Klassenweise unterschiedliche Reaktionen zum Tod von Muammar Al-Gadhafi
Freude herrscht in der Bourgeoisie
In der Bourgeoisie der meisten NATO-Länder wird der Tod Gadhafis mit Triumphgeheul gefeiert. Nur wenige halten ihre Freude an der physischen Beseitigung Gadhafis zurück. Innerhalb des Arsenals der Imperialisten entwickelt sich der politische Mord zu einer beliebten Waffe. Diese Tendenz hat mit der Entwicklung von Drohnen zugenommen und wird mit weiteren Schritten zur Automatisierung der Kriegsführung vorangetrieben.
Die Regierungschefs des Kriegsbündnisses gegen Libyen werfen sich in grosszügige Siegerpose und “bedauern”, dass Gadhafi nicht vor Gericht gestellt worden sei. Die hinter ihnen stehenden Geschäftsherren reiben sich die Hände angesichts der reichen Beute an Bodenschätzen (mit Privilegien für die Franzosen und Engländer, deren diplomatischen und militärischen Aggressionen die Bengasi-Schurken ihre Pöstchen bei der “Übergangsregierung” und ihre Rechte zur Plünderung von “befreiten” Städten wie Tripolis und Sirte verdanken) und angesichts der der massiven Zerstörungen, mit denen die NATO-Bomber den Boden für die Wiederaufbau-“Hilfe” vorbereitet haben.
Die Massenmedien verbreiten Bilder, die uns davon überzeugen sollen, dass das libysche Volk den Tod seines des verhassten Tyrannen bejubelt. Doch im Ernst: Welcher Unterdrücker hat so viel Vertrauen in sein eigenes Volk, dass er es wagen würde, die Zeughäuser den Volksmassen zu öffnen, damit sich diese bewaffnen können? Genau das hat Gadhafi getan, als die sogenannten Aufständischen behaupteten, sie wollten das Volk befreien.
Dass die beteiligten NATO-Hauptstädte die Tötung Gadhafis befohlen, und dass sie sich bei dieser Operation auch hauptsächlich auf eigene Kräfte verlassen haben, ist zu vermuten. Wie ein Sprecher der legitimen libyschen Regierung versichert, wurde Gadhafis Tod durch einen Bombenangriff von NATO-Kräften verursacht. Gadhafis Beseitigung rettet die NATO-Mächte und ihre repräsentativen Politiker vor Risiken eines internationalen Gerichtsverfahren. Denn jedes halbwegs anständige Gerichtsverfahren (auch wenn jeder weiss, dass das Urteil im voraus feststeht) hätte Gadhafi weite Möglichkeiten geboten, Sarkozy, Berlusconi und andere Führer der Kriegskoalition blosszustellen.
Allerdings hätten die Imperialisten wohl ein ruhmloseres Ende Gadhafis (z.B. Fluchtversuch ins Exil) vorgezogen. Gadhafi ist mit der Waffe in der Hand in die Gewalt der Gegner gefallen. Sein Tod als ungebrochener Märtyrer, der bis zum letzten Atemzug allen wüsten Drohungen der NATO trotzte und sein Volk zum Widerstand gegen die mächtigen Feinde anführte, kommt den kriegsführenden Mächten ungelegen.
Künftige Generationen von Schriftstellern, Drehbuchautoren und Kulturschaffenden aller Art werden kaum an dieser interessanten Figur und Biographie vorbeisehen. Allein das Kostüm für einen Gadhafi-Film wäre für eine reizvolle Aufgabe, denn so wie Gadhafi seinen Leib für sein Land hingegeben hat, stellte er ihn auch zu Lebzeiten in den Dienst des ideologischen Kampfes um die Rechte und die Ehre Libyens und Afrikas. Er besass die Unverschämtheit, sich bei einer Begegnung mit Berlusconi mit Fotographien von Greueltaten der italienischen Kolonialherren in Libyen in der Zeit von 1911-1943 an der Brust zu präsentieren. Bekanntlich trug er bei offfiziellen Aufritten gerne traditionelle afrikanische Gewänder. Seine vielfach als “exzentrisch” dargestellten Auftritte können auch als Manifestation der Peripherie gewesen, sich gegen die Zentren zu behaupten.
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Trauer im antiimperialistischen Lager
Der Anlass seiner hinterhältigen Tötung löst bei uns alles andere als das Bedürfnis aus, uns in Distanzierungen von dem Getöteten und seiner Ideologie und Politik zu ergehen. Festgehalten gehört: Das antiimperialistische Lager hat einen Kämpfer verloren, der im Laufe seines Lebens dem Imperialismus manchen grösseren oder kleineren Stoss versetzt hat.
