatschows Verrat, zur Niederlage und zum Zusammenbruch führte.
Das „Modell“, das da entstand, äußerte sich politisch in einer hohen Zentralisierung und Bürokratisierung der Macht, in einer administrativen Art des Herangehens an die politischen Entscheide, in der Intoleranz gegenüber der Meinungsvielfalt und gegenüber jeder Machtkritik, im Gebrauch und Missbrauch repressiver Methoden sowie in der Erstarrung der Theorie zum Kristall und Dogma.
Damit ist die politische Macht der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen kompromittiert. Kompromittiert ist die neue Demokratie. Kompromittiert die ökonomische Entwicklung, welche – gestützt auf Kampfbereitschaft und Willen des Volkes – in den ersten Jahrzehnten der Sowjetunion einen schwindelerregenden Rhythmus erreichte. Kompromittiert ist der dialektische, kreative und schöpferische Charakter der revolutionären Theorie, die notwendigerweise Antworten auf die Veränderungen der Realität und die praktischen Erfahrungen zu geben hat.
Die Prüfung sowohl der historischen Errungenschaften wie dieser verhängnisvollen Ereignisse, und gleichermaßen die Prüfung der Erfahrungen der internationalen kommunistischen Bewegung, stellt die kommunistischen Parteien vor die Notwendigkeit, die sozialistische Gesellschaft neu zu definieren, die ihr Ziel und das fundamentale Element ihrer Identität bildet.
Obwohl durch das sozialistische Lager und den Fortschritt des revolutionären Weltprozesses noch bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Schranken gewiesen, verzeichnete der Kapitalismus eine Entwicklung, die ihn am Ende des Jahrhunderts die Überlegenheit im Weltmaßstab erlangen ließ.
Zwei Faktoren waren für das Eintreten dieser Lage bestimmend.
Einerseits das Verschwinden der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten, die Schwächung der internationalen kommunistischen Bewegung und der nationalen Befreiungsbewegung, die Rückbildung von revolutionären Prozessen.
Andrerseits die Entwicklung des Kapitalismus auf den Gebieten der Produktion, der Wissenschaft und Forschung, der revolutionären Technologien und der militärischen Schlagkraft.
Als Resultat davon trat am Ende des 20. Jahrhunderts eine Umkehr des Kräfteverhältnisses ein, was dem Imperialismus gestattete, eine gigantische Offensive auszulösen, die darauf abzielt, seine absolute Herrschaft auf dem ganzen Planeten zu erreichen.
Während mehr als drei Vierteln des 20. Jahrhunderts unterlag die Entwicklung einer allgemeinen Tendenz zum Fortschreiten des Sozialismus und des Befreiungskampfs der Völker.
Eine Umkehrung dieser Tendenz ergab sich in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts. Diese Veränderung des Kräfteverhältnisses war es, die es dem Kapitalismus erst möglich gemacht hat, eine „globale“ Offensive zu entfesseln.
Alvaro Cunhal schält die materiellen Bedingungen und die Wesenszüge der gegenwärtigen imperialistischen Offensive heraus, nennt ihre Ziele, Mittel und Machenschaften, und gibt wichtige Hinweise auf die vielfältigen Gegenkräfte, die dieser Offensive notwendigerweise erwachsen, und die daherige Breite des ideologischen Spektrums innerhalb des antiimperialistischen Lagers.
II. Kapitel
Die derzeit im Gange befindliche imperialistische Offensive
hat das erklärte und angekündigte Ziel, auf der ganzen Welt die absolute Herrschaft des Kapitalismus als einziges, universelles und endgültiges System durchzusetzen.
Dies ist der grundlegende Zweck der Theorie von der so genannten „Globalisierung“.
Es handelt sich um die grösste Gefahr und um die unheilvollste Bedrohung, der die Menschheit im Laufe ihrer langen Geschichte jemals gegenüber stand.
Sicher haben sich einige Aspekte und Elemente der objektiven Entwicklung des Kapitalismus schon früher dessen Tendenz zum Griff nach der Welt bestätigt. Dies war der Fall bei der Internationalisierung der Produktionsprozesse, ebenso bei den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen, in der sozialen Information und Kommunikation, oder in der Schaffung von Zonen der wirtschaftlichen Integration.
Gewiss ist auch, dass der Imperialismus schon vordem, im Kampf um die „Aufteilung der Welt“, über die Waffen von Militärinterventionen und Kriegen verfügte.
Die „globale“ Offensive ist hingegen eine andere Sache. Gestützt auf die USA als grundlegende und vorherrschende Macht, entfaltet sich die gegenwärtige Offensive an allen Fronten.
Waffen der ökonomischen Offensive sind:
• die Schaffung von gewaltigen Gruppen von internationalen Unternehmen;
• verschiedene Organe mit wachsender Vollmacht zum „legalen“ Aufzwingen von Regeln und Politiken (FMI, WTO, Weltbank);
• die Besitzergreifung der Ressourcen und strategischen Sektoren schwächerer Länder;
• Kreditkürzungen;
• Fassung von wirtschaftspolitischen Beschlüssen durch überstaatliche Organe für Mitgliedstaaten von Zusammenschlüssen mit bundesstaatlichem Charakter;
• finanzielle Würgemaßnahmen und wirtschaftliche Blockade zum Zweck der Niederzwingung von Ländern, welche sich der Offensive widersetzen.
Zonen wirtschaftlicher Integration verwandeln sich in Zonen politischer Integration, mit überstaatlichen Organen, mit überstaatlichen Ministern, mit tatsächlicher Unterwerfung der ärmeren und weniger entwickelten unter die reicheren und mächtigeren.
Dieser Prozess spitzt viele der Widersprüche des Kapitalismus zu. Eines seiner Elemente ist die Ausbreitung selbst in entwickelten kapitalistischen Ländern, von Teilen der Gesellschaft, die in äußerer Armut leben, und in unterentwickelten Ländern der Hungertod, der millionenstarke Völker zum Aussterben bringt.
Gleichzeitig spitzt sich die Konkurrenz zu, und es entsteht die Möglichkeit schwerer Konflikte zwischen den gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Machtzentren, auch unter den reichsten und mächtigsten. Allerdings (– und darin liegt ein neuer, unterschiedlicher Zug –) integrieren sie sich alle in die „ globale“ Offensive.
Bezeichnend für die großen Entwürfe und Pläne ist das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI). Nach dessen Entwurf könnten die vereinigten großen Potentaten von Wirtschaft und Finanz, mit der notwendigen militärischen Hilfe, ein Land nach dem anderen zur Einführung vorgeschriebenen Ausbeutungsformen oder zur Auslieferung vitaler Wirtschaftszweige zwingen, das Schicksal des investierten Kapitals bestimmen und Marionettenregierungen verpflichten, durch wirksame Unterdrückungsmaßnahmen die eventuellen Kämpfe und Revolten der Werktätigen und der jeweiligen Völker zu zermalmen.
Das MAI ist eine Art Verfassungsentwurf des Imperialismus in seiner „globalen“ wirtschaftlichen und politischen Offensive.
Bekanntlich hat das Projekt, das unter dem Schutz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands ausgearbeitet wurde, bei seiner Bekanntgabe eine derart breite Ablehnung und Empörung ausgelöst, dass es aus der unmittelbaren Beratung zurückgezogen werden musste. Aber tatsächlich wird der Entwurf aufbewahrt, um später wieder auf den Tisch zu kommen.
Daneben, und manchmal als direktes Mittel der Wirtschaftsoffensive (die eng mit der politischen und diplomatischen Aktivität gekoppelt ist), stützt sich die militärische Offensive auf das Mittel der dominierenden Überlegenheit der Bewaffnung, namentlich der USA und der NATO als autonome supranationale Macht, die aber effektiv auch durch die USA dominiert und kommandiert wird.
Der militärischen Offensive dienen:
• Ultimaten,
• Bombardierungen,
• bewaffnete Interventionen,
• Aufrüstung und Schürung von rebellischen Kräften gegen demokratische Regierungen,
• Interventionen zur Einsetzung von tyrannischen Regierungen und Marionettenregierungen,
• Aggressionen und Kriege gegen Länder, die sich der Beherrschung durch die USA und andere imperialistische Länder mutig widersetzen,
• Attentate von terroristischen Organisationen und
• militärische Aktionen des Staatsterrorismus.
Hinzu kommt die Ungeheuerlichkeit der Aufrichtung eines internationalen politischen Gerichtes unter dem Kommando des Imperialismus, um herausragende Verteidiger eines Landes oder eines Volkes zu richten und Strafurteile bis zu lebenslänglichem Zuchthaus zu fällen.
Dazu kommt die gigantische Verschmutzung der Atmosphäre, der Flüsse und Ozeane durch die höher entwickelten Länder und der Raub und die Zerstörung der natürlichen Ressourcen der zurückgebliebenen Länder. Sie hat die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts in ausgedehnten Regionen des Erdballs zur Folge.
Alle diese Aspekte der Offensive erreichen ein nie zuvor gekanntes Ausmass und bilden Bestandteile des Prozesses der weltweiten Integration der imperialistischen Kräfte in ihrer „globalen“ Offensive.
Als Perspektive proklamiert der Imperialismus seine Offensive für unaufhaltsam und unumkehrbar und verkündet die Stabilität und die endgültige Stabilisierung des Systems. Auf dem ideologischen Gebiet kündigt er die Universalisierung des Denkens, das Ende der Ideologien und das „einheitliche Denken“ an.
Aber die Offensive ist nicht unaufhaltsam und unumkehrbar. Und mit jenen Begriffen, die von der Propaganda verbreitet werden, erliegt der Imperialismus schließlich dem Versuch zur Selbsttäuschung. Anders gesagt: beim erklärten, tollkühn anmaßenden Ziel handelt es sich um die gegenwärtige Utopie des Kapitalismus.
Utopie einerseits, weil der Kapitalismus durch seine eigene Natur von Widersprüchen und Problemen zernagt wird, die er nicht überwinden kann. Utopie andrerseits, weil Kräfte existieren, die ihm in den Weg treten, Widerstand leisten und die bei ihrem weiteren Erstarken verhindern können, dass der Imperialismus sein Ziel erreicht.
Diese Kräfte sind:
• Die Länder, in denen die Kommunisten an der Macht sind und welche am Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft festhalten, wenn auch auf sehr unterschiedlichen Wegen.
