Interview mit Abubakr Ahmed vom Sudanesischen Jugendverband

Auf einer breit angelegten internationalen antiimperialistischen Konferenz im Januar in Beirut hatten wir die Möglichkeit, dieses Interview mit Abubakr Ahmed, dem Chef des Sekretariats für Internationale Beziehung des Sudanesischen Jugendverbandes, zu führen.

Können Sie bitte sich und Ihre Organisation kurz vorstellen?

Mein Name ist Abubakr Ahmed und ich bin Vertreter der National Federation of Sudanese Youth, einer Organisation, die mehr als zwei Millionen Jugendliche repräsentiert.

Welchen Beitrag leistet NFSY zum Antiimperialismus?

Meine Organisation vertritt die Interessen des Staates Sudan, von dem allgemein bekannt ist, dass er seit 20 Jahren dem Imperialismus mit verschiedensten Mitteln und an unterschiedlichen Fronten entgegentritt. Speziell unserer Jugendorganisation kommt es darauf an, immer auf der Seite der Wahrheit zu stehen, was logischerweise Widerstand gegen imperialistische Politik bedeutet. Es ist unsere Politik, weltweit jeden zu unterstützen, der sich ernsthaft für Frieden, Völkerrecht, Humanitäres und den Stopp imperialistischer Aggessionen einsetzt. Daraus ergeben sich dann unsere Positionen bezüglich der Konflikte in Palästina, Libanon, Irak, Iran und Afghanistan, aber auch zu den USA und Europa.

Welchen Aggressionen war die Republik Sudan in letzter Zeit ausgesetzt?

Sudan ist als ein Entwicklungsland des arabischen und afrikanischen Raums seit jeher ein bevorzugtes Ziel des Imperialismus gewesen. Die Interventionen geschehen auf unterschiedliche Weise und haben sich im Lauf der Zeit geändert. Früher konzentrierten sie sich hauptsächlich auf den 35 Jahre dauernden Krieg im Süden des Landes. Jede sudanesische Regierung – egal ob es eine gewählte oder eine Militärregierung war – hat sich aus nationalen Interessen ernsthaft um eine friedliche Lösung des Konflikts bemüht. Das zu erreichen wurde um so schwerer, je mehr sich die USA und europäische Großmächte in den Konflikt einmischten, indem sie Waffen und Ausrüstungen an einzelne Stämme oder Parteien lieferten. Gott sei Dank konnte dieser Krieg dennoch 2003 nach 35 Jahren beendet werden. Nach Kriegsende musste sich der Imperialismus ein neues Feld zur Einflussnahme suchen. Also haben die USA damit begonnen, die Stammeskonflikte in der Region Darfur anzuheizen, das Thema aufzubauschen und so aus einem relativ kleinen lokalen Konflikt einen großen gemacht, dem allein in Darfur über 3?000 Sudanesen zum Opfer fielen. Das Anheizen dieses Konfikts geschah abermals über die militärische und finanzielle Unterstützung einzelner Stammes- und Rebellenführer. Diese Lieferungen von zum Teil sehr modernen Waffen wurden dann gegen die Regierung eingesetzt mit dem Ziel, den Krieg auch in anderen Regionen Sudans, wie zum Beispiel Kurdufan und im Zentralsudan, zu entzünden. Vor einem Jahr gelang es der Regierung Sudans, mit den Hauptparteien der Rebellen in Darfur einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Kurz darauf begannen die Imperialisten dann andere Gruppen zu unterstützen.

Als sich zeigte, dass sich die Regierung der Republik Sudan von den gesteuerten Rebellengruppen nicht beeinflussen ließ, änderten sie die Taktik und beschuldigten uns, am Frieden in Darfur nicht interessiert zu sein, obwohl wir alle ernstgemeinten Vorschläge diesbezüglich – egal ob diese etwa von Frankreich oder den Vereinten Nationen kamen – genau geprüft und akzeptiert hatten. Sudan hat sogar dem Einsatz der UNAMID als Friedenstruppe zugestimmt, welche nun in ganz Darfur präsent ist. Sie haben mit uns keinerlei Probleme, sondern sind jetzt ironischerweise den Angriffen der von den USA mit aufgebauten Rebellen ausgesetzt.