Anstatt einer ausführlichen Bewertung Gadhafis sei hier allgemeiner festgestellt: Das antiimperialistische Lager ist naturgemäss ideologisch sehr heterogen zusammengesetzt. Das kann auch nicht anders sein, angesichts der Tatsache, dass die globale Offensive des Imperialismus zur Aufrichtung seiner Herrschaft auf dem gesamten Planeten wahllos sehr unterschiedliche Klassen und Schichten mit allen denkmöglichen Kulturen, Produktionsformen, Religionen, sehr unterschiedliche gesellschaftliche Strukturen etc. zu Opfern macht. Die daherige ideologische Zerklüftung des antiimperialistischen Lagers darf nicht von der Tatsache ablenken, dass das antiimperialistische Lager (objektiv, durch die Logik der Dinge) in Solidarität verbunden ist. Die Folgen jedes Fehlers und Rückschlags jeder einzelnen antiimperialistischen Kraft müssen von allen getragen werden. Jeder Teilsieg gegen den Imperialismus kommt allen zugute und erleichtert ihren Kampf. Zudem ist damit zu rechnen, dass der gemeinsam geführte Kampf unterschiedlicher Kämpfer mit breit gestreuten Erfahrungen nicht nur das antiimperialistische Lager generell stärkt, sondern auch das Gewicht der Arbeiterklasse, ihrer Ideologie und ihrer Kommunistischen Parteien innerhalb des antiimperialistischen Lagers. Schulter an Schulter mit den klassenbewussten Arbeitern kämpfend, werden diese Verbündeten ihre politischen Rückstand am ehesten aufholen können und werden zentrale Thesen des Marxismus-Leninismus in ihrer Praxis bestätigt finden.
Dass Gadhafi sich in die nationale Geschichte Libyens und in die Erinnerung der Völker Afrikas einschreiben wird, steht ebenfalls schon heute fest. Afrika trauert um einen Freund.
Aus dem bolivarianischen Lateinamerika vernimmt man zu Gadhafis Tod ganz andere Töne als wir sie von den Regierenden in Westeuropa zu hören bekommen. Der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez bedauerte den Tod Gadhafis und bezeichnete die Tötung als vorsätzlichen Mord. Er würdigte den Gefallenen als grossen Kämpfer und Revolutionär und jetzt auch als Märtyrer.
Russische Kommunisten warnen vor Rückfall Libyens ins Mittelalter
Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Gennadi Sjuganow, bezeichnete es als beschämend, dass die NATO ihren Einsatz mit Lynchmorden beendet, während US-Präsident Obama sich als Friedensnobelpreisträger feiern lässt. Die Politik der NATO folge dem schlechten Beispiel der 1930er Jahre. Der stellvertretende Generalsekretär der KP, Iwan Melnikow, nannte die Ermordung Gadhafis eine «koloniale Barbarei in Dekorationen des 21. Jahrhundert». Die Nachrichtenagentur Novosti zitiert Melnikow mit den Worten:
«Ich denke, dass sich die Welt heute die veröffentlichten Bilder und Videos der Tötung Gaddafis aufmerksam anschauen muss. Da ist nicht nur der tote Ex-Revolutionsführer Libyens, sondern auch ein Symbol der von den Amerikanern zerfleischten Souveränität eines unabhängigen Landes. Das ist ein Finale ihres (der Amerikaner) rasenden Wunschs, sich der Ressourcen dieses reichen Staates zu bemächtigen. Und sie spucken auf die künftige Situation im Land, es juckt sie überhaupt nicht, dass Libyen ins Mittelalter zurückkehren wird.» ( RIA Novosti, 20.10. )
Die russischen Kommunisten und die beiden anderen in der Staatsduma vertretenen Oppositionsparteien (“Gerechtes Russland” und Liberaldemokraten) verlangten, dass das russische Parlament eine Botschaft absende, um dem libyschen Volk zu Gadhafis Tod zu kondolieren. Der Beschluss für ein Kondolenzschreiben wurde von der regierenden Putin-Partei (“Geeintes Russland”) verhindert, die in der 2007 gewählten Duma über eine erdrückende Mehrheit (315 von 450 Sitzen) verfügt.
(21.10.2011/mh)
QUELLE: www.kommunisten.ch
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