• Die Arbeiterbewegung und namentlich die Gewerkschaftsbewegung.
• Die kommunistischen Parteien und andere revolutionäre Parteien, die mit Vertrauen und Mut kämpfen.
• Die potenziellen Widerstandskräfte aus kapitalistischen Ländern, die gegenwärtig vom Imperialismus ausgebeutet werden, und die nationale Unabhängigkeit effektiv verlieren
• Junge nationale Befreiungsbewegungen
• Bewegungen zur Verteidigung der Umwelt und solche gegen die Macht und die Entscheide der reichsten Länder oder gegen die „Globalisierung“ überhaupt.
Sie bilden zusammen die grundlegenden Kräfte, um die Weltherrschaft des Imperialismus zu verhindern. Die Einsicht hierein genügt noch nicht. Unerlässlich ist eine entsprechende Handlungsweise. Notwendig ist die Stärkung dieser Kräfte und der Kampf für ihre gleichzeitige und zusammenlaufende Wirksamkeit.
Darin besteht der einzige Weg,
um das Voranschreiten der Offensive des Imperialismus zu bremsen, zu erschweren und zu verhindern und die Vorbedingungen dafür zu schaffen, dass die Offensive schließlich zum Scheitern gebracht, und eine Umschwung in der internationalen Lage herbeigeführt wird.
Hier ist in Erinnerung zu rufen, dass der Imperialismus sich nicht auf den direkten Angriff an seinen verschiedenen Fronten beschränkt. Er versucht aktiv, die Widerstandskräfte zu spalten, sie von innen her zu unterminieren, sie zum Aufgeben des Kampfs, zur Selbstzerstörung und zum Selbstmord zu verleiten.
In einigen Fällen hat er das geschafft. In zahlreichen anderen Fällen lässt sich das Gegenteil feststellen: die Stärkung dieser Kräfte, ihre Neubelebung und die Steigerung ihres Einflusses und ihrer Initiative.
Es ist wichtig, dass man die Beispiele, welche diese Einschätzung bestätigen, überall verbreitet, hervorhebt und würdigt.
Im 3. Kapitel werden die heutigen Bedingungen und mittelfristigen Zielsetzungen, des Kampfes um Demokratie und Fragen der Bündnispolitik analysiert.
III. Kapitel
Das Ziel der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft schliesst keineswegs aus, dass eine kommunistische Partei kurz- und mittelfristige Ziele anstrebt und Lösungen als Alternativen zur bestehenden Lage vorschlägt. Aber Vorsicht. Die Lageanalyse und die Festlegung einer Politik muss von den Grundtatsachen des Kapitalismus ausgehen, die ihre Entsprechung in den grundlegenden Konzepten der revolutionären Theorie des Proletariats finden:
• die Spaltung der Gesellschaft in Ausbeuter und ausgebeutete Klassen
• der Klassenkampf
• die Klassenpolitik der Regierungen.
Es handelt sich um Realitäten und um Konzepte, deren Entdeckung wir nicht Marx und Engels, sondern früheren Ökonomen und Philosophen verdanken. Das Neue am Marxismus ist die Analyse der konkreten ökonomischen und politischen Verhältnisse unter Zugrundelegung dieser Konzepte.
Gewiss, in vorrevolutionären und anderen Lagen, in denen sich ein vorläufiges Gleichgewicht zwischen den Klassenkräften einstellt, kann unter bestimmten Bedingungen der Fall eintreten, wo die politische Gewalt umständehalber keine Politik im Dienst des Kapitals durchführt. Sie kann sogar fortschrittliche Massnahmen mit antikapitalistischem Charakter verwirklichen. Das sind allerdings Situationen mit Ausnahmecharakter und von kurzer Dauer.
Es ist nicht der Fall der kapitalistischen Länder mit bürgerlicher Demokratie. In diesen Ländern fälscht die politische Gewalt die Demokratie in ihren vier Richtungen:
Die wirtschaftliche Demokratie – durch das Eigentum des Großkapitals an den grundlegenden Wirtschaftszweigen und durch die Unterwerfung der politischen Gewalt unter die ökonomische.
Die soziale Demokratie – durch die Ausbeutung und das Elend der werktätigen Bevölkerungsmassen und die Konzentration des Reichtums in einer beschränkten Zahl von Riesenvermögen.
Die kulturelle Demokratie – durch die Propaganda der Ideologie des Großkapitals, durch ein Schulsystem, das die Kinder der lohnabhängigen Klassen diskriminiert, durch Propaganda von abergläubischen Ideen, durch Angriffe auf das künstlerische Schöpfertum, durch Vervielfältigung von religiösen Sekten.
Die politische Demokratie – durch Missbrauch und Verabsolutierung der Gewalt und Auflösung bestehender Organe und Mechanismen, welche der demokratischen Kontrolle der Machtausübung dienen, durch verfassungswidrige Abweichungen von Legalität und Kompetenzen der Organe der Souveränität, falls es sich erweist, dass geltende Gesetze dem Großkapital nicht ausreichen, um seine Herrschaft absolut auszuüben. Und diese gesamte Rückbildung der Demokratie schreitet unter den Vorwänden der erforderlichen „Stabilität“ und des „Rechtsstaates“ voran.
Die Rückbildung der politischen Demokratie bringt mit sich die spektakulären und theatralischen Auftritte auf der Parlamentsbühne, den Karrierismus, die Straflosigkeit verbunden mit der Korruption und provoziert damit den Zerfall des Vertrauens in Politik und Politiker.
Indessen bleibt die Politik eine notwendige Beschäftigung, und die Kommunisten und andere wahre Demokraten sind anders und besser in der politischen Praxis, sie unterscheiden sich von der diskreditierten sogenannten „politischen Klasse“.
Die gewaltigen Mittel der gesellschaftlichen Kommunikation (Zeitungen, Zeitschriften, Radio, TV, Audio-Video) sind Eigentum und Instrument der großen Monopolgruppen. Sie stellen keine neue unabhängige Gewalt dar, wie einige vorzugeben versuchen, sondern ein Werkzeug des Großkapitals in seiner herrschaftlichen Verbindung mit den Regierungen.
Da der Kampf um Demokratie ein zentrales Ziel der Kampfaktionen einer kommunistischen Partei bildet, ist es unerlässlich zu definieren, worin die Grundelemente dieser Demokratie bestehen sollen.
Von einer Regierungspolitik müssen Maßnahmen verlangt werden, die gleichzeitig nach allen Stoßrichtungen gehen und sich gegenseitig ergänzen. Es genügt nicht, wenn sich eine Regierung demokratisch nennt. Hier sind Taten einzufordern.
Notwendig ist ebenfalls, die Demokratie konkreter zu definieren, jene Demokratie zu bestimmen, um die man in einer konkreten Situation gerade kämpft. In einer gegebenen Lage, zu einem bestimmten Zeitpunkt kann zum Beispiel innerhalb des demokratischen Ringens dem Kampf zur Stärkung von Elementen der direkten Demokratie und Mitbestimmung neben der repräsentativen Demokratie ein besonderes Gewicht zukommen.
Die Wahlen gehören zu den Grundbausteinen eines demokratischen Regimes, aber als solches kann man sie nur betrachten, wenn die Gleichheit respektiert wird, und wenn Machtmissbrauch, Diskriminierungen und Ausschlüsse verhindert werden. Wo diese Bedingungen nicht erfüllt sind, werden Wahlen zu einem Betrug, zu einem Attentat auf die Demokratie und zu einem Werkzeug der Monopolisierung der Gewalt durch politische Kräfte im Dienste des Kapitals, die einander, manchmal im Abwechslungsverfahren, ablösen.
Eine „fortgeschrittene Demokratie”, für welche einige Parteien kämpfen, wird definiert als ein demokratisches Regime, welches fortschrittliche Errungenschaften von nichtkapitalistischem Charakter in die Hand nimmt (wie die Nationalisierung einiger Sektoren der Wirtschaft und die Auflösung des Großgrundbesitzes).
Egal, ob die Ziele des Kampfes um Demokratie in einem gegebenen Zeitpunkt in dieser oder einer anderen Form bestimmt werden, die Kommunisten dürfen und wollen sich nicht isolieren, und sie sind auch nicht isoliert.
Das Verständnis der Klassenkämpfe, als überall gegenwärtige Realität der Gesellschaft und als Motor der geschichtlichen Entwicklung, steht in keinem gegensätzlichen oder ausschliessenden Verhältnis zur Notwendigkeit von sozialen und politischen Bündnissen der Arbeiterklasse, der Lohnabhängigen und ihrer Partei zwecks Erreichung von konkreten unmittelbaren Zielen, unter Berücksichtigung der Klärung der politischen Kräfteverhältnisse, die in den Klassenbeziehungen und der Korrelation zwischen den Klassen und Schichten der Gesellschaft wurzeln. Demnach muss man, um korrekt zu bestimmen, welches die möglichen Bündnisse sind, erstens eine Bereinigung der objektiv betrachteten Klassenbündnisse im Konkreten vornehmen, und dann in einem zweiten Schritt wenn möglich feststellen, wie diese oder jene Klasse und soziale Schicht durch diese oder jene Partei vertreten wird, und von welcher sozialen Basis her sich diese oder jene Partei Unterstützung ausrechnet.
Es gibt keine übereinstimmende Situationen. Es mag in diesen und jenen Ländern zu vergleichbaren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zuständen kommen. Immer verbleiben aber Unterschiede, die nach unterschiedlichen Antworten verlangen. Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen und Rezepte. Die Kopie von Lösungen führt in Richtungen, die den Erfordernissen der konkreten Wirklichkeit nicht entsprechen.
große wissenschaftliche Entdeckungen und revolutionäre Technologien rufen tief greifende Änderungen in der Zusammensetzung der arbeitenden Klassen und in der sozialen Zusammensetzung der entwickelten Ländern überhaupt hervor. Die Bestimmung von sozialen Bündnissen als Basis für politische Bündnisse wird unter diesen veränderten Umständen ausgesprochen komplex.
Es bestehen in dieser Hinsicht sehr unklare Definitionen.
Im Rahmen ihrer Bündnispolitik und in zahlreichen bürgerlich-demokratischen Ländern haben demokratische Parteien, darunter namentlich kommunistische Parteien, eine „ linke “ Politik als ihr Ziel definiert.
Es gibt Fälle, bei denen in der Ausrichtung dieser Parteien das Wort „links“ eine Unterstützung oder Beteiligung an einer Politik der Rechten ausschließt. Es hat insofern eine klare und positive Bedeutung.
