AG Bildung: Die Wertform der Ware

Im KI-Newsletter vom 1. April 10 haben wir die als Doppelcharakter der Ware bezeichneten spezifischen Wesenmerkmale einer Ware in der kapitalistischen Warenproduktion kennengelernt: jede Ware besitzt einen Gebrauchswert und einen Tauschwert. Diese Bestimmungen resultieren aus dem Doppelcharakter der Arbeit. Als Verausgabung „abstrakter Arbeit“ (d.h. gleicher menschlicher Arbeit) wird der Tauschwert (= Wert) und als „konkrete Arbeit“ (d.h. zweckbestimmt) der Gebrauchswert einer Ware produziert. Beide Pole der Ware bilden eine widersprüchliche dialektische Einheit: Im Gebrauch interessiert uns nicht der Tauschwert und beim Tausch wird vom Gebrauchswert abstrahiert. Die Widersprüche in der Ware pflanzen sich in der gesamten kapitalistischen Produktion fort und werden an der Oberfläche der Gesellschaft sichtbar. Ausgehend von dem Doppelcharakter der Ware „möchte die Ware nun Subjekt werden“ und ihren spezifischen, durch die abstrakte menschliche Arbeit verkörperten Wert ausdrücken. Als einzelne, isoliert stehende Ware kann sie ihren Wert nicht ausdrücken: ein bestimmter Eimer kann seinen Wert eben nicht durch sich selbst ausdrücken. Die Ware A benötigt also eine andere Ware, die Ware B, um ihren Wert auszudrücken oder mit anderen Worten: sie muß sich einen Wertausdruck suchen. Die Art und Weise, wie die Ware ihren spezifischen Wert ausdrückt, wird als die Wertform der Ware oder auch die Erscheinungsformen des Wertes bezeichnet.

1. Die einfache Wertform
Bei der einfachen Wertform, dem einfachsten formulierbaren Wertausruck, wird der Wert einer Ware mit dem Wert einer anderen Ware in Beziehung gesetzt. In unserem Beispiel möchte der Eimer seinen Wert gegenüber einer anderen Ware, den Tassen darstellen und ausdrücken. Die Wertbeziehung lautet:
(1) 1 Eimer = 10 Tassen In unserem Beispiel tauscht sich der Eimer mit den Tassen nicht in einem Verhältnis von 1:1 sondern 1:10. Die quantiative Beziehung zwischen beiden Waren entspricht einem bestimmten Verhältnis der Wertgrößen zueinander, welches durch die zur Herstellung beider Waren benötigten Arbeitszeit entspricht. In Beziehung (1) zeigt sich auch, daß beide Waren eine unterschiedliche Stellung in der Wertbeziehung einnehmen. Der Eimer oder genauer der Wert des Eimers stellt sich als relativer Wert dar und er befindet sich daher in der relativen Wertform. Die Tassen hingegen fungieren als wertbezogenes Äquivalent des Eimers und befinden sich folglich in der Äquivalentform. Eine Ware kann sich allerdings nicht gleichzeitig in der relativen Wert- und Äquivalentform darstellen, denn es hängt von ihrer Stellung im Wertausdruck ab, ob sie die Ware ist, a) deren Wert audrückt wird oder sich b) der Wert einer anderen Ware ausdrückt.

Der Äquivalenzausdruck in (1) bringt den spezifischen Charakter der wertschöpfenden Arbeit zum Vorschein, indem er die in den verschiedenen Waren verkörperten Arbeiten auf das einzig gemeinsame, d.h. die menschliche Arbeit als solche zurückführt. Das quantitative Verhältnis zwischen der Ware Eimer und der Ware Tasse wird durch die zu ihrer Herstellung benötigten Arbeitszeit bestimmt. Änderungen in der benötigten Arbeitszeit wirken sich wiederum in einer Korrektur der quantitativen Wertbeziehung beider Waren aus. Hierin liegt aber auch gleichzeitig ein Widerspruch in der Logik der einfachen Wertform, denn eine Verringerung der notwendigen Arbeitszeit zur Herstellung einer Ware in der relativen Wertform verändert die Gleichgewichtsbeziehung mit der Äquivalentform. Wird z.B. die für die Herstellung eines Eimers notwendige Arbeitszeit um 50 % verringert, reduziert sich der Wert des Eimers und er tauscht sich jetzt nur noch gegen 5 Tassen. Die Änderung des durch die benötigten Arbeitszeit ausgedrückten Wertes in der relativen Wertform wird über die Austauschbeziehung jedoch nur in der Äquivalenzform sichtbar und drückt sich daher nur unzureichend aus. Daraus folgt, daß der relative Wert konstant bleiben kann, obwohl ihr Wert sich ändert oder analog der relative Wert kann sich ändern obwohl der Wert konstant bleibt. Die einfache Wertform als Wertausdruck für eine Ware reduziert sich somit ausschließlich auf die Wertbeziehung zweier Waren. Wird nun ein dritter Gegenstand (z.B. Blumentöpfe) als Austauschware für den Markt produziert, müssen neue Wertausdrücke gefunden werden. Für jedes auf dem Markt miteinander in Beziehung gestellten Warenpaar muss bei der einfachen Wertform jeweils ein Wertausdruck definiert werden. Vergegenwärtigt man sich die auf dem Markt erhältlichen Waren, ergäbe die freie Kombinierbarkeit aller Waren eine unübersehbare Anzahl von Werteausdrücken.

