Die Erosion der antiimperialistischen Solidarität am Beispiel Sepp Aigners und der DKP

 

Seit der Konterrevolution befindet sich die antiimperialistische- und Friedensbewegung der BRD im Niedergang. Die Friedensbewegung war seit jeher sehr heterogen strukturiert, in ihr wirkten mehrheitlich kleinbürgerliche Ideologie anhängend und/oder nichtmarxistische Kräfte. Durch das Wirken des Marxismus-Leninismus innerhalb der Friedensbewegung, insbesondere durch die nicht zu leugnende Existenz des deutschen Friedensstaates DDR, kamen auch die nicht marxistischen Kräfte zwangsläufig zu einer in diesem Teilbereich marxistisch-leninistischen Erkenntnis in ihrem Friedenskampf, zur antiimperialistischen Solidarität.

 

Heute, nach der Konterrevolution von 1989/1990, sieht das ganz anders aus. Die Friedensbewegung agiert kopflos, seitdem die marxistisch-leninistische Orientierung zur antiimperialistischen Solidarität mit dem Ende der DDR enthauptet wurde. Auch die DKP versäumte es in ungeheurem Maß die Friedensbewegung zu politisieren indem ihre Leitlinie “keine Politisierung der Friedensdemonstration” ihnen heute mit dieses Resultat bescherten. Dies gipfelte in dem totalen Versagen der Friedensbewegung der BRD zur Lybien-Solidarität, auch in der DKP und SDAJ.

 

Die kleinbürgerlichen, nichtmarxistischen Kräfte werden seit der Konterrevolution nicht mehr von den sozialistischen Idealen beeinflusst und geleitet. Stattdessen ergießen sich entweder in achselzuckender Äquidistanz. Das bedeutet konkret, sie wenden sich einer Nebensächlichkeit zu, nämlich dass für sie beide Parteien (etwa die israelische Aggression und der palästinensische Widerstand) in ihrem Konflikt von einem fiktiven Pol der bürgerlichen Harmonie abweichen und darum beide gleicherweise nicht unterstützt werden dürften. Die wirklich entscheidende Hauptsache, wer wen unterdrückt und berechtigten Widerstand gegen seine Unterdrückung leistet, fällt dabei unter den Tisch.

 

Noch schlimmer wird es, wenn sich diese Kräfte heute gar direkt für imperialistische Zwecke instrumentalisieren lassen. Gerne auch unter dem heute unangenehm oft missbrauchten Schlagwort „Emanzipation“, siehe „Adopt a Revolution“.

 

Die vorgenannte Enthauptung hat natürlich auch die Rest-kommunistische Bewegung der BRD getroffen. Dies wird auch bei so linken DKPlern wie Sepp Aigner deutlich, die langsam und widersprüchlich einst klare antiimperialistische Standpunkte aufweichen, nachdem sie sogar zweitweise in der DKP verbannt schienen. Deutlich wird dies an einem jüngst von Sepp Aigner veröffentlichen Artikel in Theorie und Praxis, dem Theorieorgan der DKP. Unter der Überschrift „Antiimperialismus heute: Solidarität, auch mit Reaktionären?“ widmet er sich der Frage, wie antiimperialistische Solidarität aus der Perspektive des Proletariats auszusehen hat. Auffällig ist, dass er die selbst aufgeworfene Frage im Artikel gar nicht beantwortet, obwohl sie eine Ja-oder-Nein-Antwort suggeriert.

 

In dem dritten Abschnitt äußerte er seine Bedenken über einige antiimperialistische Nationen wie Belarus oder Iran, ersteres bezeichnet er als “autoritärem Regime” und zuletzt genannte legt er zur Last die “kommunistische Partei des Iran nahezu liquidiert” zu haben.

 

Dann fährt Aigner fort indem er die Kampfbedingungen überall auf der Welt als “Dass die Bourgeoisie ihre Herrschaft in Form des bürgerlichen (National-)Staates organisiert (…) Sie macht es notwendig, dass die Arbeiterklasse zunächst in jedem Land ihre Bourgeoisie besiegen und die eigene Macht zunächst in nationaler Form errichten muss.”[1] (Hervorhebung durch uns).