Indessen hat das Wort „Linke“ im politischen Wörterbuch unserer Tage in den meisten Ländern einen ungenauen Inhalt, ist voll von Unbekannten, widersprüchlich und stiftet objektiv Verwirrung. Als „Linksparteien“ und Teil der „Linken“ definieren sich häufig nebst antikommunistischen „linksextremen“ Parteien auch sozialistische und sozialdemokratische Parteien, die in ihrer politischen Tätigkeit die Sache der „ Rechten“ vertreten und praktizieren.
Dasselbe gilt für Regierungen, die sich als „links“ oder solche „der Linken“ titulieren. Die Erfahrungen zeigen, dass in einigen Fällen die Teilnahme von Kommunisten an Regierungen von sozialdemokratischen Parteien, die für Regierungen „der Linken“ gehalten werden, auf ihre Beteiligung in der Verwirklichung von Politiken der „Rechten“ hinaus lief.
Als Ziel zu definieren ist eine demokratische Politik in allen vier Stoßrichtungen; das ist der Kampf, den man führen muss. Man proklamiere keinerlei Politik, welche die Beteiligung (oder das Ziel sie zu erlangen) an sozialdemokratischen Regierungen einschließt, welche sich Regierungen „der Linken“ nennen, jedoch Werkzeuge des Großkapitals und der transnationalen Konzerne, der reichsten und mächtigsten Länder, der gegenwärtigen „globalen“ Offensive des Imperialismus sind, der seine Herrschaft auf dem ganzen Planeten durchsetzen will.
Dies ist auch der Fall der sogenannten „Stabilitätspakte“, welche von reformistischen Gewerkschaftsorganisationen und Parteien unterzeichnet, und worin grundlegende Rechte der Arbeitenden geopfert werden, um dem Kapitalismus zu einem Ausweg aus seiner gegenwärtigen Krise zu verhelfen.
Das ist nicht der Weg, den der Kampf der Lohnabhängigen, der Völker und Nationen gegenwärtig verlangt.
Es kommt den kommunistischen Parteien (und anderen revolutionären Parteien) zu, den erforderlichen Kurs gemäß den konkreten Bedingungen ihrer Länder zu bestimmen. Mit Überzeugung, mit Mut und mit ihrer kommunistischen Identität.
Im 4. Kapitel untersucht arbeitet der Autor 6 fundamentale Charaktermerkmale Merkmal heraus, welche die Identität einer Kommunistischen oder Arbeiterpartei ausmachen.
IV. Kapitel
Der Aktionsrahmen der weltweit vorhandenen revolutionären Kräfte hat sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verändert.
Die internationale kommunistische Bewegung und die Parteien, aus denen sie sich zusammensetzt, unterlagen tief greifenden Veränderungen im Ergebnis des Zusammenbruchs der UdSSR und anderer sozialistischer Staaten und des Erfolgs des Kapitalismus im Wettbewerb mit dem Sozialismus.
Es gab Parteien, die ihre kämpferische Vergangenheit, ihre Klassennatur, ihr Ziel einer sozialistischen Gesellschaft und ihre revolutionäre Theorie verleugneten. In einigen Fällen verwandelten sie sich in systemintegrierte Parteien und verschwanden schließlich von der Bildfläche.
Diese neue Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung eröffnete in der Gesellschaft ein Vakuum, in welches andere revolutionäre Kräfte nachgestoßen sind, die unter den konkreten Bedingungen ihres Landes in wichtigen und manchmal in grundsätzlichen Fragen von Ziel und Aktionen mit den Kommunisten übereinstimmten.
Wenn heute von der internationalen kommunistischen Bewegung gesprochen wird, lässt sich also, entgegen der Praxis früherer Zeiten, keinerlei Grenze zwischen kommunistischen und irgendwelchen anderen revolutionären Parteien aufrichten. Die kommunistische Bewegung hat eine Beweglichkeit in ihrer Zusammensetzung erfahren und neue Grenzen erhalten.
Diese Vorgänge bedeuten nicht, dass die Gesellschaft kommunistische Parteien mit der ihnen eigenen Identität nicht vermissen würde. Im Gegenteil, eben wegen der fundamentalen Charaktermerkmale ihrer Identität erwiesen sich die kommunistischen Parteien als notwendig, unverzichtbar und unersetzbar, wobei in Rechnung zu behalten ist, dass so wenig ein „Modell“ der sozialistischen Gesellschaft existiert, es auch kein „Modell“ einer kommunistischen Partei gibt.
Bei aller Unterschiedlichkeit der konkreten Antworten auf jede gegebene Situation, lassen sich dennoch sechs grundlegende, charakteristische Merkmale der Identität einer kommunistischen Partei aufzeigen, egal ob die Partei diesen Namen oder einen anderen trägt. Diese Charakterzüge liegen darin:
1. Eine von den Interessen, der Ideologie, von Druck und Drohungen der Kapitalkräfte völlig unabhängige Partei zu sein.
Es handelt sich um eine Unabhängigkeit der Partei und der Klasse, die für die Identität einer kommunistischen Partei ein konstitutives Element bildet. Diese Unabhängigkeit beweist sich in der eigenständigen Aktion, in den eigenen Zielen und der eigenen Ideologie.
Der Bruch mit diesen wesentlichen Charakterzügen stellt niemals ein Zeichen von Unabhängigkeit dar, sondern ist im Gegenteil ein Ausdruck des Verzichts auf dieselbe.
2. Eine Partei der Arbeiterklasse, der Werktätigen im Allgemeinen, der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu sein.
Je nach der sozialen Struktur in jedem einzelnen Land können auch die soziale Zusammensetzung der Parteimitgliedschaft und der sozialen Massenbasis der Partei große Unterschiede von einer Partei zur anderen aufweisen. Wesentlich ist in jedem Fall, dass eine Partei sich nicht in sich verschließt, dass sie sich nicht gegen innen kehrt, sondern sich eng an die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen bindet.
Indem sie dies außer Acht ließen, wurden einige Kräfte durch den Verlust ihrer Klassennatur in den senkrechten Absturz gezogen, andere zur Selbstzerstörung getrieben und zum Verschwinden gebracht.
Der Ersatz der Klassennatur der Partei durch die Konzeption einer „Bürgerpartei“ bedeutet Verschleierung der Tatsache, dass es unter diesen Bürgern Ausbeuter und Ausgebeutete gibt.
Und es läuft darauf hinaus, die Partei in eine neutrale Stellung gegenüber den Klassenkampf zu führen – was in der Praxis die Partei und die ausgebeuteten Klassen entwaffnet und die Partei in ein Werkzeug und Anhängsel der Politik der herrschenden Ausbeuterklassen verwandelt.
3. Eine Partei mit einem demokratischen Innenleben und einer einheitlichen zentralen Leitung zu sein.
Die innere Demokratie ist reich an Vorzügen, namentlich: die kollektive Arbeit, die kollektive Leitung, die Kongresse, Versammlungen und Debatten in der gesamten Partei zu grundlegenden Fragen der Orientierung und der politischen Aktion, die Dezentralisierung der Verantwortung, die Wahl der leitenden Organe der Zentrale und aller übrigen Organisationen.
Die Anwendung dieser Grundsätze muss in Übereinstimmung mit der politischen und historischen Lage erfolgen, in der eine Partei handelt.
Unter Bedingungen der Illegalität und Unterdrückung beschränkt sich die Demokratie durch zwingende Gründe des Selbstschutzes. In einer bürgerlichen Demokratie können die aufgeführten Vorzüge eine sehr weite und tiefe Anwendung erfahren, und es ist wünschbar, dass sie es tun.
4. Eine Partei zu sein, die zugleich internationalistisch ist und die Interessen ihres Landes verteidigt.
Im Gegensatz zu dem, was in einer bestimmten Epoche in der kommunistischen Bewegung vertreten wurde, besteht kein Widerspruch zwischen diesen beiden Elementen der Orientierung und Aktion von kommunistischen Parteien.
Jede Partei ist solidarisch mit den Parteien, den Werktätigen und den Völkern der anderen Länder. Aber sie ist ein überzeugter Verteidiger der Interessen und Rechte ihres eigenen Landes und Volkes. Der Ausdruck „patriotische und internationale Partei“ hat am Ende des 20. Jahrhunderts volle Aktualität. Man kann vom Standpunkt des Internationalisten den Kampf im eigenen Land als solidarischen Wert und Beitrag einschließen, ebenso wie man vom Standpunkt des Patrioten die solidarischen Beziehungen zu den Werktätigen und Völkern anderer Länder als Wert und Beitrag für das eigene Land einrechnen kann.
5. Eine Partei zu sein, die als ihr Ziel den Aufbau einer Gesellschaft definiert, die weder Ausgebeutete noch Ausbeuter kennt, einer sozialistischen Gesellschaft.
Dieses Ziel behält ebenfalls volle Aktualität. Aber die positiven und negativen Erfahrungen beim Aufbau des Sozialismus in einer Reihe von Ländern und die tiefen Veränderungen der weltweiten Lage zwingen zu einer kritischen Analyse der Vergangenheit und zu einer neuen Definition der sozialistischen Gesellschaft als Ziel der kommunistischen Parteien.
6. Trägerin einer revolutionären Theorie zu sein: des Marxismus-Leninismus, der nicht nur die Erklärung der Welt möglich macht, sondern auch den Weg zu ihrer Veränderung aufzeigt.
Alle verleumderischen antikommunistischen Kampagnen Lügen strafend, ist der Marxismus-Leninismus eine lebendige, antidogmatische, dialektische, schöpferische Theorie, die sich weiter anreichert durch die Praxis und durch die Antworten auf neue Situationen und Erscheinungen, die zu geben sie berufen ist. Sie treibt die Praxis dynamisch an und bereichert und entwickelt sich schöpferisch anhand der Lektionen der Praxis.
Marx im „Kapital“ und Marx und Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ analysierten und definierten die grundlegenden Elemente und Wesensmerkmale des Kapitalismus. Die Entwicklung des Kapitalismus unterlag indessen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer wichtigen Abänderung. Die Konkurrenz führte zur Konzentration und die Konzentration zum Monopol.
Lenin und seinem Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ verdanken wir die Definition des Kapitalismus am Ende des 19. Jahrhunderts.