Das ist eines der Beispiele dafür, wie sich die Einmischung imperialistischer Mächte bei uns auswirkt.

Was hat es mit der Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den Präsidenten al-Baschir auf sich?

Die USA versuchen auch über die UN und den Internationalen Strafgerichtshof, der Regierung Sudans ihre imperialistische Politik aufzuzwingen. Um uns unter Druck zu setzen, beschuldigte der Internationale Strafgerichtshof unseren Präsidenten und einige Regierungsmitglieder des Genozids in Darfur. Das geschieht unserer Ansicht nach einerseits, um das Darfur-Friedensabkommen zu sabotieren, und zum anderen darum, Sudans Symbolfunktion als Land in der Region, welches sich seine Politik nicht vom Imperialismus diktieren läßt, anzugreifen. Ein weiterer Grund dürfte unsere Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen sein.

Wird die Republik Sudan Ihrer Ansicht nach eher wegen ihrer geostrategischen Bedeutung oder aus ökonomischen Gründen wegen der Ressourcen Opfer der imperialistischen Politik?

Wir sind der Ansicht, dass dies alles stattfindet, weil die Situation Sudans mehr oder weniger einzigartig ist. Einerseits sind wir das größte afrikanische Land und andererseits verfügen wir über zahlreiche wichtige Rohstoffe. Es gibt besipielsweise mehrere Studien, die davon ausgehen, dass Sudan die mit Abstand größten Ölvorräte ganz Afrikas besitzt. Die Region Darfur selbst hat dazu noch die größten Uranvorkommen. Beides wissen die Imperialisten ganz genau. Unsere jetzige Regierung hat, als sie die Macht übernahm, mit Chevron und Mobil die beiden größten US-amerikanischen Unternehmen aus dem Land geworfen. Um diese zu ersetzen, kooperieren wir jetzt mit staatlichen chinesischen Ölfirmen. Seitdem schicken die USA jedes Mal, wenn wir ein sogenanntes Problem mit der internationalen Gemeinschaft haben, eine Delegation hierher, welche uns anbietet, unter bestimmten Bedingungen diese „Probleme“ für uns zu lösen. Erst vor wenigen Monaten besuchte uns eine solche Delegation und bot uns an, unsere Probleme mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu beseitigen. Zu den Bedingungen sollte unter anderem gehören, dass wir die Zusammenarbeit mit den Chinesen beenden und stattdessen wieder amerikanische Ölkonzerne ins Land lassen. Außerdem sollten wir außenpolitisch Israel unterstützen und US-amerikanischen humanitären Organisationen die Arbeit in Darfur gestatten. Um den Hintergrund dieser Forderung zu verstehen, muss man wissen, dass einige der amerikanischen Hilfsorganisationen in Wahrheit Geheimdienstorganisationen sind. Wir wissen, um welche es sich dabei handelt und haben ihnen deswegen die Einreise nicht erlaubt. Nebenbei erwähnt, hatten wir ebenfalls schon sehr negative Erfahrungen mit französischen Hilfsorganisationen, die etwa Kinder verschleppten und gegen den Willen ihrer Eltern nach Frankreich ausflogen.

Nachdem wir also dieses Angebot der USA abgelehnt hatten, wurde der Präsident des Völkermords angeklagt. In unseren Augen hat der Internationale Strafgerichtshof keine Legitimation, und deswegen werden wir mit ihnen auch nicht verhandeln.

Welche Regierungen unterstützen Sudan momentan in dieser Auseinandersetzung?

Es gibt viele Regierungen, die uns in dieser Sache unterstützen. Dazu gehören die Türkei, Russland, Iran, China, die meisten arabischen Staaten und bis auf sechs alle afrikanischen. In Südamerika unterstützen uns Brasilien und natürlich auch Kuba und Venezuela. Wir werden ebenfalls von einigen asiatischen Ländern unterstützt, was manche offiziell tun, andere hingegen – um ihre Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden – inoffiziell. Zwar sind viele dieser Länder zu schwach, um etwas gegen die USA bewirken zu können, aber ihre politische und auch moralische Unterstützung ist dennoch von großem Wert für uns.

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