Zur Situation in den unterdrückten Nationen fügt er hinzu: “Die werktätigen Klassen und Schichten werden also doppelt ausgebeutet, über das Lohnarbeitsverhältnis durch die eigene Bourgeoisie hinaus zusätzlich von den Imperialisten.” Zu kurz kommt dann von Aigner der beschriebene Abschnitt vom Unterschied zwischen Kompradorenbourgeosie, nationaler Bourgeoisie und Großgrundbesitzern, dazu noch Proletariat (eigentlich sollte man hier noch einen besonderen Schwerpunkt auf die Industrieproletarier und Landarbeiter legen) und Imperialisten. Im letzten Absatz des Kapitels “Interessensübereinstimmungen” stellt er auch noch fest, dass “die Arbeiterklasse (…) in solchen Ländern daher ein objektives Interesse (hat), die imperialistische Oberhoheit abzuwerfen und sich zu diesem Zweck auch mit der nationalen Bourgeoisie zu verbünden (…).” Dies soll angeblich nur kurze Zeit halten, da die Arbeiterklasse dann sofort “die Machtfrage (zu) stellen” habe – so sinngemäß Aigner.

 

Diese vorangegangenen Unachtsamkeit und Oberflächlichkeit bei den Grundlagen sollen den Kern für die folgenden Fehlschlüsse bilden. Aigner beschreibt in dem wenig gesagten erst einmal einen richtigen Zustand. Vorweg nimmt er aber in seinem Absatz, dass “zunächst in jedem Land” der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeiter beseitigt werden müsse. Aigner beschreibt zwar zurecht, dass die Entwicklung in der unterdrückten Nation verkrüppelt und hemmend vonstattengeht, dass in diesem Land Großgrundbesitzer, also Feudalherren, noch existent sind, grundlegende ökonomische Macht innehaben, zieht er aber mit vorweggenommenen keinerlei Schlüsse auf diese eindeutig anders geordnete ökonomische Situation. Wie kann denn in einer unterdrückten Nation der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital vorrangig sein? Nur wenn man die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus außer Acht lässt!

 

Tatsache ist und bleibt dass in unterdrückten Nationen eine deutlich andere Situation vorherrscht als in imperialistischen Zentren. Dazu gehören nicht nur die wenigen und lückenhaften Aufzählungen des Sepp Aigner sondern einiges mehr. Einerseits entwickelt sich die nationale Wirtschaft nur in den Bereichen, die dem Imperialismus nützten. Diese einseitige Produktion sind vor allem Rohstoffabbau, also keine Erzeugnisse, die eine nationale unabhängige Entwicklung begünstigen könnten, aber auch hier, es sei denn, dass sie der ausbeutenden imperialistischen Nation nützen. Dadurch, dass der Aufbau der Schwerindustrie verhindert wird bietet sich überwiegend im landwirtschaftlichen Bereich die Möglichkeit der Produktion.

 

Der überwiegende Teil des Landes ist unter Großgrundbesitzern aufgeteilt, die ihr Land an Leibeigene gegeben haben und die hohe Abgaben zahlen müssen um diese bewirtschaften zu dürfen. Da kleine Handwerksproduktionen sich nicht entwickeln können findet auf dem Land überwiegend Handarbeit statt, die den Boden zerstört und die Abgabenzahlung deutlich erschwert. Durch immer höhere Abgabenleistungen müssen die Leibeigenen häufig auf den Drogenanbau umsteigen um ihr kleines Land bezahlen zu können.

 

Erschwert wird dies durch die Einfuhr von Waren aus dem imperialistischen Zentrum, für die logischerweise deutlich weniger gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit aufgewandt werden muss. Dies ruiniert vollends die einheimische Lebensmittelproduktion und führt letztendlich zu Hungerkatastrophen. Auf der anderen Seite gibt es einen Teil von Landarbeiter, die direkt als Lohnabhängige dem Großgrundbesitzern als Lohnsklaven dienen. Dies verhindert Bildung und Emanzipation, weshalb religiöser Fanatismus in der Landbevölkerung wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzt.

 

Gerade diese Grundbesitzer sind die Handlanger der Imperialisten. Die nationale Bourgeoisie hat ein Interesse an profitabler Produktion, die nur ohne imperialistische Besatzung möglich ist. Zudem gibt es ein kleines progressives Industrieproletariat, das dort entsteht wo die Imperialisten industrielle Produktion zulassen. Ein letzter Teil begründet sich auf Manufakturarbeit.