Diese Entwicklungen der Theorie sind von außerordentlichem Wert. Und ebenso hoch zu veranschlagen ist der Wert der Erforschung und Systematisierung der theoretischen Erkenntnisse.
In einer Synthese von außerordentlicher Klarheit und Strenge erläutert ein berühmter Artikel von Lenin die „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“.
In der Philosophie, der dialektische Materialismus, der im historischen Materialismus seine Anwendung auf die Gesellschaft findet.
In der politischen Ökonomie, die Analyse und Erklärung des Kapitalismus und der Ausbeutung, und die Mehrwerttheorie, die den Eckstein zum Verständnis der Ausbeutung bildet.
In der Theorie des Sozialismus, die Definition der neuen Gesellschaft durch die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.
Im Lauf des 20. Jahrhunderts und in Begleitung der gesellschaftlichen Transformationen kamen zahlreiche neue theoretische Überlegungen hinzu. Jedoch breit gestreute und widersprüchliche Überlegungen, welche es schwierig machten zu unterscheiden, was theoretische Entwicklungen sind und wo es sich um revisionistische Abweichungen von den Grundsätzen handelt.
Daher die zwingende Notwendigkeit von Debatten ohne vorgefasste Meinungen und verabsolutierte Wahrheiten, wobei es nicht um die Suche nach Schlussfolgerungen geht, die für definitiv gehalten werden, sondern um die Vertiefung der gemeinsamen Reflexion.
Das internationale Treffen der Rodney Arismendi-Stiftung im September des laufenden Jahres wird hoffentlich einen positiven Beitrag zur Erreichung dieses Zieles leisten.
Álvaro Cunhal (1913 – 2005)
Ein Leben im Dienst der Werktätigen und ihrer Partei.
Álvaro Barreirinhas Cunhal hat einen großen Teil seines Lebens in der illegalen Arbeit, in faschistischen Kerkern und im Exil verbracht. Er wurde am 10. November 1913 in Coimbra als Sohn eines Rechtsanwalts und einer streng konservativen Mutter geboren. Im Alter von 17 Jahren trat der Jurastudent der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) bei. 1934 tauchte er in den Untergrund und wurde Generalsekretär der Kommunistischen Jugend. Als Teilnehmer am VII. Weltkongress der Komintern 1935 erstmals in der Sowjetunion. 1936 ins Zentralkomitee der PCP berufen. In den ersten Monaten des spanischen Bürgerkriegs begibt er sich für eine längere Mission nach Madrid. Bei seiner Rückkehr nach Portugal wird er 1937 von der politischen Polizei gefasst. Auf freiem Fuß, nimmt er die Parteitätigkeit wieder auf und wird 1940 verhaftet und bleibt erneut über ein Jahr im Gefängnis. Auch in seiner Gefangenschaft setze er die Arbeit fort, warb Parteimitglieder und verfasste die Broschüre “Wenn du gefasst wirst, Genosse” mit zahlreichen wichtigen Hinweisen zum Verhalten gegenüber der Geheimpolizei. Nach der Entlassung beteiligte er sich aktiv an der umfassenden Reorganisation der Partei am Anfang der 1940er Jahre. Im Oktober 1942 wurde er in das Sekretariat des Zentralkomitees berufen, dem er bis zur Verhaftung 1949 angehörte.
Die PCP wird eine große nationale Partei
In diesen Jahren hatte er einen aktiven Anteil an der gesamten Arbeit der Parteileitung: bei den Sicherheitsmaßnahmen, in der Schmiedung eines festen Kerns von Berufsrevolutionären, in der Schaffung eines technischen Apparates, in der Entwicklung der Organisation, in der Vorbereitung und Entwicklung von Arbeitskämpfen – namentlich in den großen Streikbewegungen der Jahre 1943 bis 47 – , in der Bildung der nationalen Einheit der antifaschistischen Bewegung, in der Redaktion der Parteipresse, in der Wiederaufnahme der 1939 unterbrochenen Beziehungen mit der kommunistischen Weltbewegung. Im März 1949 wurde der “camarada Duarte”, so sein damaliges Pseudonym, zusammen mit weiteren Genossen von der faschistischen Geheimpolizei festgenommen. Die schweren Foltern konnten ihn nicht brechen. Sie brachten ihn nicht zum Sprechen, und sie brachten ihn nicht zum Schweigen. Im Prozess 1950 schleuderte er den faschistischen Machthabern eine mutige Anklage entgegen, erklärte sich als “Adoptivsohn des Proletariats” und verteidigte die Politik der Partei. Er wurde verurteilt, blieb elf Jahre in Kerkerhaft, wovon acht in völliger Isolation. Der Ausbruch: Am 3. Januar 1960 gelang Alvaro Cunhal, zusammen mit einer Reihe von mitgefangenen Parteiführern der lang vorbereitete und abenteuerliche Ausbruch aus der Festung von Peniche. Das war ein schwerer Schlag für Salazar, der sogar zur Behauptung griff, ein sowjetisches U-Boot habe in der Nähe dieser Küstenstadt auf Cunhal gewartet. Im März 1961 wählte ihn das Zentralkomitee zum Generalsekretär der Partei, ein Posten, der seit dem Tod von Bento Gonçalves im Konzentrationslager Tarrafal (1942) vakant geblieben war. Am VI. Kongress der Partei, der 1965 stattfand, erstattete er den politischen Bericht des ZK und beteiligte sich entscheidend an der Ausarbeitung der grundlegenden Dokumente, namentlich des Parteiprogramms. Er beteiligte sich an Delegationen der PCP in sozialistische Länder und vertrat die Partei an Treffen der Bruderparteien und zahlreichen internationalen Konferenzen.
Der 25. April 1974: die Freiheit.
Fünf Tage nach dem Sturz des Faschismus am 25. April 1974 kehrt Alvaro Cunhal nach Portugal zurück und wird am Flughafen von den werktätigen Massen mit stürmischer Begeisterung empfangen. Er gehört den ersten vier provisorischen Regierungen als Minister ohne Portefeuille an, wird 1975 in die verfassungsgebende Versammlung und 1976 ins Parlament gewählt. Sein Amt als Generalsekretär behielt er bis 1992. Später verblieb er in verschiedenen Parteifunktionen und wurde wiederholt ins Zentralkomitee gewählt.
«Bis morgen, Genosse!»
Alvaro Cunhal hinterlässt auch ein – ob vom politisch-ideologischen oder vom literarischen Standpunkt aus bewertet – großartiges Werk unter seinem Pseudonym “Manuel Tiago”, darunter die Erzählung “Bis morgen, Genosse!”(1), ein wahres Epos des portugiesischen Proletariats und seines schweren Kampfes unter den Bedingungen der faschistischen Unterdrückung. (Und eine Fundgrube von konkretem Anschauungsmaterial für alle, welche die ideologischen Kämpfe innerhalb der kommunistischen Bewegung seit 1956 verstehen wollen.) Daneben hat er sich als plastischer Künstler einen Namen gemacht und überdies Shakespeare übersetzt.
Hauptquelle: Edição Avante! Nº 1646
(1) Das Buch von Manuel Tiago: “Bis morgen, Genosse! – Literarische Aufzeichnungen eines portugiesischen Kommunisten”, erschien 1979 bei Dietz, Berlin
Quelle: www.kommunisten.ch
Im Einleitungskapitel unterzieht Alvaro Cunhal die Bedeutung der Oktoberrevolution und der Erfahrungen im Aufbau des Sozialismus im 20. Jahrhundert. Er verweist auf die Elemente, die zum Niedergang und Verschwinden der Sowjetunion geführt haben und schreitet zu einer Klassenanalyse, welche die internationale Korrelation der Klassenkräfte am Ausgang des Kalten Krieges bestimmt.
I. Kapitel
Das 20. Jahrhundert bleibt für immer geprägt durch die russische Revolution von 1917, die politische Macht des Proletariat und den geschichtlich erstmaligen dauerhaften Aufbau einer Gesellschaft ohne Ausbeuter und Ausgebeutete.
Schon vor der Oktoberrevolution kam es zu Auflehnungen, Aufständen und Revolten unter den Sklaven, Leibeigenen und anderen ausgebeuteten und unterdrückten Klassen. Aber in keinem Fall hatten diese Kämpfe das Ziel (geschweige denn die Aussicht auf die Möglichkeit), eine neue Gesellschaft aufzubauen, die zur Freiheit führen konnte.
Die Fälschungen der offiziellen Geschichtsschreibung, die verleumderischen und gewaltigen antikommunistischen Kampagnen, dazu die Verleugnung der eigenen Vergangenheit durch einige, zwingen die Kommunisten dazu, in Erinnerung zu rufen, was die russische Revolution von 1917 und der Aufbau der Sowjetunion waren und was sie bedeuteten. Wir müssen daran erinnern und festhalten, dass es sich um das wichtigste geschichtliche Ereignis des 20. Jahrhunderts und um eines der bemerkenswertesten der Menschheitsgeschichte handelt.
Auch daran ist zu erinnern, dass das Proletariat bereits 1871 mit der Commune de Paris, der direkten Vorläuferin der russischen Revolution, die Macht eroberte, und dass es den Aufbau einer neuen Gesellschaft begann, wobei die Massen ihren Heldenmut bewiesen.
Es ist daran zu erinnern, dass in Frankreichs Hauptstadt Paris während 102 Tagen die rote Fahne der Arbeiterklasse über dem Rathaus wehte. Zu erinnern an den Überfall der reaktionären Truppen, an die ungeheuerliche Repression, an das Massaker an 30.000 Kommunarden, an die Summe von 100.000 Ermordeten, Exekutierten und zur Zwangsarbeit Verurteilten.
Aber immerhin ist zu unterstreichen, dass die Bedeutung der Commune de Paris nicht darin liegt, dass sie der neuen Geschichte der Menschheit den Weg aufgetan hätte. Sie glich vielmehr der Morgenröte, welche die russische Revolution ankündigte. Die Oktoberrevolution machte faktisch die Bahn frei für ein neues Gesellschaftssystem ohne seinesgleichen in der Geschichte. Viele vergessen, dass dieses System als Alternative zum Kapitalismus während Jahrzehnten an Boden gewinnen konnte. Das sind Vorgänge, die für alle Zeit Anknüpfungspunkte und Werte im Kampf der Menschheit um die eigene Befreiung bleiben werden.