2. Die entfaltete Wertform
Dem Mangel des unzureichenden Wertausdruckes einer Ware in der einfachen Wertform und dem Gewirr von theoretisch vorstellbaren Wertausdrücken wird in der entfalteten Wertform als nächsten logischen Schritt begegnet:
(2) 1 Eimer
= 10 Tassen, = 7 Blumentöpfe, = 2 Kissen, =2 Zahnbürsten, = etc.
Bei der entfalteten Wertform sind nicht mehr lediglich zwei Waren am Austausch beteiligt, sondern der Wert einer Ware (d.h. ein Eimer) drückt sich in dem Tauschwert vieler Waren aus. Die Ware in der relativen Wertform „sucht“ sich aus einer Fülle von Tauschobjekten ihre Ware, in der sie ihren Wert ausdrücken möchte. Gegenüber der einfachen Wertform impliziert die entfaltete Wertform mehr “Tauschkonstanz“, da die äquivalenten Werte in einem “Netz von äquivalenten Tauschbeziehungen” eingebunden sind. Dennoch ist der unmittelbare Wertausdruck der einen Waren auf die andere Warenart eingeschränkt und es entstehen zahlreiche verschiedene einfache Wertausdrücke ein- und derselben Ware. Der einzelne Wertausdruck verwandelt sich daher in eine unübersichtliche Folge seiner verschiedenen einfachen Wertausdrücke.
Zudem löst die entfaltete Wertform nicht die Forderung nach einem allgemeinen Wertausdruck, weil – vergleichbar mit der einfachen Wertform – alle anderen Waren sich noch in der Äquivalentform befinden. Aber auch die sich in der Äquivalentform befindlichen Waren „möchten“ ihren Wert gegenüber anderen Waren ausdrücken. Die Frage, wie diese Waren in die relative Wertform gelangen, bleibt ungeklärt.
3. Die allgemeine Wertform
Aus der entfalteten Wertform läßt sich ableiten, daß wir aus der Fülle von angebotenen Waren eine Ware suchen, die als allgemeiner Wertausdruck für alle anderen Waren fungieren kann. Theoretisch kann diese Funktion jede Ware einnehmen, da die allgemeine Äquivalentform eine Form des Wertes überhaupt ist. In unserem Beispiel drücken sich nun die Werte einiger auf dem Markt angebotenen Waren in einer Ware, dem Eimer, aus:
(3) 10 Tassen, = 7 Blumentöpfe, = 2 Kissen, 12 Zahnbürsten, = etc.
= 1 Eimer

Als Ergebnis können wir festhalten, daß wir nun eine endlose Reihe von relativen Wertformen und eine Äquivalentform erhalten. Weil nun alle Waren ihren Wert in einer Ware ausdrücken, können die Waren aufeinander als Werte bezogen werden. Indem nun alle Waren als reine Tauschwerte erscheinen, wird der Gebrauchswert einer Ware durch die allgemeine Wertform bis zur Unkenntlichkeit verschleiert. Im Fokus steht nicht mehr die eine einzelne Ware mit ihrem Gebrauchswert, sondern eine Äquivalenzform mit ihrem Tauschwert. Da nun eine Ware als allgemein gesellschaftlich anerkannte Äquivalenzform in Erscheinung getreten ist, wird die abstrakt menschliche Arbeit als allgemeiner Ausdruck des Wertes resp. der Äquivalenz verschleiert.
Mit zunehmender Entwicklung der Produktivkräfte und der Warenproduktion sowie der zunehmenden Komplexität des Warentausches, ergab sich die historische Notwendigkeit, ein allgemein anerkanntes Äquivalent in Form von Edelmetallen (Silber, Gold) oder seltene Naturprodukte (Salz, Edelsteine, etc.) einzuführen. Mit zunehmender Verknappung und aus Gründen der Praktikabilität wurden die Edelmetalle später vom Geld als allgemeinem Äquivalent ersetzt ( Geldform). Die Ware ist nun an ihrem Ziel angekommen: Sie hat einen allgemeinen und gesellschaftlich anerkannten Wertausdruck in Form des Geldes gefunden. Oder mit den Worten von Marx

„Es wird ihre (des Geldes, d.A.) spezifisch gesellschaftliche Funktion, und daher ihr gesellschaftliches Monopol, innerhalb der Warenwelt die Rolle des allgemeinen Äquivalents zu spielen.” (Marx, K., Das Kapital, Bd. I, S. 83)

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß der Leser geneigt sein könnte, in der Entwicklung der Wertformen eine historische Abfolge über einen nicht genau definierbaren Zeitraum zu sehen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die verschiedenen Wertformen haben über den Wertausdruck der Ware einen inneren logischen und keinen historischen Zusammenhang.
Zur Vertiefung der Logik der Wertformen wird das Studium des Primärtextes von K. Marx (Das Kapital, Bd. I, S. 62-85) empfohlen.

AG Bildung
Kontakt: bildung@kommunistische-initiative.de

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