 

Wer kann also die Nation vom Joche des Imperialismus befreien? Das Proletariat hat natürlich ein Interesse sich aus dieser Knechtung zu befreien – egal ob auf dem Land oder in der Fabrik. Die Leibeigenen wollen ebenso Freiheit von ihrer Knechtung. Die nationale Bourgeoisie ist die letzte wichtige Fraktion, die das Joch des Imperialismus abschütteln möchte und aus ökonomischer Notwendigkeit auch muss. Die Religion nimmt hier dann einen besonders progressiven und revolutionären Charakter ein als Band für alle progressiven Kräfte zu wirken. Alle 3 Klassen sind also mindestens in der Lage ein wichtiger Bestandteil des Befreiungskampfes zu sein oder zu werden.[2]

 

Zurück zum zweiten Absatz des Sepp Aigner. Denn dort fängt Aigner an die vom Imperialismus bedrohten Nationen aufzuzählen und endet mit der abfälligen Bemerkung “Diese am unmittelbarsten bedrohten Staaten haben kaum mehr gemeinsam als eben den Umstand, imperialistischen Aggressionsziel zu sein”.[3]Im Kapitel ” Revidierung des Völkerrechts” erfindet er zudem die Unterscheidung zwischen “sozialistisch”, der bürgerlichen Definition “links” und “reaktionärem” antiimperialistischen Staaten. Abgesehen von diesem bürgerlichen Unwort “links” soll es laut Aigner also “reaktionäre” Antiimperialisten geben? Was bitte soll das sein? Da der Antiimperialismus in jeglicher Hinsicht fortschrittlich ist, da er die gesellschaftliche Entwicklung der Nation voran treibt, wie kann er dann reaktionär sein, also rückwärtsgewandt? Dann würde sich das Ganze im Kreis drehen, aber hier wohl eher Aigners semantische Schwierigkeiten.

 

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit nicht nur mit Begriffen, sondern auch mit Argumenten, sogenannten “Erkenntnissen” oder “Beweisen” der Bourgeoisie zu gesetzmäßigen Vorgängen in der Welt Stellung zu beziehen und sie dann auch noch als “kommunistisch” darzustellen. Aigner bezeichnet die heldenhafte Nation Belarus als “autoritär”, eine Nation die heute besonders unter den Embargo-Aktionen der EU und allen voran der BRD leidet. Wie kann man so eine Nation “autoritär” nennen, in der eine nationale Front regiert, mit einer fortschrittlichen Kommunistischen Partei Belarus an der Regierung? Lukaschenko sagte selbst zu dem  Erbe der Oktoberrevolution in Belarus: “Die Oktoberrevolution hat das gewaltige Potential des unterdrückten Volkes geweckt, hat die Massen in ihrem Streben vereint, ein freie und gerechte Gesellschaft aufzubauen.”[4]

 

Bezüglich Iran: Die “kommunistische Partei des Iran nahezu liquidiert” – hat sich die Tudeh-Partei selbst. In einer Zeit, da antiimperialistische Einheit geboten war, eine Ausrichtung aller Kräfte hinter der islamischen Republik hat sich die Tudeh-Partei als Werkzeug des britischen Imperialismus missbrauchen lassen. Dies war und ist möglich gewesen weil die Tudeh-Partei nicht auf dem Fundament des Marxismus-Leninismus stand, keine Saboteure, Feinde und Gegner aus der Partei säuberte sondern unter dem revisionistischen Kurs alles und jeden drinnen behielt, die dann walteten und zerstörten. Herr Aigner fragt sich an dieser Stelle sicherlich auch nicht warum die Sowjetunion trotz des Verbots der Tudeh-Partei weiterhin zur islamischen Republik Iran hielt. Das kommt eben davon wenn man tatsächlich noch glaubt, dass überall wo “kommunistisch” drauf steht auch “kommunistisch” drinnen ist. Aber lassen wir auch hier diese Nation selbst zu Wort kommen: “Ahmadinedschad hat bei diesem Treffen die revolutionäre und große Persönlichkeit von Fidel Castro gewürdigt und erklärt, alle Völker der Welt vor allem die revolutionären würden den Namen Fidel Castro kennen und diese revolutionäre Persönlichkeit ehren. Er verwies darauf, dass die Völker Kubas und Irans gemeinsame Ideale und Sichtweisen bezüglich internationaler Angelegenheiten haben und sagte, angesichts dessen, dass der Kapitalismus sein Ende erreicht habe, würden die Völker Kubas und Irans in der jetzigen Lage eine große Verantwortung tragen um ein neues System basierend auf Gerechtigkeit und Menschlichkeit herzustellen.”[5]

 