Der Aufbau des neuen Staates, ausgedrückt in der Losung „Alle Macht den Sowjets der Arbeiter, Bauern und Soldaten“, bedeutete die Errichtung der Volksmacht als Grundelement des Staats und einer Demokratie, welche „tausendmal demokratischer ist als die demokratischste aller bürgerlichen Demokratien“.
Auf dem Gebiet der Wirtschaft, und ausgehend von der Arbeiterkontrolle, wurden Grund und Boden, Fabriken, Minen, Eisenbahnen, Banken in Staats- und Volksbesitz überführt, was eine blitzschnelle Entwicklung auslöste.
Abgesehen von diesen Staatsbetrieben wurde mit der landwirtschaftlichen Kollektivierung auch die Agrarproduktion tief greifend umgestaltet, wobei den Sowchosen (staatliche Produktionseinheiten) und der Massenbewegung der Kolchosen (Genossenschaften) die entscheidende Rolle zukam.
Auf gesellschaftlicher Ebene wurden die Rechte auf Wohnung, medizinische Versorgung und Schulunterricht gesichert. Die Gleichberechtigung der Frauen wurde in der Tat anerkannt. Die kulturellen Einrichtungen wurden von der Beherrschung durch große Herren befreit.
Die Sowjetunion erzielte große Entdeckungen und Fortschritte in der Wissenschaft und den neuen und revolutionären Technologien, welche ihr gestatteten, neben dem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auch militärisch ein Potenzial zu erlangen, das die aggressive Politik des Kapitalismus jahrzehntelang in Schach hielt. Die Tatsache, dass ein Sowjetbürger der erste Mensch war, der sich von der Erdanziehungskraft löste und im Weltraum schwebte, veranschaulicht diesen spektakulären Erfolg.
Wichtig ist es auch, den Beitrag nicht zu vergessen, welchen die Sowjetunion an die Entwicklung des Kampfs der Werktätigen und der Völker der ganzen Welt geleistet hat, ebenso an neue sozialistischen Revolutionen, an die Eroberung fundamentaler Rechte der Lohnabhängigen in den kapitalistischen Ländern, an die Entfaltung der nationalen Befreiungsbewegungen und – zum Preis von über 20 Millionen Leben (im Einsatz der Streitkräfte, in Konzentrationslagern, in gigantischen Massakern an der wehrlosen Bevölkerung) – um Hitlerdeutschland im Zweiten Weltkrieg niederzuwerfen, indem sie den entscheidenden Beitrag zur Rettung der Welt vor der faschistischen Barbarei erbrachte.
Die objektive Darstellung und Wertung dieser Tatsache genügt jedoch nicht. Es ist unerlässlich, zugleich eine kritische und selbstkritische Untersuchung der festgestellten negativen Aspekte, Fakten und Erscheinungen vorzunehmen.
Eine grundlegende Wahrheit ist, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten das Ergebnis einer Reihe von äußeren und inneren Umständen darstellt. Nicht beide von gleichem Einfluss. Gewichtiger waren die inneren Faktoren. Tatsache ist, dass sich beim Aufbau der neuen Gesellschaft eine zunehmende Entfernung von den Idealen und Grundsätzen der Kommunismus zeigte, ein fortschreitender Niedergang der Politik von Staat und Partei. Kurzum: es entstand ein „Modell“, welches, mit Gorbatschows Verrat, zur Niederlage und zum Zusammenbruch führte.
Das „Modell“, das da entstand, äußerte sich politisch in einer hohen Zentralisierung und Bürokratisierung der Macht, in einer administrativen Art des Herangehens an die politischen Entscheide, in der Intoleranz gegenüber der Meinungsvielfalt und gegenüber jeder Machtkritik, im Gebrauch und Missbrauch repressiver Methoden sowie in der Erstarrung der Theorie zum Kristall und Dogma.
Damit ist die politische Macht der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen kompromittiert. Kompromittiert ist die neue Demokratie. Kompromittiert die ökonomische Entwicklung, welche – gestützt auf Kampfbereitschaft und Willen des Volkes – in den ersten Jahrzehnten der Sowjetunion einen schwindelerregenden Rhythmus erreichte. Kompromittiert ist der dialektische, kreative und schöpferische Charakter der revolutionären Theorie, die notwendigerweise Antworten auf die Veränderungen der Realität und die praktischen Erfahrungen zu geben hat.
Die Prüfung sowohl der historischen Errungenschaften wie dieser verhängnisvollen Ereignisse, und gleichermaßen die Prüfung der Erfahrungen der internationalen kommunistischen Bewegung, stellt die kommunistischen Parteien vor die Notwendigkeit, die sozialistische Gesellschaft neu zu definieren, die ihr Ziel und das fundamentale Element ihrer Identität bildet.
Obwohl durch das sozialistische Lager und den Fortschritt des revolutionären Weltprozesses noch bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Schranken gewiesen, verzeichnete der Kapitalismus eine Entwicklung, die ihn am Ende des Jahrhunderts die Überlegenheit im Weltmaßstab erlangen ließ.
Zwei Faktoren waren für das Eintreten dieser Lage bestimmend.
Einerseits das Verschwinden der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten, die Schwächung der internationalen kommunistischen Bewegung und der nationalen Befreiungsbewegung, die Rückbildung von revolutionären Prozessen.
Andrerseits die Entwicklung des Kapitalismus auf den Gebieten der Produktion, der Wissenschaft und Forschung, der revolutionären Technologien und der militärischen Schlagkraft.
Als Resultat davon trat am Ende des 20. Jahrhunderts eine Umkehr des Kräfteverhältnisses ein, was dem Imperialismus gestattete, eine gigantische Offensive auszulösen, die darauf abzielt, seine absolute Herrschaft auf dem ganzen Planeten zu erreichen.
Während mehr als drei Vierteln des 20. Jahrhunderts unterlag die Entwicklung einer allgemeinen Tendenz zum Fortschreiten des Sozialismus und des Befreiungskampfs der Völker.
Eine Umkehrung dieser Tendenz ergab sich in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts. Diese Veränderung des Kräfteverhältnisses war es, die es dem Kapitalismus erst möglich gemacht hat, eine „globale“ Offensive zu entfesseln.
Alvaro Cunhal schält die materiellen Bedingungen und die Wesenszüge der gegenwärtigen imperialistischen Offensive heraus, nennt ihre Ziele, Mittel und Machenschaften, und gibt wichtige Hinweise auf die vielfältigen Gegenkräfte, die dieser Offensive notwendigerweise erwachsen, und die daherige Breite des ideologischen Spektrums innerhalb des antiimperialistischen Lagers.
II. Kapitel
Die derzeit im Gange befindliche imperialistische Offensive
hat das erklärte und angekündigte Ziel, auf der ganzen Welt die absolute Herrschaft des Kapitalismus als einziges, universelles und endgültiges System durchzusetzen.
Dies ist der grundlegende Zweck der Theorie von der so genannten „Globalisierung“.
Es handelt sich um die grösste Gefahr und um die unheilvollste Bedrohung, der die Menschheit im Laufe ihrer langen Geschichte jemals gegenüber stand.
Sicher haben sich einige Aspekte und Elemente der objektiven Entwicklung des Kapitalismus schon früher dessen Tendenz zum Griff nach der Welt bestätigt. Dies war der Fall bei der Internationalisierung der Produktionsprozesse, ebenso bei den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen, in der sozialen Information und Kommunikation, oder in der Schaffung von Zonen der wirtschaftlichen Integration.
Gewiss ist auch, dass der Imperialismus schon vordem, im Kampf um die „Aufteilung der Welt“, über die Waffen von Militärinterventionen und Kriegen verfügte.
Die „globale“ Offensive ist hingegen eine andere Sache. Gestützt auf die USA als grundlegende und vorherrschende Macht, entfaltet sich die gegenwärtige Offensive an allen Fronten.
Waffen der ökonomischen Offensive sind:
- die Schaffung von gewaltigen Gruppen von internationalen Unternehmen;
- verschiedene Organe mit wachsender Vollmacht zum „legalen“ Aufzwingen von Regeln und Politiken (FMI, WTO, Weltbank);
- die Besitzergreifung der Ressourcen und strategischen Sektoren schwächerer Länder;
- Kreditkürzungen;
- Fassung von wirtschaftspolitischen Beschlüssen durch überstaatliche Organe für Mitgliedstaaten von Zusammenschlüssen mit bundesstaatlichem Charakter;
- finanzielle Würgemaßnahmen und wirtschaftliche Blockade zum Zweck der Niederzwingung von Ländern, welche sich der Offensive widersetzen.
Zonen wirtschaftlicher Integration verwandeln sich in Zonen politischer Integration, mit überstaatlichen Organen, mit überstaatlichen Ministern, mit tatsächlicher Unterwerfung der ärmeren und weniger entwickelten unter die reicheren und mächtigeren.
Dieser Prozess spitzt viele der Widersprüche des Kapitalismus zu. Eines seiner Elemente ist die Ausbreitung selbst in entwickelten kapitalistischen Ländern, von Teilen der Gesellschaft, die in äußerer Armut leben, und in unterentwickelten Ländern der Hungertod, der millionenstarke Völker zum Aussterben bringt.
Gleichzeitig spitzt sich die Konkurrenz zu, und es entsteht die Möglichkeit schwerer Konflikte zwischen den gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Machtzentren, auch unter den reichsten und mächtigsten. Allerdings (– und darin liegt ein neuer, unterschiedlicher Zug –) integrieren sie sich alle in die „globale“ Offensive.
Bezeichnend für die großen Entwürfe und Pläne ist das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI). Nach dessen Entwurf könnten die vereinigten großen Potentaten von Wirtschaft und Finanz, mit der notwendigen militärischen Hilfe, ein Land nach dem anderen zur Einführung vorgeschriebenen Ausbeutungsformen oder zur Auslieferung vitaler Wirtschaftszweige zwingen, das Schicksal des investierten Kapitals bestimmen und Marionettenregierungen verpflichten, durch wirksame Unterdrückungsmaßnahmen die eventuellen Kämpfe und Revolten der Werktätigen und der jeweiligen Völker zu zermalmen.
Das MAI ist eine Art Verfassungsentwurf des Imperialismus in seiner „globalen“ wirtschaftlichen und politischen Offensive.
Bekanntlich hat das Projekt, das unter dem Schutz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands ausgearbeitet wurde, bei seiner Bekanntgabe eine derart breite Ablehnung und Empörung ausgelöst, dass es aus der unmittelbaren Beratung zurückgezogen werden musste. Aber tatsächlich wird der Entwurf aufbewahrt, um später wieder auf den Tisch zu kommen.
