Es gibt keinen ‘harmonischen’ Imperialismus

Auch Chinas “Landnahme“ – nur ‘schmutzige Verleumdung’?

 

Private Investoren und Staaten kaufen immer mehr Land auf – und bedrohen damit die globale Ernährungssicherheit.

 

»Im Visier der Landkäufer sind vor allem afrikanische Länder mit korrupten Regierungen sowie Lateinamerika und Südostasien: Sudan, Ghana und Madagaskar gehören der Weltbank zufolge zu den Top-Zielen. Auch in Brasilien und Argentinien sowie in Indonesien und den Philippinen werden Flächen oft zu Spottpreisen verkauft.« –

 

»Die größten Investoren sind China, Großbritannien und Saudi Arabien. Europas Nachfrage nach Biosprit sei eine Haupttriebfeder für den Landraub in Afrika, sagt Adrian Bebb von Friends of the Earth International: „Um Autos mit dem vermeintlich grünen Sprit zu tanken, nehmen in den afrikanischen Ländern Hunger und Versorgungsunsicherheit zu.“ Eine Erhebung der Umweltschutzorganisation in elf afrikanischen Staaten ergab, dass fünf Millionen Hektar Fläche für die Biosprit-Produktion genutzt werden – das wäre eine Fläche größer als Dänemark. Der Biosprit gelange Großteils nach Europa.« –

»Tatsächlich ziehen bei Landkonflikten aber lokale Kleinbauern häufig den Kürzeren. Die Bauern werden vertrieben, weil sie keine Kauf- oder Pachtverträge für das von ihnen bewirtschaftete Land vorlegen können. „Die Armen wird der Boden unter den Füßen weggezogen“, schreibt die Welthungerhilfe. Die Bevölkerung verliert den Zugang zu ihrem Land und auch jenen zu Wasserquellen.« –

 

»In einigen Fällen arbeiten die Bauern in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen für die Käufer oder Pächter, einige – vor allem chinesische – Investoren bringen gleich ihre eigenen Arbeitskräfte ins Land mit. Damit verlieren Bauern nicht nur ihr Einkommen, sondern auch den Zugang zu angemessener Nahrung, kritisiert die Welthungerhilfe.« –

 

»Rund eine Milliarde Menschen leiden infolge von Armut, Konflikten und politischer Instabilität unter Hunger. In 29 Ländern ist die Hungersituation sehr ernst oder sogar gravierend {…}« [1]

 

Die ZTE International, eines der größten staatlichen Telekom-Unternehmen in China, soll »im Sudan 10.000 ha Land [100 km²] für den Anbau von Weizen und Mais erhalten haben und auch in Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern in die Landwirtschaft investieren, unter anderem in Futterfabriken und den Anbau von Ölsaaten. Im nigerianischen Bundesstaat Edo wollen angeblich chinesische Investoren 6.000 Hektar Land [60 km²] mit Reis und Cassava bebauen und Verarbeitungsbetriebe errichten, um Ethanol, Stärke und Nudeln erzeugen. In Tansania vereinbarte Beijing mit der Regierung, dass chinesische Unternehmen in Aquakultur und Viehhaltungsprojekte investieren.« –

 

Im August 2007 wurde ein “Vertrag“ mit der Demokratischen Republik Kongo über 100.000 Hektar [1.000 km²] Ölpalmenplantagen abgeschlossen. Im November 2008 ein “Abkommen“ mit Uganda über eine riesige Freihandelszone. Es zirkulieren Berichte über Planungen für großflächige Konzessionen in Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo oder Angola. –

 

„Es ist nicht realistisch, Getreide in fernen Ländern anzubauen, besonders in Afrika oder Südamerika. In Afrika hungern so viele Menschen. Und das Getreide muss per Schiff nach China verfrachtet werden. Die Kosten und die Risiken sind sehr hoch“, sagt Xue Guoli, Mitarbeiter im chinesischen Landwirtschaftsministerium. [2] –

 

In Kambodscha gehörte Ende 2006 »jede zweite der 26 wirtschaftlichen Landkonzessionen in ausländischen Besitz mit einer Gesamtgröße von 188.000 Hektar [1.880 km²] Chinesen. Überwiegend handelt es sich dabei anscheinend um Pflanzungen schnell wachsender Bäume wie Akazien und Eukalyptus, um Ölpalmen, Cassava, Zuckerrohr und Kautschuk.« –

 

»Auch in Laos fördert Chinas Regierung Agrarinvestitionen, unter anderem in die Kautschukproduktion. {…} eine Schätzung spricht von 150.000 Hektar [1.500 km²], die privaten Unternehmen preiswert für Pachtzeiten von 30 bis 50 Jahren zur Verfügung gestellt wurden.« –

 

»Wie in Afrika sind unter den Investoren viele staatliche Unternehmen, häufig im Besitz chinesischer Provinzregierungen. Um die wachsenden Einkommensdisparitäten zwischen dem industrialisierten Osten und dem Westen und Nordosten zu verringern, hat ihnen die Regierung in Beijing {…} mehr Spielraum für eigene wirtschaftliche Aktivitäten eingeräumt. Einige Provinzregierungen stiegen innerhalb eines Jahrzehnts zu den größten Handelspartnern, Investoren und Gebern für asiatische Nachbarländer auf.«