Zuerst zu Sepp Aigners abfälliger Bemerkung. Wenn die Nation sich vom Imperialismus emanzipiert hat, droht ihr durch Krieg und Sabotage der Imperialisten die von uns aufgezeigte Situation erneut. Die Notwendigkeit dieser Nation ist zu kämpfen und aus tiefster Subjektivität und Notwendigkeit antiimperialistisch zu sein. Dabei ist es doch vollkommen egal ob in dieser Bewegung/ Nation die Bourgeoisie oder das Proletariat die stärkere Fraktion bildet. Es ist nicht nur ein “gemeinsamer Umstand” in dem sich das Land befindet, sie befinden sich in der barbarischen Drohkulisse der Imperialisten, eine Situation in der Bourgeoisie und Proletariat und aller anderen Klassen und Schichten zusammenhalten müssen! Diese Klassen beseelt der gemeinsame Wille, die gemeinsame Leidenschaft lieber ihr Leben für die Freiheit ihrer Nation zu geben als Knecht des Imperialismus zu sein! Das einfach nur als “gemeinsamen (…) Umstand” zu betiteln ist nicht nur verharmlosend, relativierend, analytisch falsch sondern zutiefst respektlos für die Errungenschaften und Opfer dieser Bewegung, dieser Nation!

 

Was würde es für Nationen wie Iran oder Nordkorea bedeuten, Aigners wählerische Elfenbeinturmperspektive einzunehmen? Es würde zur Spaltung und Schwächung des antiimperialistischen Lagers führen! In seinen widersprüchlichen Gedankengängen scheint dies Aigner auch bewusst zu sein, weswegen er wohl eine eindeutige Antwort meidet und die selbst aufgeworfene Frage unbeantwortet lässt.

 

Obwohl Aigner die imperialistisch-gesteuerten Farbenrevolutionen ablehnt, macht er sich doch durch seine Verurteilung “reaktionärer Regimes” zum kommunistischen Kronzeugen der imperialistischen Destabilisierungsstrategien. Ob er dieses Handwerk nun aus Absicht oder Dummheit betreibt ist bekanntermaßen irrelevant (Lenin).

 

Richtschnur unseres Handelns kann nicht die bürgerliche Moral etwa kreischender Femen sein. Für das internationale Proletariat und seine Moral ist entscheidend, was den imperialistischen Hauptfeind schwächt und der Arbeiterbewegung den Kampf erleichtert, um den Kampf der nach nationaler Unabhängigkeit strebenden oder diese Unabhängigkeit Verteidigenden zu einer Reserve des internationalen Proletariats zu machen. An diesem Anspruch ist für Kommunisten zu beurteilen, ob eine Regierung reaktionär oder progressiv ist.

 

Sepp Aigners Artikel, der in dem Theorieorgan der DKP abgedruckt und damit als eine grundlegendere Position des aktuellen Handelns der DKP(-Linken) betrachtet werden kann, lässt sich nur konstatieren, dass dieser Artikel “links blinken und rechts abfahren” ist. In seiner Konsequenz bedeutet er ein leicht progressiveres Verständnis von der Bündnispolitik als von der alten DKP Führung, da nicht mehr alle antiimperialistischen Staaten abgelehnt werden. Im Kern ist er keine grundlegende theoretische Wende hin zum Marxismus-Leninismus wie die DKP-Linken dies engelsgleich in Chören ankündigten. Wer den Iran und Belarus als reaktionär und autoritär bezeichnet kann unter diesen Umständen nur der kleine Finger des langen Arms des deutschen Imperialismus sein, der versucht diese Front der Länder ideologisch zu entzweien und zu zerschlagen.

 

»Der Imperialismus ist die Epoche der fortschreitenden Unterdrückung der Nationen der ganzen Welt durch eine Handvoll ´Groß`mächte. Und darum ist der Kampf für die internationale, sozialistische Revolution gegen den Imperialismus unmöglich ohne Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen, ohne die Vereinigung des Kampfes der Proletarier in den unterdrückenden Ländern mit dem nationalen Befreiungskampf in den unterdrückten Ländern. Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren (Marx,Engels). Ein Proletariat, das sich auch nur mit dem kleinsten `Gewaltakt` `seiner` Nation gegen andere Nationen abfindet, kann nicht sozialistisch sein« (Lenin, Bd. 21, Seite 318, dt. Ausgabe).

 

Solidarität mit allen antiimperialistischen Nationen und Bewegungen!

Die Kommunistische Initiative in Deutschland



[1] http://theoriepraxis.wordpress.com/2013/06/03/antiimperialismus-heute/

[2] http://politische-oekonomie.org/Lehrbuch/kapitel_19.htm

[3] http://theoriepraxis.wordpress.com/2013/06/03/antiimperialismus-heute/

[4] http://www.dw.de/belarus-kommunisten-feiern-oktoberrevolution-demokraten-protestieren/a-2879752

[5] http://german.irib.ir/nachrichten/praesident/item/201410-ahmadinedschad-und-castro-unterstreichen-reformierung-der-ungerechten-gleichnisse-auf-der-welt

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