Daneben, und manchmal als direktes Mittel der Wirtschaftsoffensive (die eng mit der politischen und diplomatischen Aktivität gekoppelt ist), stützt sich die militärische Offensive auf das Mittel der dominierenden Überlegenheit der Bewaffnung, namentlich der USA und der NATO als autonome supranationale Macht, die aber effektiv auch durch die USA dominiert und kommandiert wird.
Der militärischen Offensive dienen:
- Ultimaten,
- Bombardierungen,
- bewaffnete Interventionen,
- Aufrüstung und Schürung von rebellischen Kräften gegen demokratische Regierungen,
- Interventionen zur Einsetzung von tyrannischen Regierungen und Marionettenregierungen,
- Aggressionen und Kriege gegen Länder, die sich der Beherrschung durch die USA und andere imperialistische Länder mutig widersetzen,
- Attentate von terroristischen Organisationen und
- militärische Aktionen des Staatsterrorismus.
Hinzu kommt die Ungeheuerlichkeit der Aufrichtung eines internationalen politischen Gerichtes unter dem Kommando des Imperialismus, um herausragende Verteidiger eines Landes oder eines Volkes zu richten und Strafurteile bis zu lebenslänglichem Zuchthaus zu fällen.
Dazu kommt die gigantische Verschmutzung der Atmosphäre, der Flüsse und Ozeane durch die höher entwickelten Länder und der Raub und die Zerstörung der natürlichen Ressourcen der zurückgebliebenen Länder. Sie hat die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts in ausgedehnten Regionen des Erdballs zur Folge.
Alle diese Aspekte der Offensive erreichen ein nie zuvor gekanntes Ausmass und bilden Bestandteile des Prozesses der weltweiten Integration der imperialistischen Kräfte in ihrer „globalen“ Offensive.
Als Perspektive proklamiert der Imperialismus seine Offensive für unaufhaltsam und unumkehrbar und verkündet die Stabilität und die endgültige Stabilisierung des Systems. Auf dem ideologischen Gebiet kündigt er die Universalisierung des Denkens, das Ende der Ideologien und das „einheitliche Denken“ an.
Aber die Offensive ist nicht unaufhaltsam und unumkehrbar. Und mit jenen Begriffen, die von der Propaganda verbreitet werden, erliegt der Imperialismus schließlich dem Versuch zur Selbsttäuschung. Anders gesagt: beim erklärten, tollkühn anmaßenden Ziel handelt es sich um die gegenwärtige Utopie des Kapitalismus.
Utopie einerseits, weil der Kapitalismus durch seine eigene Natur von Widersprüchen und Problemen zernagt wird, die er nicht überwinden kann. Utopie andrerseits, weil Kräfte existieren, die ihm in den Weg treten, Widerstand leisten und die bei ihrem weiteren Erstarken verhindern können, dass der Imperialismus sein Ziel erreicht.
Diese Kräfte sind:
- Die Länder, in denen die Kommunisten an der Macht sind und welche am Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft festhalten, wenn auch auf sehr unterschiedlichen Wegen.
- Die Arbeiterbewegung und namentlich die Gewerkschaftsbewegung.
- Die kommunistischen Parteien und andere revolutionäre Parteien, die mit Vertrauen und Mut kämpfen.
- Die potenziellen Widerstandskräfte aus kapitalistischen Ländern, die gegenwärtig vom Imperialismus ausgebeutet werden, und die nationale Unabhängigkeit effektiv verlieren
- Junge nationale Befreiungsbewegungen
- Bewegungen zur Verteidigung der Umwelt und solche gegen die Macht und die Entscheide der reichsten Länder oder gegen die „Globalisierung“ überhaupt.
Sie bilden zusammen die grundlegenden Kräfte, um die Weltherrschaft des Imperialismus zu verhindern. Die Einsicht hierein genügt noch nicht. Unerlässlich ist eine entsprechende Handlungsweise. Notwendig ist die Stärkung dieser Kräfte und der Kampf für ihre gleichzeitige und zusammenlaufende Wirksamkeit.
Darin besteht der einzige Weg,
um das Voranschreiten der Offensive des Imperialismus zu bremsen, zu erschweren und zu verhindern und die Vorbedingungen dafür zu schaffen, dass die Offensive schließlich zum Scheitern gebracht, und eine Umschwung in der internationalen Lage herbeigeführt wird.
Hier ist in Erinnerung zu rufen, dass der Imperialismus sich nicht auf den direkten Angriff an seinen verschiedenen Fronten beschränkt. Er versucht aktiv, die Widerstandskräfte zu spalten, sie von innen her zu unterminieren, sie zum Aufgeben des Kampfs, zur Selbstzerstörung und zum Selbstmord zu verleiten.
In einigen Fällen hat er das geschafft. In zahlreichen anderen Fällen lässt sich das Gegenteil feststellen: die Stärkung dieser Kräfte, ihre Neubelebung und die Steigerung ihres Einflusses und ihrer Initiative.
Es ist wichtig, dass man die Beispiele, welche diese Einschätzung bestätigen, überall verbreitet, hervorhebt und würdigt.
Im 3. Kapitel werden die heutigen Bedingungen und mittelfristigen Zielsetzungen, des Kampfes um Demokratie und Fragen der Bündnispolitik analysiert.
III. Kapitel
Das Ziel der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft schliesst keineswegs aus, dass eine kommunistische Partei kurz- und mittelfristige Ziele anstrebt und Lösungen als Alternativen zur bestehenden Lage vorschlägt. Aber Vorsicht. Die Lageanalyse und die Festlegung einer Politik muss von den Grundtatsachen des Kapitalismus ausgehen, die ihre Entsprechung in den grundlegenden Konzepten der revolutionären Theorie des Proletariats finden:
- die Spaltung der Gesellschaft in Ausbeuter und ausgebeutete Klassen
- der Klassenkampf
- die Klassenpolitik der Regierungen.
Es handelt sich um Realitäten und um Konzepte, deren Entdeckung wir nicht Marx und Engels, sondern früheren Ökonomen und Philosophen verdanken. Das Neue am Marxismus ist die Analyse der konkreten ökonomischen und politischen Verhältnisse unter Zugrundelegung dieser Konzepte.
Gewiss, in vorrevolutionären und anderen Lagen, in denen sich ein vorläufiges Gleichgewicht zwischen den Klassenkräften einstellt, kann unter bestimmten Bedingungen der Fall eintreten, wo die politische Gewalt umständehalber keine Politik im Dienst des Kapitals durchführt. Sie kann sogar fortschrittliche Massnahmen mit antikapitalistischem Charakter verwirklichen. Das sind allerdings Situationen mit Ausnahmecharakter und von kurzer Dauer.
Es ist nicht der Fall der kapitalistischen Länder mit bürgerlicher Demokratie. In diesen Ländern fälscht die politische Gewalt die Demokratie in ihren vier Richtungen:
Die wirtschaftliche Demokratie – durch das Eigentum des Großkapitals an den grundlegenden Wirtschaftszweigen und durch die Unterwerfung der politischen Gewalt unter die ökonomische.
Die soziale Demokratie – durch die Ausbeutung und das Elend der werktätigen Bevölkerungsmassen und die Konzentration des Reichtums in einer beschränkten Zahl von Riesenvermögen.
Die kulturelle Demokratie – durch die Propaganda der Ideologie des Großkapitals, durch ein Schulsystem, das die Kinder der lohnabhängigen Klassen diskriminiert, durch Propaganda von abergläubischen Ideen, durch Angriffe auf das künstlerische Schöpfertum, durch Vervielfältigung von religiösen Sekten.
Die politische Demokratie – durch Missbrauch und Verabsolutierung der Gewalt und Auflösung bestehender Organe und Mechanismen, welche der demokratischen Kontrolle der Machtausübung dienen, durch verfassungswidrige Abweichungen von Legalität und Kompetenzen der Organe der Souveränität, falls es sich erweist, dass geltende Gesetze dem Großkapital nicht ausreichen, um seine Herrschaft absolut auszuüben. Und diese gesamte Rückbildung der Demokratie schreitet unter den Vorwänden der erforderlichen „Stabilität“ und des „Rechtsstaates“ voran.
Die Rückbildung der politischen Demokratie bringt mit sich die spektakulären und theatralischen Auftritte auf der Parlamentsbühne, den Karrierismus, die Straflosigkeit verbunden mit der Korruption und provoziert damit den Zerfall des Vertrauens in Politik und Politiker.
Indessen bleibt die Politik eine notwendige Beschäftigung, und die Kommunisten und andere wahre Demokraten sind anders und besser in der politischen Praxis, sie unterscheiden sich von der diskreditierten sogenannten „politischen Klasse“.
Die gewaltigen Mittel der gesellschaftlichen Kommunikation (Zeitungen, Zeitschriften, Radio, TV, Audio-Video) sind Eigentum und Instrument der großen Monopolgruppen. Sie stellen keine neue unabhängige Gewalt dar, wie einige vorzugeben versuchen, sondern ein Werkzeug des Großkapitals in seiner herrschaftlichen Verbindung mit den Regierungen.
Da der Kampf um Demokratie ein zentrales Ziel der Kampfaktionen einer kommunistischen Partei bildet, ist es unerlässlich zu definieren, worin die Grundelemente dieser Demokratie bestehen sollen.
Von einer Regierungspolitik müssen Maßnahmen verlangt werden, die gleichzeitig nach allen Stoßrichtungen gehen und sich gegenseitig ergänzen. Es genügt nicht, wenn sich eine Regierung demokratisch nennt. Hier sind Taten einzufordern.
Notwendig ist ebenfalls, die Demokratie konkreter zu definieren, jene Demokratie zu bestimmen, um die man in einer konkreten Situation gerade kämpft. In einer gegebenen Lage, zu einem bestimmten Zeitpunkt kann zum Beispiel innerhalb des demokratischen Ringens dem Kampf zur Stärkung von Elementen der direkten Demokratie und Mitbestimmung neben der repräsentativen Demokratie ein besonderes Gewicht zukommen.