 

»Zu diesem Engagement gehören auch Pachtverträge über mehr als 400.000 Hektar [4.000 km²] Land, die die Nordostprovinz Heilongjiang {…} mit dem benachbarten Russland abschloss.« –

 

»Eines der ersten Großprojekte im Off-shore-farming-Bereich war der Vorvertrag, den Fuhua, ein Unternehmen der Provinzregierung von Jilin, im Juni 2007 mit der philippinischen Regierung über die Pacht von einer Million Hektar Land [10.000 km²] für den Anbau von Hochertragsreis, Mais und Sorghum unterzeichnete. Doch nach heftigen Protesten {…} machte die Regierung in Manila einen Rückzieher.«

 

»Als im Dezember 2009 Kasachstans Präsident Nursultan Nazarbayev ankündigte, China wolle eine Million Hektar Land pachten, um Soja und Raps für Speiseöl anzubauen, gab es heftige Demonstrationen. „Sie haben sich 13 Milliarden US-Dollar von China geliehen“, klagt Bolat Abilov {…} „und jetzt wollen sie das mit unserem Land zurückzahlen“. Kurze Zeit später dementierte die Regierung jegliche Pläne, an China Land zu verpachten.« [2]

 

Einer der Giganten des chinesischen Agrarsektors ist die aus der Fusion mehrerer Unternehmen entstandene “China National Agricultural Development Group Corporation“ (CNACD). Das chinesische Unternehmen »beschäftigt 80.000 MitarbeiterInnen, davon 10.000 im Ausland. In 40 Ländern unterhält CNACD Niederlassungen mit eigener Produktionsstätten, darunter eine 6.900 Hektar [69 km²] große Sisalplantage in Tansania . Bei einem Brasilienbesuch im April 2010 verkündete CNACD-Direktor Zheng Qingzhi, der Konzern verhandle über den Kauf von Land, um in Brasilien Soja und Mais produzieren zu können. Im gleichen Monat gab auch das Staatsunternehmen Chongquing Grain Group eine geplante Investition von 300 Millionen Dollar für den Kauf von 100.000 Hektar [1.000 km²] im brasilianischen Bundesstaat Bahia bekannt. Das Unternehmen aus der chinesischen Provinz Chongqing teilte daneben mit, dass 60 Prozent der Kosten durch die China Development Bank übernommen würden. Es sei auf der Suche nach einem lokalen Partner und plane die Produktion von jährlich 250.000 Tonnen Soja für den brasilianischen und chinesischen Markt.« [ 3] –

 

Das chinesische Staatsunternehmen “Beidahuang Group“, ein Agrarriese aus der Mandschurei, mit Sitz in Harbin, die Hauptstadt der Provinz Heilongjiang, »unterzeichnete mit der südargentinischen Provinz Río Negro in Patagonien einen Rahmenvertrag, in dem die Provinzregierung sich dazu verpflichtet, patagonisches Weideland an argentinische Farmen zu verpachten, die dann für die Chinesen Soja, Weizen und Raps im Vertragsanbau produzieren. {…} Im ersten Schritt will der Konzern 20 Millionen Dollar für die Bewirtschaftung von 3.000 Hektar investieren; danach ist eine Ausweitung auf bis zu 320.000 Hektar [3.200 km²] geplant. Nach Auskunft des Gouverneurs von Río Negro, Miguel Saiz, streben die Chinesen eine langfristige Sicherheit der Lebensmittellieferungen an, die ihnen die argentinischen Großerzeuger der sogenannten Saatpools {…} nicht hätten garantieren können. Insofern scheint bei diesem Projekt nicht allein die Profitabilität, sondern vor allem die chinesische Versorgungssicherheit ein bedeutendes Motiv zu sein.« [3]

 

 

Quellen vgl.: [1] Wiener Zeitung am 11. Oktober 2010. Investoren kaufen Anbauflächen – und bedrohen die Nahrungsversorgung der Bevölkerung.

Auf Einkaufstour bei den Ärmsten. Von Sophia Freynschlag.

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/?em_cnt=48832

 

[2] Forum Umwelt und Entwicklung – Rundbrief 1/2011. Schwerpunkt. Chinas Landwirtschaft global. Von Uwe Hoering. – Der Autor betreibt die Website www.globe-spotting.de auf der auch weitere Berichte zu Landwirtschaft in China zu finden sind.

http://www.globe-spotting.de/fileadmin/user_upload/globe-spotting/China/Hoering_ChinasLandwirtschaftGlobal.pdf

 

[3] Das Große Bauernlegen. Agrarinvestitionen und der Run auf’s Land. Von Thomas Fritz. Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika – FDCL e.V., Berlin, Dezember 2010.

http://fdcl-berlin.de/fileadmin/landnahme/FDCL_DasGrosseBauernlegen_28Seiten_WEB.pdf

 

13.08.2011, Reinhold Schramm (Bereitstellung.)

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