Die Wahlen gehören zu den Grundbausteinen eines demokratischen Regimes, aber als solches kann man sie nur betrachten, wenn die Gleichheit respektiert wird, und wenn Machtmissbrauch, Diskriminierungen und Ausschlüsse verhindert werden. Wo diese Bedingungen nicht erfüllt sind, werden Wahlen zu einem Betrug, zu einem Attentat auf die Demokratie und zu einem Werkzeug der Monopolisierung der Gewalt durch politische Kräfte im Dienste des Kapitals, die einander, manchmal im Abwechslungsverfahren, ablösen.
Eine „fortgeschrittene Demokratie”, für welche einige Parteien kämpfen, wird definiert als ein demokratisches Regime, welches fortschrittliche Errungenschaften von nichtkapitalistischem Charakter in die Hand nimmt (wie die Nationalisierung einiger Sektoren der Wirtschaft und die Auflösung des Großgrundbesitzes).
Egal, ob die Ziele des Kampfes um Demokratie in einem gegebenen Zeitpunkt in dieser oder einer anderen Form bestimmt werden, die Kommunisten dürfen und wollen sich nicht isolieren, und sie sind auch nicht isoliert.
Das Verständnis der Klassenkämpfe, als überall gegenwärtige Realität der Gesellschaft und als Motor der geschichtlichen Entwicklung, steht in keinem gegensätzlichen oder ausschliessenden Verhältnis zur Notwendigkeit von sozialen und politischen Bündnissen der Arbeiterklasse, der Lohnabhängigen und ihrer Partei zwecks Erreichung von konkreten unmittelbaren Zielen, unter Berücksichtigung der Klärung der politischen Kräfteverhältnisse, die in den Klassenbeziehungen und der Korrelation zwischen den Klassen und Schichten der Gesellschaft wurzeln. Demnach muss man, um korrekt zu bestimmen, welches die möglichen Bündnisse sind, erstens eine Bereinigung der objektiv betrachteten Klassenbündnisse im Konkreten vornehmen, und dann in einem zweiten Schritt wenn möglich feststellen, wie diese oder jene Klasse und soziale Schicht durch diese oder jene Partei vertreten wird, und von welcher sozialen Basis her sich diese oder jene Partei Unterstützung ausrechnet.
Es gibt keine übereinstimmende Situationen. Es mag in diesen und jenen Ländern zu vergleichbaren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zuständen kommen. Immer verbleiben aber Unterschiede, die nach unterschiedlichen Antworten verlangen. Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen und Rezepte. Die Kopie von Lösungen führt in Richtungen, die den Erfordernissen der konkreten Wirklichkeit nicht entsprechen.
große wissenschaftliche Entdeckungen und revolutionäre Technologien rufen tief greifende Änderungen in der Zusammensetzung der arbeitenden Klassen und in der sozialen Zusammensetzung der entwickelten Ländern überhaupt hervor. Die Bestimmung von sozialen Bündnissen als Basis für politische Bündnisse wird unter diesen veränderten Umständen ausgesprochen komplex.
Es bestehen in dieser Hinsicht sehr unklare Definitionen.
Im Rahmen ihrer Bündnispolitik und in zahlreichen bürgerlich-demokratischen Ländern haben demokratische Parteien, darunter namentlich kommunistische Parteien, eine „ linke “ Politik als ihr Ziel definiert.
Es gibt Fälle, bei denen in der Ausrichtung dieser Parteien das Wort „links“ eine Unterstützung oder Beteiligung an einer Politik der Rechten ausschließt. Es hat insofern eine klare und positive Bedeutung.
Indessen hat das Wort „Linke“ im politischen Wörterbuch unserer Tage in den meisten Ländern einen ungenauen Inhalt, ist voll von Unbekannten, widersprüchlich und stiftet objektiv Verwirrung. Als „Linksparteien“ und Teil der „Linken“ definieren sich häufig nebst antikommunistischen „linksextremen“ Parteien auch sozialistische und sozialdemokratische Parteien, die in ihrer politischen Tätigkeit die Sache der „Rechten“ vertreten und praktizieren.
Dasselbe gilt für Regierungen, die sich als „links“ oder solche „der Linken“ titulieren. Die Erfahrungen zeigen, dass in einigen Fällen die Teilnahme von Kommunisten an Regierungen von sozialdemokratischen Parteien, die für Regierungen „der Linken“ gehalten werden, auf ihre Beteiligung in der Verwirklichung von Politiken der „Rechten“ hinaus lief.
Als Ziel zu definieren ist eine demokratische Politik in allen vier Stoßrichtungen; das ist der Kampf, den man führen muss. Man proklamiere keinerlei Politik, welche die Beteiligung (oder das Ziel sie zu erlangen) an sozialdemokratischen Regierungen einschließt, welche sich Regierungen „der Linken“ nennen, jedoch Werkzeuge des Großkapitals und der transnationalen Konzerne, der reichsten und mächtigsten Länder, der gegenwärtigen „globalen“ Offensive des Imperialismus sind, der seine Herrschaft auf dem ganzen Planeten durchsetzen will.
Dies ist auch der Fall der sogenannten „Stabilitätspakte“, welche von reformistischen Gewerkschaftsorganisationen und Parteien unterzeichnet, und worin grundlegende Rechte der Arbeitenden geopfert werden, um dem Kapitalismus zu einem Ausweg aus seiner gegenwärtigen Krise zu verhelfen.
Das ist nicht der Weg, den der Kampf der Lohnabhängigen, der Völker und Nationen gegenwärtig verlangt.
Es kommt den kommunistischen Parteien (und anderen revolutionären Parteien) zu, den erforderlichen Kurs gemäß den konkreten Bedingungen ihrer Länder zu bestimmen. Mit Überzeugung, mit Mut und mit ihrer kommunistischen Identität.
Im 4. Kapitel untersucht arbeitet der Autor 6 fundamentale Charaktermerkmale Merkmal heraus, welche die Identität einer Kommunistischen oder Arbeiterpartei ausmachen.
IV. Kapitel
Der Aktionsrahmen der weltweit vorhandenen revolutionären Kräfte hat sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verändert.
Die internationale kommunistische Bewegung und die Parteien, aus denen sie sich zusammensetzt, unterlagen tief greifenden Veränderungen im Ergebnis des Zusammenbruchs der UdSSR und anderer sozialistischer Staaten und des Erfolgs des Kapitalismus im Wettbewerb mit dem Sozialismus.
Es gab Parteien, die ihre kämpferische Vergangenheit, ihre Klassennatur, ihr Ziel einer sozialistischen Gesellschaft und ihre revolutionäre Theorie verleugneten. In einigen Fällen verwandelten sie sich in systemintegrierte Parteien und verschwanden schließlich von der Bildfläche.
Diese neue Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung eröffnete in der Gesellschaft ein Vakuum, in welches andere revolutionäre Kräfte nachgestoßen sind, die unter den konkreten Bedingungen ihres Landes in wichtigen und manchmal in grundsätzlichen Fragen von Ziel und Aktionen mit den Kommunisten übereinstimmten.
Wenn heute von der internationalen kommunistischen Bewegung gesprochen wird, lässt sich also, entgegen der Praxis früherer Zeiten, keinerlei Grenze zwischen kommunistischen und irgendwelchen anderen revolutionären Parteien aufrichten. Die kommunistische Bewegung hat eine Beweglichkeit in ihrer Zusammensetzung erfahren und neue Grenzen erhalten.
Diese Vorgänge bedeuten nicht, dass die Gesellschaft kommunistische Parteien mit der ihnen eigenen Identität nicht vermissen würde. Im Gegenteil, eben wegen der fundamentalen Charaktermerkmale ihrer Identität erwiesen sich die kommunistischen Parteien als notwendig, unverzichtbar und unersetzbar, wobei in Rechnung zu behalten ist, dass so wenig ein „Modell“ der sozialistischen Gesellschaft existiert, es auch kein „Modell“ einer kommunistischen Partei gibt.
Bei aller Unterschiedlichkeit der konkreten Antworten auf jede gegebene Situation, lassen sich dennoch sechs grundlegende, charakteristische Merkmale der Identität einer kommunistischen Partei aufzeigen, egal ob die Partei diesen Namen oder einen anderen trägt. Diese Charakterzüge liegen darin:
1. Eine von den Interessen, der Ideologie, von Druck und Drohungen der Kapitalkräfte völlig unabhängige Partei zu sein.
Es handelt sich um eine Unabhängigkeit der Partei und der Klasse, die für die Identität einer kommunistischen Partei ein konstitutives Element bildet. Diese Unabhängigkeit beweist sich in der eigenständigen Aktion, in den eigenen Zielen und der eigenen Ideologie.
Der Bruch mit diesen wesentlichen Charakterzügen stellt niemals ein Zeichen von Unabhängigkeit dar, sondern ist im Gegenteil ein Ausdruck des Verzichts auf dieselbe.
2. Eine Partei der Arbeiterklasse, der Werktätigen im Allgemeinen, der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu sein.
Je nach der sozialen Struktur in jedem einzelnen Land können auch die soziale Zusammensetzung der Parteimitgliedschaft und der sozialen Massenbasis der Partei große Unterschiede von einer Partei zur anderen aufweisen. Wesentlich ist in jedem Fall, dass eine Partei sich nicht in sich verschließt, dass sie sich nicht gegen innen kehrt, sondern sich eng an die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen bindet.
Indem sie dies außer Acht ließen, wurden einige Kräfte durch den Verlust ihrer Klassennatur in den senkrechten Absturz gezogen, andere zur Selbstzerstörung getrieben und zum Verschwinden gebracht.
Der Ersatz der Klassennatur der Partei durch die Konzeption einer „Bürgerpartei“ bedeutet Verschleierung der Tatsache, dass es unter diesen Bürgern Ausbeuter und Ausgebeutete gibt.
Und es läuft darauf hinaus, die Partei in eine neutrale Stellung gegenüber den Klassenkampf zu führen – was in der Praxis die Partei und die ausgebeuteten Klassen entwaffnet und die Partei in ein Werkzeug und Anhängsel der Politik der herrschenden Ausbeuterklassen verwandelt.
3. Eine Partei mit einem demokratischen Innenleben und einer einheitlichen zentralen Leitung zu sein.
Die innere Demokratie ist reich an Vorzügen, namentlich: die kollektive Arbeit, die kollektive Leitung, die Kongresse, Versammlungen und Debatten in der gesamten Partei zu grundlegenden Fragen der Orientierung und der politischen Aktion, die Dezentralisierung der Verantwortung, die Wahl der leitenden Organe der Zentrale und aller übrigen Organisationen.
Die Anwendung dieser Grundsätze muss in Übereinstimmung mit der politischen und historischen Lage erfolgen, in der eine Partei handelt.
Unter Bedingungen der Illegalität und Unterdrückung beschränkt sich die Demokratie durch zwingende Gründe des Selbstschutzes. In einer bürgerlichen Demokratie können die aufgeführten Vorzüge eine sehr weite und tiefe Anwendung erfahren, und es ist wünschbar, dass sie es tun.
4. Eine Partei zu sein, die zugleich internationalistisch ist und die Interessen ihres Landes verteidigt.
Im Gegensatz zu dem, was in einer bestimmten Epoche in der kommunistischen Bewegung vertreten wurde, besteht kein Widerspruch zwischen diesen beiden Elementen der Orientierung und Aktion von kommunistischen Parteien.
Jede Partei ist solidarisch mit den Parteien, den Werktätigen und den Völkern der anderen Länder. Aber sie ist ein überzeugter Verteidiger der Interessen und Rechte ihres eigenen Landes und Volkes. Der Ausdruck „patriotische und internationale Partei“ hat am Ende des 20. Jahrhunderts volle Aktualität. Man kann vom Standpunkt des Internationalisten den Kampf im eigenen Land als solidarischen Wert und Beitrag einschließen, ebenso wie man vom Standpunkt des Patrioten die solidarischen Beziehungen zu den Werktätigen und Völkern anderer Länder als Wert und Beitrag für das eigene Land einrechnen kann.
5. Eine Partei zu sein, die als ihr Ziel den Aufbau einer Gesellschaft definiert, die weder Ausgebeutete noch Ausbeuter kennt, einer sozialistischen Gesellschaft.
Dieses Ziel behält ebenfalls volle Aktualität. Aber die positiven und negativen Erfahrungen beim Aufbau des Sozialismus in einer Reihe von Ländern und die tiefen Veränderungen der weltweiten Lage zwingen zu einer kritischen Analyse der Vergangenheit und zu einer neuen Definition der sozialistischen Gesellschaft als Ziel der kommunistischen Parteien.
6. Trägerin einer revolutionären Theorie zu sein: des Marxismus-Leninismus, der nicht nur die Erklärung der Welt möglich macht, sondern auch den Weg zu ihrer Veränderung aufzeigt.
Alle verleumderischen antikommunistischen Kampagnen Lügen strafend, ist der Marxismus-Leninismus eine lebendige, antidogmatische, dialektische, schöpferische Theorie, die sich weiter anreichert durch die Praxis und durch die Antworten auf neue Situationen und Erscheinungen, die zu geben sie berufen ist. Sie treibt die Praxis dynamisch an und bereichert und entwickelt sich schöpferisch anhand der Lektionen der Praxis.
Marx im „Kapital“ und Marx und Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ analysierten und definierten die grundlegenden Elemente und Wesensmerkmale des Kapitalismus. Die Entwicklung des Kapitalismus unterlag indessen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer wichtigen Abänderung. Die Konkurrenz führte zur Konzentration und die Konzentration zum Monopol.
Lenin und seinem Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ verdanken wir die Definition des Kapitalismus am Ende des 19. Jahrhunderts.
Diese Entwicklungen der Theorie sind von außerordentlichem Wert. Und ebenso hoch zu veranschlagen ist der Wert der Erforschung und Systematisierung der theoretischen Erkenntnisse.
In einer Synthese von außerordentlicher Klarheit und Strenge erläutert ein berühmter Artikel von Lenin die „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“.
In der Philosophie, der dialektische Materialismus, der im historischen Materialismus seine Anwendung auf die Gesellschaft findet.
In der politischen Ökonomie, die Analyse und Erklärung des Kapitalismus und der Ausbeutung, und die Mehrwerttheorie, die den Eckstein zum Verständnis der Ausbeutung bildet.
In der Theorie des Sozialismus, die Definition der neuen Gesellschaft durch die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.
Im Lauf des 20. Jahrhunderts und in Begleitung der gesellschaftlichen Transformationen kamen zahlreiche neue theoretische Überlegungen hinzu. Jedoch breit gestreute und widersprüchliche Überlegungen, welche es schwierig machten zu unterscheiden, was theoretische Entwicklungen sind und wo es sich um revisionistische Abweichungen von den Grundsätzen handelt.
Daher die zwingende Notwendigkeit von Debatten ohne vorgefasste Meinungen und verabsolutierte Wahrheiten, wobei es nicht um die Suche nach Schlussfolgerungen geht, die für definitiv gehalten werden, sondern um die Vertiefung der gemeinsamen Reflexion.
Das internationale Treffen der Rodney Arismendi-Stiftung im September des laufenden Jahres wird hoffentlich einen positiven Beitrag zur Erreichung dieses Zieles leisten.
Álvaro Cunhal (1913-2005)
Ein Leben im Dienst der Werktätigen und ihrer Partei.
Álvaro Barreirinhas Cunhal hat einen großen Teil seines Lebens in der illegalen Arbeit, in faschistischen Kerkern und im Exil verbracht. Er wurde am 10. November 1913 in Coimbra als Sohn eines Rechtsanwalts und einer streng konservativen Mutter geboren. Im Alter von 17 Jahren trat der Jurastudent der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) bei. 1934 tauchte er in den Untergrund und wurde Generalsekretär der Kommunistischen Jugend. Als Teilnehmer am VII. Weltkongress der Komintern 1935 erstmals in der Sowjetunion. 1936 ins Zentralkomitee der PCP berufen. In den ersten Monaten des spanischen Bürgerkriegs begibt er sich für eine längere Mission nach Madrid. Bei seiner Rückkehr nach Portugal wird er 1937 von der politischen Polizei gefasst. Auf freiem Fuß, nimmt er die Parteitätigkeit wieder auf und wird 1940 verhaftet und bleibt erneut über ein Jahr im Gefängnis. Auch in seiner Gefangenschaft setze er die Arbeit fort, warb Parteimitglieder und verfasste die Broschüre “Wenn du gefasst wirst, Genosse” mit zahlreichen wichtigen Hinweisen zum Verhalten gegenüber der Geheimpolizei. Nach der Entlassung beteiligte er sich aktiv an der umfassenden Reorganisation der Partei am Anfang der 1940er Jahre. Im Oktober 1942 wurde er in das Sekretariat des Zentralkomitees berufen, dem er bis zur Verhaftung 1949 angehörte.
Die PCP wird eine große nationale Partei
In diesen Jahren hatte er einen aktiven Anteil an der gesamten Arbeit der Parteileitung: bei den Sicherheitsmaßnahmen, in der Schmiedung eines festen Kerns von Berufsrevolutionären, in der Schaffung eines technischen Apparates, in der Entwicklung der Organisation, in der Vorbereitung und Entwicklung von Arbeitskämpfen – namentlich in den großen Streikbewegungen der Jahre 1943 bis 47 – , in der Bildung der nationalen Einheit der antifaschistischen Bewegung, in der Redaktion der Parteipresse, in der Wiederaufnahme der 1939 unterbrochenen Beziehungen mit der kommunistischen Weltbewegung. Im März 1949 wurde der “camarada Duarte”, so sein damaliges Pseudonym, zusammen mit weiteren Genossen von der faschistischen Geheimpolizei festgenommen. Die schweren Foltern konnten ihn nicht brechen. Sie brachten ihn nicht zum Sprechen, und sie brachten ihn nicht zum Schweigen. Im Prozess 1950 schleuderte er den faschistischen Machthabern eine mutige Anklage entgegen, erklärte sich als “Adoptivsohn des Proletariats” und verteidigte die Politik der Partei. Er wurde verurteilt, blieb elf Jahre in Kerkerhaft, wovon acht in völliger Isolation. Der Ausbruch: Am 3. Januar 1960 gelang Alvaro Cunhal, zusammen mit einer Reihe von mitgefangenen Parteiführern der lang vorbereitete und abenteuerliche Ausbruch aus der Festung von Peniche. Das war ein schwerer Schlag für Salazar, der sogar zur Behauptung griff, ein sowjetisches U-Boot habe in der Nähe dieser Küstenstadt auf Cunhal gewartet. Im März 1961 wählte ihn das Zentralkomitee zum Generalsekretär der Partei, ein Posten, der seit dem Tod von Bento Gonçalves im Konzentrationslager Tarrafal (1942) vakant geblieben war. Am VI. Kongress der Partei, der 1965 stattfand, erstattete er den politischen Bericht des ZK und beteiligte sich entscheidend an der Ausarbeitung der grundlegenden Dokumente, namentlich des Parteiprogramms. Er beteiligte sich an Delegationen der PCP in sozialistische Länder und vertrat die Partei an Treffen der Bruderparteien und zahlreichen internationalen Konferenzen.
Der 25. April 1974: die Freiheit.
Fünf Tage nach dem Sturz des Faschismus am 25. April 1974 kehrt Alvaro Cunhal nach Portugal zurück und wird am Flughafen von den werktätigen Massen mit stürmischer Begeisterung empfangen. Er gehört den ersten vier provisorischen Regierungen als Minister ohne Portefeuille an, wird 1975 in die verfassungsgebende Versammlung und 1976 ins Parlament gewählt. Sein Amt als Generalsekretär behielt er bis 1992. Später verblieb er in verschiedenen Parteifunktionen und wurde wiederholt ins Zentralkomitee gewählt.
«Bis morgen, Genosse!»
Alvaro Cunhal hinterlässt auch ein – ob vom politisch-ideologischen oder vom literarischen Standpunkt aus bewertet – großartiges Werk unter seinem Pseudonym “Manuel Tiago”, darunter die Erzählung “Bis morgen, Genosse!”(1), ein wahres Epos des portugiesischen Proletariats und seines schweren Kampfes unter den Bedingungen der faschistischen Unterdrückung. (Und eine Fundgrube von konkretem Anschauungsmaterial für alle, welche die ideologischen Kämpfe innerhalb der kommunistischen Bewegung seit 1956 verstehen wollen.) Daneben hat er sich als plastischer Künstler einen Namen gemacht und überdies Shakespeare übersetzt.
Hauptquelle: Edição Avante! Nº 1646
(1) Das Buch von Manuel Tiago: “Bis morgen, Genosse! – Literarische Aufzeichnungen eines portugiesischen Kommunisten”, erschien 1979 bei Dietz, Berlin
Quelle: www.kommunisten.ch